Donnerstag, 10. Oktober 2024
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Eröffnung des BER rückt in weite Ferne

Flughafen BER: 1. Bauabschnitt Start- und Landebahn

Die Insolvenz der deutschen Konzerntochter Imtech Deutschland GmbH & Co. KG des niederländischen Baukonzerns Royal Imtech N.V. bringt erneut den Zeitplan für die Fertigstellung des neuen Hauptstadtflughafen BER in sehr ernste Schwierigkeiten. Die deutsche Imtech hat am 6. August 2015 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Hamburg gestellt. Dies hat Rechtsanwalt Peter- A. Borchardt zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Flughafen BER: 1. Bauabschnitt Start- und Landebahn
Flughafen BER: 1. Bauabschnitt Start- und Landebahn – Foto: Günther Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Die beim niederländischen Baukonzern schon seit Jahren bestehenden finanziellen Unregelmäßigkeiten und Probleme betrafen auch die deutsche Unternehmenstochter.

Nach einem internen Prüfbericht des Konzerns, der bereits am 27.6.2013 vom Handelsblatt veröffentlicht wurde, ist der niederländische Energie- und Gebäudetechnikkonzern Imtech „von seinem Topmanagement systematisch ausgeraubt worden“. Im internen Bericht wurde auf massive Compliance-Verstöße hingewiesen. CEO und CFO sowie die Führungsspitze der deutschen Tochter mussten bereits gehen. FINANCE berichtete:

„Interne Kontrollen hätten „bandenartige Strukturen im Management“ des Konzerns aus Gouda nahe Rotterdam aufgedeckt. Betroffen waren sowohl die niederländische Führungsspitze aber auch und vor allem die deutsche Geschäftsführung. Seit Februar 2013 wurden bereits Dutzende Führungskräfte geschasst, darunter CEO René von der Bruggen, CFO Boudewijn Gerner, Deutschland-Chef Klaus Betz und der Leiter Finanzwesen Axel Glaß.“

Die neue Konzernführung musste seitdem im Konzern aufräumen, hatte jedoch immmer neuen Schulden und Verbindlichkeiten offenlegen müssen. Imtech Deutschland ist zusammen mit der finnischen YIT, Bosch und Siemens am Bau der Rauch- und Wärmeabzugsanlagen des Flughafens Berlin-Brandenburg beteiligt.

Branchenweite Auswirkungen der Imtech-Konzernkrise

In der Fachbranche des Brandschutzes häuften sich seit 2013 Meldungen von Problemen mit Gewerken von Imtech, die zu erheblichen Verzögerungen in der Fertigstellung oder sogar zur Kündigung von Verträgen und Großprojekten geführt hatten.

So wurde etwa das Zentrum für operative Medizin II als Teil des Universitätsklinikums Düsseldorf mit fünf Fachkliniken, zentraler Notaufnahme, zehn OP-Sälen und 288 Betten mit 5 Jahren Verzögerung fertiggestellt: Grund Mängel beim Brandschutz.

Der Neubau der Fachhochschule Bielefeld stockt: Grund Unzuverlässigkeit: Fertigstellung offen. Am 15. Oktober 2014 wurde bekannt, dass die Rathaus-Galerie in Hagen wegen Brandschutzmängeln nicht eröffnet werden konnte. Der Bauauftrag für Imtech wurde gekündigt. Die Mängelliste im Bereich der Feuerschutz- und Lüftungstechnik wies etwa 800 Einzelpunkte auf.

Der Neubau der Hochschule für Gesundheit (HSG) auf dem Gesundheitscampus NRW in Bochum wurde nicht fertig gestellt. Auch hier hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW der Imtech den Auftrag gekündigt.

Auch die Baustelle des Flughafen BER ist betroffen. Hier ermittelt u.a. auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen Bestechung und Abrechnungsbetrug um 40.000 nicht-geleisteten Arbeitsstunden mit einem Schaden in Millionenhöhe. Ferner wird wegen illegaler Preisabsprachen ermittelt, was angesicht komplizierter Zusammenhänge und vieler Nachunternehmer sehr schwierig ist. Zu letzt wurde im November 2014 wurde bekannt, dass die Flughafengesellschaft prüfe, ob sich Imtech bei den Ausschreibungen mit Mitbewerbern abgesprochen hat.

Kritiker werfen dem Konzern sogar ein kriminelles Geschäftsmodell vor: „Imtech. Einblicke in ein kriminelles Geschäftsmodell“ ZEIT 20.7.2015 .

Zitat: „Die Spezialität der Firma Imtech besteht nun darin, es in der Disziplin der Verschleppung zur Meisterschaft gebracht zu haben. Das bestätigen unabhängig voneinander nicht nur Bauleiter verschiedener Firmen und ehemalige Imtech-Manager, sondern auch Rechtsanwälte, Bauprüfer, Bausteuerer, Architekten und Auftraggeber, die zuletzt mit Imtech zu tun hatten.
Sogar Behörden stimmen ein in den Chor. „Geld mit Stillstand verdienen ist die Königsdisziplin von Imtech“, sagt der Mitarbeiter eines Bauamtes. Und fügt hinzu: „Imtech betreibt das Nachtragsmanagement am aggressivsten. Sie weisen Kosten nach, ohne sie gehabt zu haben – das ist gut verdientes Geld.“
Schlimmer noch wiegen andere Vorwürfe: „Imtech-Bauplaner hätten am Berliner Flughafen z. B. wissentlich erkennbar falsche Bauplanungen stur umgesetzt um hinterher gegen entsprechende Mehrkosten dieselben Bauten wieder aufwändig abzureißen oder zu sanieren.

Imtech wird zur neuen Altlast für den BER-Flughafenchef

Flughafenchef Karsten Mühlenfeld hat bereits reagiert und eine „Task Force“ aus Baufachleuten und Juristen eingesetzt, die mögliche Folgen der Pleite für den neuen Hauptstadtflughafen klären soll. Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH teilte schon mit. „Klar ist aus unserer Sicht, dass die Insolvenz Auswirkungen auf unsere Meilenstein-Planung hat, nach der der Abschluss der baulichen Arbeiten im März 2016 vorgesehen ist.“

Die Baustelle BER hat schon neue gestörte Bauabläufem denn Teile der Imtech-Belegschaft und der rund 200 Nachunternehmer sind schon am Freitag nicht mehr auf der Baustelle erschienen. Mühlenfeld muß nun mit Nachdruck klären., ob eine für das zweite Halbjahr 2017 geplante Flughafen-Eröffnung gefährdet ist.

Die Imtech und ihre Subunternehmer sind zu einem großen Teil für wichtige Elektro-, Sanitär- und Lüftungsarbeiten zuständig. Vor allem die Brandschutzanlagen mit Be- und Entlüftung und Entrauchung stellen die größten Problemfelder um BER-Terminal dar.

Flughafen BER "from Air" am 7.9.2013 - Foto: Günter Wicker FBB GmbH - Pressefoto
Flughafen BER „from Air“ am 7.9.2013 – Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Der richtige GAU steht noch bevor

Die Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft steht nun schon zum dritten Mal vor einer großen Zäsur. Die Pleite des Haustechnikplanungsbüros IGK-IGR Ingenieurgesellschaft Kruck im Frühjahr 2010 war die erste Zäsur, die ursächlich für alle Folgeprobleme war. Auf keinen Fall hätte man diese Pleite eintreten lassen dürfen. Im Gegenteil: Zahlungsrückbehalte der FBB GmbH hatten die renommierte Firma mit über 70 Fachingenieuren und Haustechnik-Spezialisten in die Insolvenz getrieben. Stattdessen hätte die Firma 20 zusätzliche Ingenieure gebraucht, um die zwischenzeitlich aufgelaufenen rund 500 Planänderungen auch in eine „Bauausführungsplanung“ umsetzen zu können.

Die nächste Zäsur war die Kündigung der Generalplaner in Form der Projektgemeinschaft pg bbi, zu der J.S.K International Architekten, die Ingenieur GmbH und die gmp Generalplanungsgesellschaft gehörten. Zusammen waren dort zeitweise 350 Mitarbeiter und Bauleiter beschäftigt. Die Zahl gekündigter Wissensträger und Fachleute stiegt damit 2012 auf über 400. Einige der wichtigsten Mitarbeiter wechselten später zur FBB GmbH, doch das Bauteam erreichte danach niemals mehr volle Leistungsfähigkeit.

Auch gelang es dem Aufsichtsrat der FBB GmbH bis heute nicht mehr, in der Haustechnik ein durchgängiges System von Planung, Haftung und Verantwortung neu zu etablieren.

Stattdessen hat die Firma Imtech nach Umfang und Art der Leistungen eine beherrschende Funktion erlangt, und hat den Bauherrn durch Systemwissen und Schlüssel-Fähigkeiten praktisch in der Hand. Weder Horst Amann, noch Hartmut Mehdorn noch Karsten Mühlenfeld wagten bisher, hier durchgreifende Konsequenzen zu ziehen.

Mit der Pleite von Imtech droht nun die dritte Zäsur: der Rauswurf der Wissensträger und Schlüsselfirmen, die bei der Errichtung und Sanierung der Haus- und Brandschutztechnik im Hauptterminal eingebunden sind.

Flughafenchef Karsten Mühlenfeld muss nun unkonventionelle Wege gehen, und notfalls eine Auffanggesellschaft für notleidende Subunternehmer-Aufträge und eine Fortführung der Bauleistungen unter Aufsicht des Hamburger Insolvenzverwalters anfordern.

Doch sollte es tatsächlich gelingen, die Haustechnik im BER fertig zu stellen, muss auch die Hürde der bauaufsichtlichen und brandschutztechnischen Inbetriebnahme genommen werden.

Schon heute aber ist die Flughafengesellschaft im Besitz eines überkomplexen Haustechnik-Systems, für das es nur noch abschnittsweise und bauteilbezogene Gewährleistung gibt, aber nicht als Gesamtsystem.

Die Firma Siemens muss noch Programmierung, Steuerung und Wartung durchführen, mit noch immer unabsehbaren Ergebnissen. Sollte es tatsächlich zu einer reibungslosen Abnahme und Inbetriebnahme kommen, drohen Wartung & Instandhaltung mit alljährlichen Revisionszyklen – und teuren Folgekosten.

Der Bauherr FBB GmbH wird daher irgendwann vor der letzten Zäsur stehen und eines Tages feststellen, dass es ein viel zu hohes Betriebsunterbrechungsrisiko gibt, um einen derart komplexen Flughafen-Terminal zu betreiben.

Dann droht der richtige GAU, wenn es nach einer ersten Brandschutzrevision im laufenden Betrieb zum „technisch bedingten Stillstand“ kommt.

m/s