„Schichtwechsel: Die Roboter übernehmen Wissenschaft, Umwelt, Technologie“ – so lautete der Titel einer Sendung in der ARD gestern abend um 23:20, die schon früher auf arteTV erschienen ist.
Das Thema ist höchst brisant, denn:
„Wir befinden uns mitten in einer Revolution: „Industrie 4.0″ ist das dazu gehörige Schlagwort. Politik und Wirtschaft kündigen einen radikalen Wandel an, der nicht nur die Produktion in den Fabriken in einem nie dagewesenen Ausmaß verändern wird. Roboter und Computeralgorithmen rütteln an den Grundfesten der bisherigen Arbeitsgesellschaft.“
„Wir befinden uns mitten in einer Revolution, verheißen die Forschungslabore der Internet- und Softwarekonzerne. Und diese Revolution trägt einen Namen: „Industrie 4.0″. Politik und Wirtschaft kündigen einen radikalen Wandel an, der nicht nur die Produktion in den Fabriken in einem nie dagewesenen Ausmaß verändern wird. Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Wirtschaft.“
Experten schätzen, das allein in Deutschland rund 18 Millionen Jobs wegfallen können – so ist in der Sendung von Volkswirten der Commerzbank zu hören, denn mehr und mehr übernehmen Maschinen die Aufgaben der Arbeitnehmer in der traditionellen Erwerbsarbeit.
Bedeutsam: auch im Bankensektor und in der Finanzindustrie fallen Jobs weg. Nachdem Bill Gates die These ausgegeben hat: „Bankgeschäfte sind notwendig – Banken nicht“, wachsen weltweit „Fin-Startups“ als alternative Smartphone-Dienste und Apps – und übernehmen den Job der Banker und Investmentbanker. Auch an Wall Street geht nun die Angst vor Jobverlust um – und in Deutschland müssen sich gerade rund 9.000 Beschäftigte der Commerzbank auf Kündigung und Arbeitslosigkeit vorbereiten.
Das Problem ist allgegenwärtig: mit der Digitalisierung werden absehbar mehr Arbeitskräfte freigesetzt, als durch neue Innovationen neu beschäftigt werden können.
„Industrie 4.0 ist möglicherweise die größte Herausforderung für die Welt überhaupt“, sagte Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos und warnt vor einer Revolution von oben, die Millionen Menschen zu Verlierern macht, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Wird der Arbeitsmarkt überhaupt noch der Ort sein, an dem die Integration des Menschen in die Gesellschaft stattfindet?
Noch befinden sich die Industrieländer am Übergang zu einem neuen Zeitalter. Wie aber wird die Gesellschaft von morgen aussehen? Welchen Platz wird der Mensch für sich finden. Und welche Rolle wird überhaupt noch die Arbeit dabei spielen?
In der Sendung äußert sich auch die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD). Doch ihre Worte sind ein Offenbarungseid: sie ist eine Arbeitsministerin ohne Plan:
„Mich beschäftigt das Thema industrie 4.0 – oder besser Arbeiten 4.0 – sehr intensiv, denn wir können im Grunde nix, ohne die, jach, Betriebe, die Menschen die betroffen sind, erreichen ….“ sagt sie etwas holprig in die Kamera.
In der 22.Minute der Sendung bekennt Nahles:
„Ich hab nämlich keinen Plan, ich weiss nicht genau wie es weitergeht, und deswegen haben wir einen Dialog gestartet, sehr intensiv, mit einem Grünbuch, wo wir uns getraut haben, einfach mal Fragen zu stellen, bevor wir die Antworten schon vorwegnehmen.
Ich sehe hier aber auch die Unternehmen in der Verantwortung, und deswegen wird es noch Rumsen, fürchte ich, in der Auseinandersetzung um die Frage, wie können wir denn eigentlich den neuen Formen der Arbeit auch absichern, sodass sie nicht nur den Unternehmen und Renditen dienen, sondern auch den Arbeitnehmern?“
Die Bundesrepublik Deutschland steht damit vor der größten Modernisierungskrise ihrer Geschichte. Die wichtigste Ministerin für die Arbeits- und Sozialordnung ist einigermaßen ratlos.
Dialogprozess mit offenen Ausgang und einem Grünbuch gestartet
Am 22. April startete das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Dialog zum Thema „Arbeiten 4.0“. In Berlin trafen sich im Umspannwerk am Alexanderplatz über 300 Expertinnen und Experten, um über die Zukunft der Arbeit zu diskutieren. undesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, eröffnete damals den Kongress mit drei im Fokus stehenden Diskussionsthemen:
VON DER INDUSTRIE 4.0 ZU ARBEITEN 4.0. Bestimmt der Mensch die Technik, oder umgekehrt?
ARBEIT UND WIRTSCHAFTSKULTUR. Fordert das Silicon Valley die soziale Marktwirtschaft heraus?
ARBEIT UND LEBEN. Freiheit und Sicherheit. Arbeit und Familie. Neue Werte – neue Arbeit?
Gleichzeitig stellte die Nahles das Grünbuch „Arbeiten 4.0“ vor, in dem Analysen und offenen Fragen zu wichtigen Entwicklungen und Handlungsfeldern in der Arbeitsgesellschaft von morgen skiziert werden. Das Grünbuch ist auf der parallel dazu gestarteten Internet-Plattform www.arbeitenviernull.de
Dialogprozess und Dokumentationen bisheriger Workshops
Der Dialogprozess ist schon weit fortgeschritten, nach dem ersten Werkheft 01 „Digitalisierung der Arbeitswelt“ liegt inzwischen aus das Werkheft 02 „Wie wir arbeiten wollen“ vor.
Auch liegen inzwischen insgesamt sechs Workshop-Dokumentationen zum Dialogprozess vor.
Vorläufige Ergebnisse und viele offene Fragen
Angesichts der Vielfalt der Entwicklungen und Varianten der Digitalisierung kann es kein Gesamtergebnis geben. Vielmehr sind ein ebenso vielfältige und komplexe Antworten gefragt, die selbst erst parallel zu den laufenden Innovationsprozessen beantwortbar sind. Es ist somit auch kein einfaches politisches und volkswirtschaftliches Lösungsmodell zu entwickeln, wie es zum Beispiel vor 50 Jahren mit den Erfolgsrezepten der sozialen Marktwirtschaft und dem Wachstums- und Stabilitätsgesetz unter der Ägide von Ludwig Erhard noch möglich war.
Der Grundtenor in der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung ist jedoch erkennbar: es handelt sich im einen fortan immwerwährenden Prozess, der eine beständige Politik des sozialen Ausgleichs erfordert.
Grundsätzlich ist es erforderlich, sich den Herausforderungen mit positiver Haltung zu stellen, und Digitalisierung auch als Chance zu sehen. Gleichzeitig muss erheblich in Bildung und Weiterbildung investiert werden, um Chancen überhaupt erkennen zu können, und auch neue Rahmensetzungen für sozialen Ausgleich entwickeln zu können.
Die Regeln und sozialen Sicherungssysteme müssen an neue Formen der „digitalen Arbeit“ und neue Formen „digitaler Ökonomien“ angepasst werden, und für alle Berufe und Berufsgruppen durchdenkliniert werden.
Offene Systemfrage Einkommenssicherung
Weder Volkswirtschaft noch Wirtschaftswissenschaften, weder Politik noch politische Ökonomie haben bisher ein Konzept, wie die notwendige Einkommenssicherung, soziale Absicherung, Wohnen und Rente in einer Arbeitswelt 4.0 für 83 Millionen Einwohner in Deutschland abgesichert werden können! – Zumal wenn die bisherige Vollbeschäftigung von über 44 Mio. Beschäftigten tatsächlich mittelfristig um rund 18 Mio. Beschäftigte absinkt.
Die Warnung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vor einer „Todesspirale der Weltwirtschaft“ ist ernst zu nehmen.
Der Weg eines bedingungslosen Grundeinkommens ist im globalen Wettbewerb nicht mehr allein national oder europaweit umsetzbar. Auch in Japan und in China arbeiten eFactory-Technologien und moderne aus Deutschland exportierte Roboter. Und Roboter-Billiglöhne gibt es auch schon.
Vor allem aber spielen wirtschaftliche Skalierung Marktgrößen eine immer größere Rolle: China hat derzeit den größten Markt und läuft wegen größerer Absatz-Stückzahlen inzwischen vielen High-Tech-Unternehmen den Rang und die Kostenführerschaft ab.
Die Neuerfindung einer „digitalen Marktwirtschaft“ mit „Arbeiten 4.0“ könnte sich als nicht nachhaltig tragfähig erweisen, weil sie die Kosten der freigesetzten Arbeitslosen selbst nicht refinanzieren kann!
Weitere Informationen:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales www.bmas.de
Themen-Vorschau:
50 Jahre nach Ludwig Erhard:
Digital-soziale Marktwirtschaft 5.0. – die kommende informelle Revolution in der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung