Dienstag, 19. März 2024
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Kommt die Zweckentfremdungs-Chaos-Beseitigungs-VO?

Smart City Wohnen

/// Glosse /// – Es ist unabwendbar: wer Wohnungen baut, bekommt auch einen „Wohnungsmarkt“ – mit Angebot und Nachfrage. Noch unabwendbarere Ergebnisse zeitigt erfolgreiche Tourismuswerbung: es gibt einen Bedarf nach Ferienwohnen. Metropolen und Kulturstädte, Creative Cities und Messestädte haben noch ganz andere unabweisbare Nachfragen: „Künstlerwohnen“, „Job-Starter- und Projekt-Wohnen“, dazu das ganze Patchwork von Wohngemeinschaften, Wohnen auf Zeit, Notwohnen zwecks Wohnungssuche und Semesterstart, dazu Hostel, Hotel und Notunterkunft für Flüchtlinge.

Rufen Politiker die „Smart City“ aus, reden dazu von einer „Digitalen Agenda“ – und ein allgegenwärtiges Internet sorgt für digitale Wohnungsmärkte, Ferienwohnungsmärkte mit Echtzeithandel und Bezahlung – so ist das Marktgeschehen mit Angebot, Nachfrage und digitaler Technik völlig „unabweisbar modern“ geworden.

Gesetzliche Regeln zur Beschränkung des Marktes, speziell des Marktes mit Ferienwohnen, Wohnen auf Zeit und Wohnungs-Sharing treffen dabei auf politisch und wirtschaftlich längst herbeigewünschte Deregulierung und „Globalisierungsfolgen“.

Der Schutz der Mieter und Stadtbewohner ist zwar weiter ein hohes Ziel. Doch ein liberalisierter Investoren- und Anlegermarkt sorgt für gänzlich neuartige Nutzungsideen, etwa wenn Pensionsfonds in attraktiven Wohnungen Teilzeit-Eigentums-Ferienwohnen und andere Modelle realisieren. Verknappung sorgt zudem für Nutzungsfantasien und neue Notlinderungs-Strategien.

Das Gegensteuern mit einer kommunalen Zweckentfremdungs-Verbotsverordnung wird angesichts der unabweisbaren Marktbildung zum vergeblichen Kampf. Das heutige Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin zeigt es auf. Ein Kampf, der praktisch ins Desaster führt, der Politik, Bezirksämter und Juristen am Ende wegen der großen Zahl der Fälle und Varianten und wegen immer erfindungsreicherer Nutzungmodelle überfordert. – Es muss umgedacht werden!

Die große Koalition aus SPD und CDU hat mit der Zweckentfremdungsverbotsverordnung versagt! Das ordnungspolitische Paradigma der „Nutzungsuntersagung“ und detailreicher „Nutzungsauflagen“ ist praktisch kaum auf Dauer stringent durchsetzbar. Schon eine Zweitwohnung eines Flugbegleiters zeigt: die Globalisierung lässt sich nicht mehr in industriegesellschaftliche Wohn-Modelle pressen.

Mit guter alter Ordnungspolitik ist keine moderne Stadt zu lenken!

Die Smart City Berlin braucht eine „g´scheite Lösung“

Die Politik ist mit der Zweckentfremdungs-Verbotsverordnung zu kurz und zu spät gesprungen! Die Nachfragemärkte sind heute in „Systemen“ organisiert, die Nachfrage sucht sich nach chaotischen Kriterien das letzte freie und billigste Angebot.

Governance und Steuerung müssten deshalb ebenso auf „Systemebene“ ansetzen. Doch schon die Datenbasis der „Wohnungseigentümerschaften und Besitzrechte“ ist schütter und lückenhaft. Die wohnungspolitischen Mißstände beginnen schon bei Kauf und Eigentums-Übertragung.
Oft steht der wahre Eigentümer und Geldgeber noch nicht einmal im Grundbuch. Stattdessen sind es Anleger: Kapitalgesellschaften, Fonds und Pensionsfonds haben angelegt und z.T. auch unterschiedliche Sharing- und Nießbrauchmodelle nach landestypischen skandinavischen Sitten aufgelegt.

Die vermieterseitige Daten-Basis beim Wohnen und Ferienwohnen ist schon bei Grundbuch und Wohnungsblatt lückenhaft. Finanzminister und Innenminister wüßten beide schon gern, wer da überhaupt wohnt!

Bei jedem großen Hotel in Berlin sind die Eigentümer bekannt. Bei Ferienwohnungen, Teilzeit- und anderen Nutzungsformen ist selbst der seit dem 19. jahrhundert durch preußische Polizeiverordnung popularisierte „stille Portier“ in den Hausfluren heute durch Service-Nummern von Facility Management Firmen und Notdiensten ersetzt.

So wird es auch schwierig, überhaupt einen „Privaten Nebenerwerb“, „Gewerbe-Entstehung“ und „transnationale Bezahlmodelle“ voneinander zu unterscheiden. Im Zweifel gibt es nicht einmal mehr Schlüssel, sondern eine verschlüsselte App und einen Öffnungs- und Abrechnungs-Code.
Weder Ausweiskontrolle noch amtliches Meldewesen finden statt.

Wie g´scheit darf es denn sein?

Bevor man über eine neue „Zweckentfremdungs-Chaos-Beseitigungs-VO“ nachdenkt, könnte man auch bestehende Regeln zusammen auf einen großen Tisch legen. Und alle zuständigen Mitarbeiter, Stadträte, Senatoren und Leitende Staatssekretär an einen großen eckigen „g´scheit-Government-Tisch setzen.

Auch das Mahrzahner Finanzamt für die Erhebung der Übernachtungs-Steuer sollte dazu kommen. Natürlich auch der Staatssekretär aus der Finanzverwaltung, die das Personalverwaltungsbudget von Berlin gern flach halten möchte.
Und so könnte man gemeinsamen Rat abhalten, und um g´scheite Fragen bitten!

1. Wie kann man die geltende Zweitwohnungssteuer bei Fonds-Anleger-Wohnungen mit Sharing-Modellen erheben?
2. Braucht Berlin ein einheitliches Wohnungsnutzungs-und Grundsteuer-Register?
3. Wie muss das geltende Meldegesetz modifiziert werden, damit Touristen und Terroristen mit Rollkoffern wenigstens ein amtliches Reisedokument vorzeigen müssen?
4. Brauchen wir eine einheitliche „Wohnungsnutzungs- und Zweitwohnungssteuer“?
5. Muss eine Übernachtungsteuer Vorauszahlungs- und Erstattungsregelung geschaffen werden?
6. Wird ein einheitlicher Anprechpartner für Zweitwohnungs- und Übernachtungssteuer und Wohnen auf Zeit benötigt?
7. Sollten Übernachtungsteuer und Zweitwohnungssteuer zusammen mit der Grundsteuer veranlagt werden?
8. Kann eine eGovernment-Lösung Probleme mehren oder mindern, oder braucht man selfGovernment-Apps?
9. Lassen sich die Einnahmen zweckgerichtet in den Bau von Wohnungen, Hostels und Ateliers lenken?

In der „Smart City“ sind „g´scheiten Fragen keine Grenzen gesetzt! G´scheite Politik* wird in Berlin gebraucht, um „Solutions without new problems“ zu schaffen!

* Smart City: in Wien sagt man zur „intelligenten Stadt“ einfach „g´scheite Stadt!