Von Michael Springer
Der entlassene Bundesfinanzminister Christian Wolfgang Lindner (FDP) wollte noch ein vergiftetes Abschiedsgeschenk im Steuerrecht durchsetzen. Mit einem Entwurf zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Träger der allgemeinen Weiterbildung ins Visier. Das fatale Vorhaben: das Ministerium will den Erwerb fachübergreifender Kompetenzen, die heute in jedem Unternehmen gebraucht werden, zur Freizeitbeschäftigung erklären. Entsprechende Bildungs- und Lernangebote könnten somit künftig besteuert werden. Steuerfrei soll Weiterbildung nur bleiben, wenn sie unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat.
Konkret geht es in den strittigen Ausführungen aus dem Ministerium um einen Anwendungserlass zu dem mit Wirkung zum 1. Januar 2025 geänderten Paragrafen 4 Nr. 21 im Umsatzsteuergesetz. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers war laut der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, dass auch nach der Gesetzesänderung „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei bleiben.“
Bildung und lebenslanges Lernen müssen steuerfrei bleiben
Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) warnt eindringlich davor, Bildung so eng zu definieren, und fordert das Ministerium zu einem konstruktiven Dialog über Weiterbildung in Zeiten der KI-Revolution, des globalisierten Arbeitens und starker gesellschaftlicher Spannungen auf. Bildungsexpert*innen und Wirtschaftsfachleute sind sich längst einig, dass es heute im gesellschaftlichen Leben wie auch am Arbeitsplatz auf die von der allgemeinen Weiterbildung vermittelten überfachlichen Kompetenzen ankommt.
Julia von Westerholt, Direktorin des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV) sagte dazu: „Eine Steuererhebung auf Weiterbildungsangebote würde den ständigen Appell aus Politik und Wirtschaft zur Notwendigkeit lebenslangen Lernens zur Worthülse verkommen lassen.“ — Sie verwies darauf, die Pläne des BMF hätten wenig mit europarechtlichen Vorgaben zu tun, und seien im Wesentlichen hausgemacht.
Lindner beschädigt die Entfaltungsfreiheiten der Bürger
„Die Trennung zwischen ‚privaten‘ und ‚beruflichen‘ Kompetenzen ist gerade aus heutiger Sicht absurd“, sagte Julia von Westerholt. „Inzwischen weiß jeder, dass Problemlösungskompetenz, Kommunikationsfähigkeit oder soziale Kompetenz sowohl im Privatleben als auch am Arbeitsplatz unentbehrlich sind“. Weiterbildungsangebote, die der Stärkung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen, spreche das Ministerium den Bildungswert ab. Das sei unhaltbar und stehe auch im Widerspruch zu den von Bund und Ländern erarbeiteten Kriterien für eine Bildungsveranstaltung, die der Anwendung des wichtigen Paragrafen 4 Absatz 22a im Umsatzsteuergesetz zugrunde gelegt werden sollen. Diese Regelung erklärt Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art, die von bestimmten Einrichtungen, unter anderem Volkshochschulen, erbracht werden, für steuerfrei.
Mit bürokratischen Eifer in soziale Schieflagen
„Der Entwurf des BMF ist in dieser Form schädlich“, stellte Julia von Westerholt fest. „Er würde eine Lawine von Bürokratie auslösen. Schlimmer noch: Die Autor*innen des Papiers treiben damit schlussendlich die Preise für Weiterbildung in die Höhe.“ — Dies benachteilige zahllose Personen, die sich gerade in Krisen- und Umbruchszeiten weiterbilden wollen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Die vom BMF geplante Besteuerung großer Teile des Angebotes in der allgemeinen Weiterbildung wirke dem positiven Trend bei der Weiterbildungsbeteiligung entgegen. „Hürden für Weiterbildungsinteressierte frustrieren die Menschen und schaden dem Bildungsstandort Deutschland.“
Weitere Informationen:
Stellungnahme des DVV zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses