Pankow verändert sich. Der Bevölkerungszuwachs bis 2030 und die Unterbringung von Flüchtlingen sorgen für einen tiefgreifenden Wandel. Hinzu kommt das gewandelte Kommunikationsverhalten infolge der stark gewachsenen Smartphone-Nutzung. Wachsender Kostendruck infolge steigender Mieten hat auch manchen Akteur, vor allem Künstler, aus ihren Laden-Atelier verdrängt. Der Trend zum staatlich geförderten Atelierhochhaus sorgt auch dafür, dass künftig die Kunst nicht mehr in den Kiez kommt, sondern die Kiezbewohner zum Kunst-Event gehen müssen.
Das Smartphone sorgt heute für den „Helikopter-Blick“ auf Kunst und Kultur: die Orientierung geschieht über die Navigationsansicht von Google-Maps, Karten-Apps oder umfangreichen Listenansichten. Nicht mehr das Interesse zählt vorrangig, sondern kurzzeitig aufgefundene „Gelegenheit“ und „Verabredung“ per Chat.
Für Künstler und Kulturbetriebe ist das fatal: ein Trend zum „Kultur-Zapping“ und zur „Unterhaltungskultur“ entwickelt sich. Ohne Musik – und damit nur mit GEMA-Kosten – läuft nicht mehr viel.
In Kunst und Kultur geht daher der Trend zur persönlich eingeladenen Veranstaltung, zum Kiez- und Gemeindeverteiler. Mail-Verteiler und klitzekleine Facebook-Gruppen bekommen wieder etwas mehr Gewicht.
Kulturöffentlichkeit schwindet – auch die Gemeinnützigkeit von Kultur gerät damit ins Wanken. Die sogenannte „Interkultur-Gesellschaft“ wächst. Einher geht eine immer weitgehendere Zersplitterung von Zielgruppen – mit ernsten Folgen für die Wirtschaftlichkeit von Kulturräumen und -betrieben.
Wie groß ist das Kulturpublikum?
Das Kulturpublikum ist überschaubar. Das Institut für Kulturpolitik in Hildesheim geht in noch nicht veröffentlichten Trend-Zahlen von einem Anteil von ca. 10-11% der Bevölkerung als „Kultur-Stammbesuchern“ und etwa 40-42% Gelegenheitsbesuchern aus (bezogen auf die Bevölkerungszahl im Einzugsbereich). Zahlenmässig gehen rund 50% nie in Kulturveranstaltungen, was mit Alter, Gesundheit, Schichtarbeit, Reisen und vielen anderen guten Gründen zu tun hat. Natürlich gibt es dabei „individuelles Verhalten“ – die Zahlen haben vor allem statistischen Charakter für wirtschaftliche Trendberechnungen.
Die Flüchtlings-Betreuung sorgt auch für eine große Lücke: Künstler und Kultur-Akteure werden für die Betreuung von Flüchtlingen bezahlt, und konzentrieren sich auf ihr entsprechendes Umfeld. Manche Kulturbetriebe verzeichnen Besucherschwund. Theater und Sprechtheater leiden besonders.
Die besondere Situation in Berlin: rund 500% (und mehr) des Stammbesucherpotentials werden durch „touristische Zielgruppen, Messegäste und Tagungsgäste repräsentiert. Ein „Reservoir“, das vielen Akteuren in der Kulturwirtschaft zu einer wirtschaftlichen Auslastung verhelfen würde.
Wachstum der Interkultur
Prof. Dr. Susanne Keuchel, Direktorin des Hildesheimer Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) erstellt seit 2011 das „Interkultur-Barometer“. Sie schreibt:
„Deutschland wird immer bunter“ – dieser Befund ist inzwischen in allen Bereichen der Gesellschaft angekommen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Gestaltung des kulturellen Lebens? Wie verändert sich das Verständnis von Kultur, wie verändern sich kulturelle Einstellungen und Interessen, wie verändert sich das reale Kulturleben? Und wie kann der kulturelle Reichtum, der durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Milieus entsteht, produktiv werden? Inwiefern können künstlerische und kulturelle Projekte eine Brückenfunktion einnehmen, um interkulturelle Dialoge zu fördern?“
Im Interkulturbarometer wurden wichtige Grundlagen-Empfehlungen erarbeitet. Keuchel: „Die vielfältige Wahrnehmung von Kultur und Gesellschaft in Deutschland durch Menschen mit unterschiedlicher kultureller Prägung sollte in den Angeboten des öffentlichen Kulturlebens reflektiert und aufgegriffen werden. Das Repertoire bzw. der „Kanon“ von Theatern und Orchestern, Opernhäusern und Museen ist vor diesem Hintergrund zu überprüfen und kontinuierlich zu erneuern.“
Wichtige Erkenntnisse aus der Studie
„Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund akzentuieren den Kulturbegriff unterschiedlich. Während deutschstämmige Personen diesen eher auf die Künste beziehen, vertritt die Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund einen breiteren Kulturbegriff, der beispielsweise auch Familie oder Religion mit einschließt. Dabei vertritt besonders die dritte Migrantengeneration einen hybriden Kulturbegriff, welcher Definitionsmerkmale vereint, die sich einerseits auf die Künste, andererseits auf einen breiten Kulturbegriff beziehen. Auch jüngere Bevölkerungsgruppen ohne Migrationshintergrund erweitern zunehmend ihre Begriffsdefinition von Kultur auf ein breiteres Verständnis, das im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung des Faktors Migration in Deutschland vor allem kulturelle Diversität thematisiert.“
Die Ergebnisse und Empfehlungen sind auf der Internet-Seite des Institut für Kulturpolitik nachlesbar.
Kirchen, Museen und Kulturgeschichte als Bindeglied
Eine wichtige Erkenntnis der Studie betrifft die integrationsfördernde Wirkung von Kulturgeschichte:
„Will man eine stärkere Öffnung und emotionale Bindung migrantischer Bevölkerungsgruppen an das Aufnahmeland erreichen, ist es vorteilhaft, auch „emotionale“ Lebensbereiche des Aufnahmelands zu vermitteln. Hier könnte die Kulturgeschichte eine Schlüsselfunktion einnehmen und speziell vor allem künstlerische Themen, die nicht direkt an politische Wertesysteme gekoppelt sind. So zeigen die Studienergebnisse, dass die Wertschätzung der Kulturgeschichte sowohl des Aufnahme- wie des Herkunftslandes ein zentraler und unterstützender Faktor für eine sehr vorteilhaft erlebte eigene Migrationserfahrung bei der migrantischen Bevölkerung in Deutschland ist. Dies konnte punktuell auch bei einer sehr starken Verbundenheit einzelner Befragten mit speziellen Regionen bzw. Orten mit einer interessanten Kulturgeschichte und besonderen Kulturtraditionen in Deutschland, wie Berlin oder Köln, beobachtet werden.“
Bemerkenswert ist: die christlichen Kirchen verzeichnen eine große Zahl von Konvertiten. Museen und Kulturgeschichte erleben ein wachsendes Interesse.
Kirchengemeinden und Glaubensgemeinschaften
Die evangelischen Kirchengemeinden werden nach und nach mit W-LAN ausgestattet, dem umgangsprachlich „God-Spot“ genannten lokalen Internet. Dies ermöglicht eine neue Form der Öffentlichkeitsarbeit „bei geschlossener Kirchentür“. Hierfür steht ein Konzept bereit, das für „die Gemeinde, die Stadt und den Erdkreis“ verschiedene Ebenen der Ansprache bereit hält.
Öffentlich eingeladene Konzerte und Kulturveranstaltungen verzeichnen dabei stabile Spendeneinahmen, die Kosten von Veranstaltungsankündigungen mehr als aufwiegen.
Speziell zum kommenden Lutherjahr 2017 sind eine Reihe von journalistischen und kulturellen Ideen vorhanden, um die Pankower Kirchen als christliche Kulturorte stärker in die Öffentlichkeit zu rücken.
5 Jahre KULTUR IN PANKOW
Das Kulturportal KULTUR IN PANKOW ist derzeit abgeschaltet. Nach 5 Jahren Betrieb, nach Auswertung der stabilen täglichen Zugriffszahlen, hat es in der Summe dazu beigetragen, das „Kulturpotential“ im Publikum durch Vorankündigungen zu einem „vorausplanenden Kulturbesuch“ einzuladen.
Mit den modernen Erkenntnissen zum „Audience Development“, wie sie in Großbritannien entwickelt und gepflegt werden, ist das Konzept auch weiter zukunftsfähig. Mit täglich 1000-5.000 Nutzern, die allein durch „natürliche Reichweiten-Gewinnung“ gewonnen wurden, hat es das kulturinteressierte Publikum erreicht und eingeladen.
Allerdings: das Kulturportal wurde nicht durch öffentliche Mittel gefördert. Im Gegenteil: es wurde durch die in Pankow regierenden Parteien und das Kulturamt fünf Jahre lang „ignoriert“, weil es das System von öffentlichen Kultursubventionen grundsätzlich in Frage stellt, und deren „selbstempfundene Kulturhoheit“ unterminiert. Bei kalifornischen Großunternehmen hat man diese Befindlichkeiten offensichtlich nicht!
Kulturpolitische Verweigerung in Pankow
Das ursprüngliche Konzept, das Kulturportal als „lokale Allmende-Öffentlichkeit“ zu betreiben, wurde ausgerechnet im Kulturbezirk Pankow nicht „goutiert“.
„Google-Kostenlos-Ökonomie traf sozisagen auf „Ehrenamtsökonomie“ – das KULTURPORTAL blieb engagiertes Zuschußprojekt – wobei im Bezirk Pankow monatlich fünfstellige Mittel für Kultur-Öffentlichkeitsarbeit aufgewendet werden.
Paradox: Politisch setzen sich Parteien für Stärkung von Kultur, guter Arbeit, Frauenquote und Mindestlohn ein, und das einzig Projekt, das gegen die Google-Ökonomie Chancen erarbeitet wird blockiert!
Die ursprüngliche Idee, das KULTURPORTAL durch lokale Werbung, Content-Marketing und Selbstkostenfinanzierung durch Verlage, Buchhandel und andere Kulturbetriebe zu einem „Synergie-Projekt“ zu machen, wurde von Anfang an vom Kulturamt blockiert!
Inzwischen ist Zeit vergangen. Zeit in der der zugehörigen technischen Plattform unter ökonomischen Engpässen weiter gearbeitet wurde. Ein Konzept, das weder in Berlin noch San Franzisko, aber in London und osteuropäischen Hauptstädten „kreditfähig“ ist – sobald es „rund“ ist.
Inzwischen gibt es die „mobile Revolution“. Die vor 5 Jahren vorgefundene Entwicklung des Internets ist verändert. Eine nur lokale Werbung hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Die großen Werbe-Netzwerke mit Big-Data und datensaugenden Tracker-Diensten sind in Mißkredit geraten. Das Konzept der „nichtstörenden Werbung“ kommt.
Kultur wird inter-digital
Die Idee der „werbefreien Kulturöffentlichkeit“ wird verworfen. Das Medium wird weiter unabhängig
ausgebaut.
Mit dem Neustart von KULTUR IN PANKOW im September wird die Idee eines lokalbasierten, auf Pankow begrenzten Internetangebotes weiter aufgeweicht. Künftig wird es auch Reichweiten-Werbe-Angebote und Affiliate-Werbung für Online-Book-Shops, Online-Shops und Medien- und Streaming-Dienste geben.
Künstler, Autoren, Kulturbetriebe können künftig auch berlinweite digitale Echtzeitwerbung im Mediennetzwerk der Pankower Allgemeine Zeitung und in angeschlossenen Stadtmedien und -portalen ermöglicht werden.
Weitere Informationen:
info@kultur-in-pankow.de
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