Für den „Möchtegern-im-Mauerpark“-Investor Groth wird es eng. Das Grundstück für die geplante Nordbebauung hat keine vernünftige Erschließung. Die städtebaulichen Pläne weisen einen entscheidenden Mangel auf: die Erschließung von der Gleimstrasse passt nicht. Der denkmalgeschützte Gleimtunnel mit seinen Widerlagerwänden steht in Weg!
Im Artikel „Mauerpark-Bebauung: erster Spatenstich“ vom Freitag, den 12. 07. 2013 wurde die Problematik angesprochen. Dort wurde die „Erkundungsgrube“ auch als solche angesprochen.
Die Groth-Gruppe hat sich zwischenzeitlich dazu in ihrem Blog erklärt:
„.. eine Schürfgrube“ zur Vermessung der Verankerung des Gleimtunnels“ wurde ausgehoben. „Diese Lageermittlung war erforderlich, da dort die Grundstücksgrenze für die von uns erworbene Fläche liegt.“ – so steht es nun im Blog der Groth-Gruppe.
Der genaue Verlauf der Grundstücksgrenze zwischen dem von der Groth-Gruppe erworbenen Grundstücksteil und der benachbarten Liegenschaft der DEGEWO wird nun auch noch genau geklärt werden müssen. Dabei entsteht die spannende Frage: Wem gehört die „Widerlagerwand“ am Gleimtunnel, und welche denkmalrechtliche Bedeutung hat dieses Bauteil für das „stadtbildprägende Baudenkmal“?
Erst ein genauer Blick in die Katasterpläne kann hier Aufschluß geben – und dies wird besonders den Denkmalschutz interessieren.
Nachgemessen
Bei einer Besichtigung am 19.7.2013 wurde noch einmal vor Ort nachgemessen. Dabei wurden neue Farbmarkierungen an der Sohle der Widerlagerwand festgestellt, die mit magentafarbener Sprühfarbe gesetzt wurden. Offensichtlich stammen diese von einem Vermessungsbüro.
Vom (sichtbaren) Grundstück der DEGEWO bis unter das Brückengeländer des Gleimtunnels steht die Widerlagerwand, die Böschung und Tunnelüberbrückung abfängt.
Diese Widerlagerwand gehört zum Bauwerk des 1903-1905 errichteten Gleimtunnels, und sorgt auch für dessen stadtbildprägende Bedeutung als „Stadteingang“ für den dahinter liegenden Stadtteil. Die stadtbildprägende Wirkung ist auch einer der bedeutsamen Gründe für den Denkmalsschutz.
Die Widerlagerwand mißt rund 11 Meter bis zur Überbrückung des Gleimtunnels – gemessen von der Grundstücksgrenze der DEGEWO (erkennbar an der Beton-Stützmauer links) – und setzt sich danach unter dem Tunnel fort.
Der Gleimtunnel ist als letztes größeres Eisenbahnbrückenbauwerk Berlins aus der Zeit der Jahrhundertwende um 1900 bis heute in seiner Ursprungsausführung vollständig erhalten geblieben.
„In die Liste des Landesdenkmalamtes ist der Gleimtunnel aufgrund seiner verkehrs- und ortsgeschichtlichen sowie künstlerischen Bedeutung als Baudenkmal eingetragen. Er „ist in seiner Gesamtheit und Vollständigkeit – auch das historische Straßen- und Gehsteigpflaster ist erhalten- in Berlin und, nach derzeitigem Kenntnisstand, in der Bundesrepublik einzigartig“ – schrieb die Architektenkammer Berlin, AS Denkmalsschutz und Denkmalpflege im Oktober 2012.
Bauabsicht: Eingriff ins Baudenkmal Gleimtunnel
Nimmt man die Markierungen ernst, so ist die Bauabsicht unmittelbar erkennbar: rund 11 Meter der Brückenwiderlagerwand stehen unmittelbar im Weg und sollen abgebrochen werden.
Dies ist auch in den vorliegenden Plänen so vermerkt, die der Bürgerwerkstatt Mauerpark zur Kenntnis gegeben wurden. Auf der Webseite www.mauerpark-im-dialog.de ist nur die rote Linie des geplanten 19 Meter breiten „Entreeplatzes“ zu sehen. Ein weiterer Planausschnitt ist am Ende des Artikels angehängt.
Reaktion im Blog-der Groth-Gruppe?
Im Blog der Groth-Gruppe wird auf den o.g. Artikel verwiesen – Originalzitat: „In der Pankower Allgemeinen Zeitung erschien am 12.07.2013 ein Artikel, zu dem uns Fragen erreichten. Der Artikel berichtet über einen angeblichen “ersten Spatenstich” für die geplante Bebauung. Außerdem ist dort von einem Entreeplatz die Rede, der zu einem teilweisen Abbruch des Gleimtunnels führen würde.“ „Beides trifft nicht zu.“
In dem Artikel war der Vorgang korrekt dargestellt, der neutrale Begriff „Erkundungsgrube“ wurde verwendet, Währendessen im Investoren-Blog von einer „Schürfgrube“ gesprochen wird – so als handele es sich um einen „Goldsucher-Claim“.
Interessant ist der zweite Teil der Erklärung:
Hierzu wird von seiten der Groth-Gruppe erklärt: „Der geplante Entreeplatz ist eine Aufweitung der Zufahrt, die insbesondere durch einen Rücksprung der geplanten Gebäude an dieser Ecke erreicht wird. Hier sind Treppen zur Überwindung des Höhenunterschiedes, der Aufzug und eben die Zufahrt zu der neuen Erschließungsstraße geplant. Für die Errichtung dieser Anlagen sind weder Flächen des Gleimtunnels noch Flächen der degewo erforderlich.“
Dies ist natürlich interpretationsbedürftig – denn zum Gleimtunnel gehören auch die gemauerten Brückenwiderlager und die gemauerten Widerlagerwände, die Bestandteil des Denkmals sind. Diese Wände nehmen einen realen Platz ein – und stehen nicht im „lufleeren Raum“.
Der nachfolgende Planausschnitt, der von der Bürgerwerkstatt Mauerpark übermittelt wurde, zeigt die Idee des Entreeplatzes.
Der Versuch der Desinformation: „Für die Errichtung dieser Anlagen sind weder Flächen des Gleimtunnels noch Flächen der degewo erforderlich“ ist damit enthüllt.
Was konkret geplant ist, ist im Planausschnitt ohne Herkunftsvermerk zu sehen, der ebenfalls von der Bürgerwerkstatt übermittelt wurde.
Spannende Eigentumsfrage
Tatsächlich steht die Brückenwiderlagerwand einer geplanten Zufahrt entgegen. Aber wem gehört die Tunnelwand? Ist sie Bestandteil des erworbenen Grundstücks der Groth-Gruppe? Oder ist die Tunnelwand Bestandteil des Gleimtunnels und seiner statisch notwendigen Widerlager? Handelt es sich womöglich um eine Baulast, die nicht im Grundbuch eingetragen wurde? Wurde hier etwa ein bedeutsames Baudenkmal „scheibchenweise“ privatisiert? Wer ist Antragsgegner bei der Frage nach der denkmalrechtlichen Beurteilung des geplanten Eingriffs?
Baurechtliche Folgewirkungen
Baurechtlich gesehen bedeutet die geplante Erschließung einen Eingriff in das Baudenkmal – und dies unterliegt somit auch einem denkmalrechtlichen Genehmigungsvorbehalt. Dieser Genehmigungsvorbehalt kann nur geklärt werden, wenn auch die Eigentumsfrage abschließend geklärt ist.
Für die Planungsabsichten zur Nordbebauung hat dies auch planungsrechtliche Konsequenzen. Die Erschließung des Geländes ist nicht mehr mit einem vereinfachten Vorhaben- und Erschließungsplan zu haben.
Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach dem vereinfachten Verfahren nach §13 BauGB dürfte damit vom Tisch sein.
Carsten Spallek (CDU), Baustadtrat in Berlin-Mitte wird sich noch auf viel Arbeit einrichten müssen. Ebenso müssen noch die „Schlafmützen“ unter den Bezirksverordneten in Berlin-Mitte aufgeweckt werden, damit sie sich auf die baulichen Details und noch anstehende Normenkontrollfragen vorbereiten können! m/s
Artikelvorschau August 2013:
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