Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU AG, ausgezeichnet mit dem „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2010“ und als „Deutschlands Beste“ ist inzwischen das wohl meistprämierte Wohnungsbauunternehmen Berlins. Seit zwei Jahren kämpft das Unternehmen mit einem wachsenden Mieterprotest, der sich insbesondere an der Frontlinie „Energetische Sanierung-Energiewende“ und „Mieter-Verdrängung“ entwickelt hat.
Begonnen hatte es im Januar 2013, als eine ganze Reihe von Modernisierungsvorhaben zur „Energetischen Sanierung“ von Altbauten aus der Gründerzeit und neueren Bestandsbauten aufgelegt wurde. Schon vorher wurde im September 2012 das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ zwischen Senat und landeseigenen Wohnungsgesellschaften geschlossen, das 2014 auch unter dem Eindruck der Pankower Mieterproteste fortgeschrieben wurde.
Bei den GESOBAU-Mietern des Wohnblocks Hallandstraße 27 – Trelleborger Strasse 39-43 in 13189 Pankow fing der Protest im Frühjahr 2013 an, und in der Reihenfolge der Sanierungsankündigungen entwickelte sich der „Pankower Mieterprotest„.
Doch schon über Jahre hatte die GESOBAU AG Geringverdiener und sozial schwache Mieter aus Pankow verdrängt. In der Statistik führte die GESOBAU AG sogar zeitweise in den absoluten Zahlen im Vergleich landeseigener Wohnungsbaugesellschaften.
Die GESOBAU AG hat nicht nur wegen angekündigter Mietsteigerungen, sondern aufgrund einer Vielzahl strittiger Themen die Mieterproteste bestärkt, sodass sich in Pankow auch Berlins nachhaltigster und hartnäckigster Mieterprotest entwickelt hat: Das Bündnis Pankower Mieterprotest macht als „Deutschlands Feste“ längst nicht nur in Geschäftsetagen, sondern auch vor Gericht und in Fachkreisen Druck. Zudem wurden einige politische Erfolge erzielt, die die „Energiewende“ im Altbau mit einer „Mieterwende“ konfrontieren.
Brutalsanierer in Prenzlauer Berg als Impulsgeber des Mieterwiderstands
In Prenzlauer Berg sorgten sogenannte „Investoren“ für mehrere extreme strittige Sanierungsprojekte, aus denen heute ebenso wichtige Impulse für die Mieterwiederstand hervorgingen. Einige Häuser sind Marksteine, die zu einem neuen wohnungspolitischen Eingreifen auf kommunaler Ebene geführt haben. Die rechtswirksame Ausweisung von Millieuschutzgebieten mit rund 65.000 Wohnungen in Prenzlauer Berg hat eine latente Wirkung, die sich aber erst langsam entfalten kann. Das neue Zweckentfremdungsgesetz ist ein weiterer wichtiger Schritt.
Doch kommunale Maßnahmen können nicht allein bundespolitische Weichenstellungen konterkarieren, wie etwa die durch ENEV und Mietrechtsänderungsgesetze der schwarz-gelben Koalition geschaffene Bresche im Mietrecht, die Mieterverdrängung und forsche Investoren antreibt. Da bei CDU, SPD und Bündnis 90/Grünen auf Bundesebene das wohnungspolitische Koordinatensystem noch im Argen liegt, verlagert sich der Kampf vor Ort, auf Gerichte und in Fachkreise. Erfolgreich, wie wir noch sehen werden.
Sascha Klupp & Christian Gérôme treiben die Mieterwende an
Das Haus Gleimstraße 52 ist heute besonders bedeutsam, weil sich hier nicht nur ein hartnäckiger Mieter über Jahre erfolgreich gegen halbseidene bis „halbkriminelle“ Praktiken eines Investor zur Wehr gesetzt hat. Oleg Myrczak hat auch trotz eines unaufgeklärten Brandanschlags nicht aufgegeben. Er hat als Theaterregisseur etwas zustande gebracht, das den Mieterprotest in Prenzlauer Berg und Pankow nun auch mit Fachleuten auf Fachebenen führt, und „herrschende Dogmen und Fachmeinungen“ zur Wärmedämm-Ideologie mit technisch-wirtschaftlichen Sachargumenten in Frage stellt. Die beiden Figuren „Sascha Klupp und Christian Gérôme“ haben damit auf ganz unfreiwillige Weise die Mieterwende angetrieben. Myrczak verleiht der Sisyphosarbeit des Pankower Mieterprotest nun noch mehr Gewicht.
Myrczak organisierte das Mieterforum Pankow zusammen mit vielen anderen Mieterinitativen, und hat mit dem zweiten Mieterforum – Pankow zum Thema energetischen Gebäudesanierung am 15. April 2015 einen wichtigen Markstein gesetzt.
Knapp 200 Zuhörer in der WABE hörten gespannt Vorträgen betroffener Mieter, erfahrener Architekten, einer Mietrechtsanwältin sowie einem Klimaschutzexperten aus Hamburg zu. In einer außergewöhnlich ruhigen Atmosphäre einer Fachtagung kamen von Tilo Trinks (Pankower Mieterprotest), Barbara von Boroviczeny (Mieterinitiative Onkel-Tom-Siedlung, Zehlendorf), Sven Fischer (Mietergemeinschaft, Kopenhagner Str. 46, Prenzlauer Berg), Carola Handwerg (Mieteranwältin, Berlin), Peter Weber (Selbstbau e.G.) Bernhard Hummel (Architekt, Mietshäuser Syndikat) Andrej Holm (Soziologe, Berlin) zu Wort. Die Moderation hatte Matthias Coers, Filmregisseur des aktuellen Films „Mietrebellen“.
Die Pankower Kommunalpolitik blieb außen vor, abgesehen vom Bezirksverordneten Dr. Michail Nelken (DIE LINKE), der sich als ehemaliger Baustadtrat und Mitglied im Bürgerverein Gleimviertel e.V. aktiv engagiert.
116 Jahre Amortisationszeit für eine Wärmedämmung
Ein berührender Moment war es, als Tilo Trinks, einer der Mieter vom Pankower Mieterprotest in seiner ganz privaten Kalkulation die Energieeinsparung laut GESOBAU-Sanierungsankündigung mit seinen eigenen realen Verbrauchswerten verglich, und aufrechnete, wie eine Amortisation der Wärmedämmung erst nach ca. 116 Jahren eintritt. Die Bauteillebensdauer einer Dämmfassade wird heute aber auf nur 25-30 Jahre geschätzt. Zugleich trägt die Wärmedämmung zu rund 37% an den Kosten einer sogenannten „Energetischen Sanierung“ bei. Damit wurde wohl das wichtigste Fragezeichen des Abends gesetzt.
Weiterer wichtiger Markstein der Tagung war die Diskussion um ein neues Gerichtsurteil des Amtsgerichts Pankow vom 28.3.2015, das die Frage der Zumutbarkeit in ein völlig neues Licht rückt. Der Tenor: Maßnahmen mit einer Amortisationszeit von 20 Jahren sind nicht als zumutbar zu betrachten. Hier wird das zweite wichtige Fragezeichen zur energetischen Sanierung im Altbau gesetzt.
Die GESOBAU AG will nun vor das Berliner Landgericht ziehen, doch die Chancen stehen schlecht.
Das Urteil läuft darauf hinaus, Mieter und Eigentümer von Eigentumsanlagen in ein vergleichbares Recht zu setzen. Eigentümer in Wohnungseigentumsanlagen haben längst eine 10 jährige Amortisationszeit als Maßstab für Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit durch Urteile des Bundesgerichtshof erstritten.
Ein Architekt zeigte eindrucksvoll auf, wie sich traditionelle Holzkastenfenster modernisieren lassen, und mit einer dritten aufgeklebten Scheibe sogar an heutige ENEV-Anforderungen anpassen lassen. Ein Zeichen, die in Berlin noch rund 1,5 Millionen stadtbildprägenden Holzfenster als Bestandteil der Baukultur zu erhalten.
Sven Fischer, hartnäckiger Kämpfer gegen die Brutalsanierung in der Kopenhagener Straße 46 kam zu Wort und machte auch Mut, sich gegen Umwandlungsspekulanten zur Wehr zu setzen. Fischer hat es mit einem besonders rücksichtslosen Unternehmen zu tun, der Christmann-Gruppe, die nicht davor zurückschreckte, eine ganze Mietergemeinschaft über 7 Monate hinter Baufolien-Einhausung zu „vergrämen“.
Rainer Scheppelmann, wies als ehemaliger Leiter der Klimaschutzkoordination Hamburg und Koordinator der Programme EUCO2 80/50, METREX insbesondere nach, dass Wärmedämmungen an massiven Altbauten wirtschaftlich und bauphysikalisch völlig unsinnig sind.
Vorträge und Einzelaspekte des 2. Pankower Mieterforums sollen noch auf der Internetseite verlinkt und dokumentiert werden. Als Fazit wird schon erkennbar: Werden die vielen inzwischen bekannten Bausteine und Erkenntnisse zusammengesetzt, so lässt sich eine „Pankower Mieterwende“ im Altbau beschreiben, die in wichtigen fachlichen und wirtschaftlichen Teilaspekten von Experten unterstützt wird.
Der Tektonik des Pankower Mieter-Konflikts wird nun in einer Artikel-Reihe nachgespürt. Wohnungs- und sozialpolitische Fehlentwicklungen werden dabei auch aus einer übergeordneten volkswirtschaftlichen Perspektive mit betrachtet. Gleichzeitig werden sozialpolitisch bedenkliche Folgen der bisherigen Wohnungspolitik deutlich gemacht.
GESOBAU Sanierungsprogramm ruft nachhaltigen Streit hervor
Das 2012 neu aufgelegte Sanierungsprogramm der GESOBAU sollte in einem Geleitzug eine ganze Reihe von Mietshäusern „energetisch sanieren“ und instand setzen. Es waren praktisch allesamt lange vernachlässigte Häuser, in denen Mieten unter 4 Euro und leicht darüber gezahlt wurden. Sanierungsankündigungen wurden zur „geplanten Bedrohung“ aller Lebenspläne der Mieter. Neue Mieten von acht und neun Euro, lebenslange Zahlungen von „Sanierungsumlagen“ schufen ganz existenzielle Fragen. Die Politik verdrängt diese Fragen, und redet inzwischen nicht mehr von „sozialen Mieten“, sondern „bezahlbaren Mieten“. Das verfasssungrechtlich begründete Recht auf Wohnen wird mit wirtschaftlichen Geldauflagen in Frage gestellt. Der Wohnraum wird plötzlich in einen „transitorischen Raum“ verwandelt, der aus bodenständiger Lebensplanung „ökonomische Fluchtpläne“ werden lässt.
Zugleich wurde der Gerechtigkeitssinn geweckt, denn bei den geplanten Miethöhen werden auch Normalverdiener zu „neuen Mündeln des Staates“, die fortan auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
In den betroffenen Häuser wohnen und wohnte der gute Durchschnitt der Pankower Bevölkerung, oft auch akademisch gebildet, gut vernetzt, teilweise auch Gutverdiener, aber auch der typische Prozentsatz der Normal- und Geringverdiener, obendrein mit einer „intergenerativen Altersmischung“.
Vor allem sind es Menschen, die denken und rechnen können, und auf intelligente Weise reagieren, wenn man sie aus erlebter Unabhängigkeit in absehbare und unerträgliche wirtschaftliche Abhängigkeit überleiten möchte. Richtige Wut entstand auch, weil man sich mit Politikern konfrontiert sieht, die anstelle sozialer Mieten plötzlich nur noch von „bezahlbaren Mieten“ sprechen, und offensichtlich selbst nicht einmal in der Lage sind, Miethöhe und Nettonormalverdienste ausrechnen zu können.
Pankower Mieterprotest als Reaktion auf Politik und Sanierungspraxis
Vor allem aber reagieren die Pankower Mieter auf unwahrhaftige und arrogante Kommunikation. Nicht mit Hausbesetzung, Demos, oder öffentlichen Umzügen, sondern gutbürgerlich, mit Akribie, Rechenstift, Rechtsanwalt – und Intervention bei der Kommunalpolitik.
Die Mieterinnen und Mieter aus 15 Mietsobjekten in der Pestalozzistraße, Trelleborger Straße / Hallandstraße, Florapromenade, Wolfshagener Straße / Kavalierstraße, Vinetastraße/Westerlandstraße, Gounodstraße, Waldstraße, Skladanowskystraße/Treskowstraße,
Amalienstraße, Schlossallee/Elisabeth-Christinen-Straße, Eichenstraße, Gaillardstraße, Hallandstraße 63, Tschaikowskistraße / Grabbeallee und der Kavalierstraße sind im Bündnis Pankower Mieterprotest einige wohnungspolitische Erfolge gelungen, zu denen noch in Teil #2 und #3 zu berichten sein wird.
Komplexe Konfliktlinien – keine leichte journalistische Aufgabe
Die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Energetische Sanierung“ und „Mietenpolitik“ und die sachgerechte Behandlung ist erschwert, weil sich mehrere Ebenen von Wohnungspolitik, Geschäftspolitik der GESOBAU AG, miet- und sanierungsrechtliche Fragen – auch Fragen des Umgangs in der Kommunikation mit Mietern miteinander verzahnen.
Zusätzlich spielen wirtschaftliche und technische Fragen der Bausanierung eine bedeutsame Rolle, weil sie Kosten ad Infinitum treiben. Überdies können erwartete Einspareffekte nicht sicher bilanziert werden – oder werden falsch kalkuliert. Bauphysik und Wärmedämmung werfen im Altbaubestand zudem technische „Systemfragen“ auf, die alle Heilserwartungen an CO2-Minderung und Energieeinsparung in Frage stellen, und die gesamte Wohnungspolitik im Altbaubestand in Frage stellen.
Die Unternehmenspolitik der GESOBAU AG trieb den Protest unfreiwillig mit an, und man kann den geballten Mieterprotest in gleich fünfzehn Hausgemeinschaften nur verstehen, wenn man sich näher mit den unterschiedlichen Kommunikationsebenen von Vermieter GESOBAU und den Mietern befasst.
Kommunikative Fallhöhe zwischen GESOBAU und Mietern
Wohnungspolitisch übt die GESOBAU eine Leitfunktion als landeseigene Wohnungsbaugesellschaft aus. Zugleich ist sie von den finanzpolitischen Vorgaben des noch immer hoch verschuldeten Landes Berlin abhängig. Die erheblichen Verbindlichkeiten in der Bilanz der GESOBAU AG ( 1.037.293 Mrd. € 2014) und die noch von Finanzsenator Nußbaum angestrebte Zusammenlegung landeseigener Wohnungsgesellschaften haben mit Sicherheit auch Auswirkung auf unternehmerischen Ehrgeiz und das wirtschaftliche Handeln von Geschäftsführung und Vorstand der GESOBAU.
Nicht zu Letzt: wirtschaftliche Dogmen und Kreditbedingungen von KfW-Krediten und ENEV-Regeln sorgen für eine wirtschaftliche Eigendynamik, die das Geschäftsinteresse des Vermieters und die wirtschaftliche Existenz des Mieters in einen schwer auflösbaren Gegensatz bringen.
Seit 2013 wird auch eine „Neubauoffensive“ seitens des Senats von der GESOBAU AG gefordert, die auch schon wirksam in ersten Projekten umgesetzt wird. Die Verschuldung der GESOBAU AG ist dabei binnen Jahresfrist von rund 912 Mio. € auf über 1,037 Mrd. € gestiegen. Die Neuverschuldung wirkt natürlich preistreibend, und bei neuen Projekten wie den „Pankower Gärten“ sind nun plötzlich monatliche 6,90 € /Quadratmeter Wohnfläche die neue „soziale Miete“, die „bezahlbare Miete“ genannt wird. Nur für Wen?
25 Jahre nach Abschaffung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes entstehen besondere Besorgnisse, ob noch alles am Berliner Wohnungsmarkt richtig bis zu Ende gedacht wird. Es ist nicht auszuschließen, dass die kommunale Wohnungspolitik künftig Mieter und Stadt bis zum Jahr 2030 gegen die Wand fährt. Nicht nur die Neuverschuldung macht Sorgen, sondern die „verdeckte Verschuldung“ des Staates durch wirtschaftliche Überforderung eines Großteils aller Mieter.
Die kritische Perspektive auf einen „verlöteten“ Problemkomplex
Die journalistische Aufgabe lautet daher, den Bruchlinien und Rissen im miteinander „verlöteten“ Problemkomplex von „energetischer Sanierung“, ausgelösten „wirtschaftlichen und existenziellen Folgen für Mieter“ auf die Spur zu kommen, die unter dem fachlichen, politischen und kommunikativen Lötzinn laufender konfliktreichen Debatten verborgen sind.
Der journalistische Standpunkt wird dabei unabhängig von bekannten sozialdemokratischen, christdemokratischen, grünen und linken Argumentationslinien gesucht. Die Prognos AG rechnet bereits vor, dass die Abgabenquoten bis 2050 auf 47,8% steigen können, wenn nicht umgesteuert wird. Und in der Wohnungspolitik gibt es derzeit überhaupt keine verläßlichen Zukunftsszenarien, die Wohnungspolitik fährt auf Sicht – womöglich in eine Nebelbank hinein.
Volkswirtschaftlich haben wir es in der Wohnungpolitik mit einem Geschäft des „alten und vorhandenen Kapitals“ mit den „Chancen und Möglichkeiten“ der nachfolgenden Generation zu tun. Es ist auch ein „unausweichliches“ ökonomisches Geschäft mit dem Schicksal der Armen, Geringverdiener und Alten. Ein „Geschäft“ – das aus dem sozialstaatlich und mietrechtlich gesicherten Refugium Wohnung letztlich ein unheilvolles „Kampffeld“ und einen „transitorischen Raum“ macht. Es ist ein unheilvolles Geschäft, weil es die Betroffenen zwingt, aus Lebensplänen „ökonomische Fluchtpläne“ zu machen. – Das kann nicht gut gehen!
In der Beitragsreihe „Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin“ wurde bereits eine neue mögliche Position beschrieben. Eine modernere, intelligentere, sozialere und von Wahlfreiheiten geprägte Wohnungspolitik in Berlin ist längst vorstellbar. Auch eine andere Balance zwischen sozialer Vernunft, Wirtschaftlichkeit und Nachhhaltigkeitszielen muß angestrebt werden.
Mieter in einer Stadt der Arbeit tragen die Wertschöpfung der Stadt – auch wenn in Vorstandsetagen und Hinterzimmern bisweilen ein anderer Eindruck aufkommt. Mieter müssen deshalb auch genug Geld in der Kasse haben, um neben Arbeiten und Wohnen auch mehr als nur Essen und gerade überleben zu können!
Mieter in Konfrontation mit „Corporate Communications“
Die journalistische Aufarbeitung ist nur möglich, wenn man versteht, wie besonders die GESOBAU AG „tickt“. Die landeseigene Wohnungsgesellschaft verfügt über eine von Kommunikations-Desigern und Leadership-Experten entwickeltes hervorragendes Kommunikationsdesign, geplante „Corporate Communications“ und eine professionelle Außendarstellung. Kein Leadership-Experte hat bisher auf dem Schirm, dass eine perfekte „Kommunikations-Sphäre“ völlig kontraproduktive Wirkungen entfalten kann, wenn sie auf die nicht perfekte Realität von baulichen und sozialen Veränderungsprozessen stößt.
Immer dann wenn im Einzelfall gravierende Mängel und Beschwerden von Betroffenen geäußert wurden, war man zunächst geneigt, dies journalistisch als extremen Einzelfall zu werten. Doch in der Vielzahl der Betroffenen und Fälle kristallisierte sich immer mehr ein Muster heraus, das ernste Kritik und Zweifel an der Stimmigkeit und Wahrhaftigkeit der Unternehmenskommunikation auf konkreter Sachebene und Ebene der „Mieterkommunikation“ weckte.
Wenn etwa eine „Energiebedarfsbemessung“ einen gravierenden Fehler aufwies, weil der Energieberater die Verbrauchswerte einer längst still gelegten Braunkohleheizung als Meßlatte heranzog, konnte natürlich auch der große „Nachhaltigkeitsbericht“ des Unternehmens nicht stimmig sein.
Wenn Mietern gegenüber ein willkürlicher Tonfall in Schreiben, Ankündigungsschreiben und Aufforderungen gewählt wird, kann das in wenigen Fällen ein ungehaltener Sachbearbeiter sein – aber wenn es in Folge und Reihe auftritt, gerät die Stimmigkeit der Unternehmenspolitik in den Blick.
Der Blick in das „Kommunikations-Getriebe“ der GESOBAU AG erhellt, wie sehr hier eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft selbst zur Brisanz der Mieterproteste beiträgt. Der Blick erhellt auch, wie sie sich durch eine falsche Strategie auch selbst beschädigt und unglaubwürdig machen muss.
Welches Bild hat die GESOBAU AG von ihren Kunden und Mietern?
Blickt man in die „Corporate Communication“ so fällt auf, wie die Perspektive zum „Kunden“ durch eine ökonomische „possessive Haltung“ geprägt ist:
„Wir schaffen Werte – Unser Ziel ist es, Werte zu schaffen – materielle Werte für die finanzielle Solidität der GESOBAU und ideelle Werte für die Menschen in unseren Vierteln. Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen stehen intakte, ansprechende und sichere Wohnungen. Unsere Mieter wohnen gerne bei uns. Wir bieten eine gepflegte Umgebung, verlässlichen, qualitativ hochrangigen Service und gute Wohnatmosphäre.“
Materielle und finanzielle Werte rangieren weit vor dem Mieter. Das „Possessivpronom“ ist hoch verdächtig: „Unsere Mieter wohnen gerne bei uns.“ Ist das eine moderne kundenfreundliche Haltung? Oder haben wir es hier mit einer neoliberalen Ideologie zu tun, die Mieter zu „Sujets“ macht, ein Wort das Foucault geprägt hat, und sowohl „Untertan“, „Subjekt“ und „Versuchsperson“ meinen kann.
Die Formulierung „Unsere Mieter“ offenbart ein besonderes, womöglich sogar elitäres sozialpolitisches Selbstverständnis, das vermutlich längst von schwer erschütterlicher Selbstgewißheit geprägt ist. Es ist ein paternalistisches Konzept, das auf „Sozialmanagement“ setzt – praktisch und real aber auf selbstrefenzielle Eigenkontrolle und Kommunikationshoheit aufbaut.
Es entsteht eine brisante Situation, wenn so ein professionalisiertes Kommunikationskonzept in Lebensverhältnisse von intelligenten Mietern dirigistisch eingreift – und wirtschaftliche Enfaltungsfreiheit bis zur Aufgabe der individuellen Unabhängigkeit beschneidet. Vor allem wenn Bürger in Gefahr geraten, zu dauerhaften Mündeln des Staates zu werden, nur weil sie „wohnen“ wollen, wird die Lage explosiv.
Ganz anders die Tonalität bei einer der größten Berliner Wohnungsbaugenossenchaften: „Bei uns wohnen Sie gut, sicher und flexibel … . Bei uns steht der Gedanke des Für- und Miteinanders im Vordergrund. … . Bei uns können Sie mehr als nur wohnen. So bieten wir Gästewohnungen und Gemeinschaftsräume, Conciergeservice, Kinderbetreuung und besondere Wohnformen für Jung und Alt. Und in unserer eigenen Spareinrichtung können Sie zu günstigen Konditionen sparen. Auch bei sozialen Fragen stehen wir Ihnen beratend zur Seite.“ (www.1892.de). Hier wird eine Dienstleisterposition eingenommen, und zugleich ein soziale Haltung signalisiert.
Die GESOBAU AG aber geht mit ihrem Anpruch weiter, und formuliert einen Anspruch einer „sozial intervenierenden Wohnungsverwaltung“.
In der Unternehmensbeschreibung heißt es: „Sozial engagiert: Wir gestalten Gesellschaft mit. Die GESOBAU als Ihre Berliner Wohnungsbaugesellschaft gestaltet den sozialen und gesellschaftlichen Wandel mit, der sich in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat.“
Zwar hat die GESOBAU AG Mieterbeiräte in den Wohnanlagen und Wohnkomplexen, aber diese haben eher den Charakter von „Obleuten“ für die kleinen Dinge des Alltags.
Ein aufschlußreiches Interview im Geschäftsbericht
Dr.Horst Föhr, Vorsitzender des Aufsichtsrates der GESOBAU AG gibt denn auch ein aufschlußreiches Interview im aktuellen Geschäftsbericht. Dies wird als „Gespräch unter Kollegen“ inszeniert. Schon bei der Einleitungsfrage muß gerätselt werden, ob sie vom Kollegen Jörg Franzen, Vorsitzender des Vorstands, oder von Christian Wilkens, Vorstand Finanzen und Controlling als dritten Interviewbeteiligten an Föhr gestellt wurde.
Föhr: „In dieser Zeit hat sich die GESOBAU zu einem Unternehmen gewandelt, das sich die Zukunftssicherung der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Dabei ist es uns stets gelungen, die Balance zwischen sozialer Verantwortung und Profitabilität zu halten. Wir haben beides immer gleichermaßen im Blick behalten. Deshalb nimmt die GESOBAU mit ihren strukturellen, operativen und finanziellen Maßnahmen eine Spitzenposition unter den großen Wohnungsunternehmen in Deutschland ein. Einen Indikator für unseren Unternehmenserfolg bietet unser Unternehmenswert (brutto). Diesen haben wir in den vergangenen zwölf Jahren von ca. 1,8 auf ca. 2,2 Milliarden Euro steigern können. Und das obwohl im Jahr 2009 rund 3.100 Wohnungen veräußert wurden. Dieser wirtschaftliche Erfolg bildet die Basis für alle zukünftigen Aufgaben und versetzt uns in die Lage, weiter Investitionen in unseren Bestand zu tätigen sowie unserer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Aus meiner Sicht sind der Mut zur Modernisierung und die Verankerung des Neubaus in unserer Unternehmensstrategie wichtige Schlüsselfaktoren für unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
Die einleitenden Worte klingen eher wie die Berichterstattung eines Hedge-Fond-Managers, die Mieter kommen praktisch in der Ansprache nicht vor. Leser können in den Worten die vollständige Ökonomisierung der „Managementperspektive“ einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft erblicken.
Intensiver Dialog mit Bewohnern im Ostteil der Stadt
Jörg Franzen äußert sich im Interview im aktuellen Geschäftsbericht auch zur Situation in Pankow. Der distanzierte Ton ist sicher eher für die Zielgruppe der Aktionäre bestimmt:
„Im Ostteil der Stadt haben wir seit 2007 fast 4.900 Wohnungen modernisiert, wobei ein intensiver Dialog mit den Bewohnern stattfindet. Überall sind wir nah dran – ob beim Kundenservice, bei sozialen oder kulturellen Projekten oder durch die enge Zusammenarbeit mit den Institutionen in den Bezirken.“
Eine Fußnote ist es nur, aber das Wort vom „Ostteil der Stadt“ kommt in Pankow überhaupt nicht gut an.
Für die Mieterinnen und Mietervertreter im Bündnis Pankower Mieterprotest klingen diese „sparsamen Worte“ jedoch s wie Hohn, weil es überaus langwierige Versammlungen, Verhandlungen in BVV-Ausschüssen und Verhandlungen zwischen Mietern, Vertretern der GESOBAU AG und Vertretern der Senatverwaltung für Stadtentwicklung gab, bis einige kompromißfähige Schritte erarbeitet waren. Auch Bezirksverordnete und Stadträte in Pankow, die in vielen, vielen Sitzungen und ehrenamtlich verbrachten Verhandlungsrunden zu den durch die GESOBAU AG gesetzten Themen aktiv waren, müssen sich über die Aussagen auch ein wenig wundern.
Auch der hohe Einsatz der GESOBAU-Geschäftsführung bei Verhandlungen bleibt unerwähnt – ein perfekter Anschein soll offensichtlich gewahrt werden.
Wohnungspolitische Meilensteine in GESOBAU Häusern – mit fragwürdigen Folgen
Die Vereinbarung für ein „Pilotprojekt“ mit dem Mietshaus Pestalozzistraße 44 war zunächst der erste Einstieg in eine geplante kooperative Phase. Doch das Pilothaus war schnell in den Mühen der Ebene angelangt. Über die Ergebnisse der noch immer nicht abgeschlossenen energetischen Sanierung, über Baufehler und Mängel und verdrängte Mieter der Pestalozzistraße 44 wird noch zu berichten sein. Hier wird insbesondere das Urteil über die wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Wärmedämmung zu kommentieren sein.
Der größte Schritt war die Ausweitung der Regelungen des Mietenbündnisses und die „Öffentlich-rechtliche Vereinbarung zum sozialverträglichen Ablauf geplanter Modernisierungen in Berlin Pankow vom 11. Februar 2014“, die von GESOBAU AG, Bezirksamt Pankow und Mietervertretern abgeschlossen wurde.
Wichtigster Punkt war die Einführung einer Kappungsgrenze von 30% des Nettoeinkommens bei betroffenen einkommensschwachen Mietern, die inzwischen im Berliner Mietenbündnis für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften übernommen wurde.
Die Einschaltung einer neutralen Mieterberatung für die Vorbereitung der geplanten Sanierungsmaßnahmen war wohl ein großer Schritt für die bislang autonom handelnde GESOBAU AG, die ihre Sanieurungsprojekte bis dahin weitgehend selbst gemanagt hatte.
Doch die Einschaltung der Mieterberatung Prenzlauer Berg verhindert nicht, dass auf verbleibende Mieter nach abgeschlossenen Duldungsverträgen vielfach schwer tragbare ökonomische Folgen zukommen. Spätere Mieterhöhungen sind nur aufgeschoben – es gibt nur einen verlängerten Zeitkorridor, der mit dem „Euphemismus“ Mietpreisbremse umschrieben ist.
Der GESOBAU O-Ton löst mit seiner Wortakrobatik Wut aus, soll doch ein Passus mit einem neuen Mietvertrag akzeptiert werden, der jegliche bisherige Lebensplanung in Frage stellt:
„Als Mieter profitieren Sie von gedämpften Mietpreissteigerungen der städtischen Wohnungsunternehmen: Maximal 15 Prozent in vier Jahren statt der 20 Prozent in drei Jahren, die bisher möglich waren – aber von der GESOBAU nicht immer voll ausgeschöpft wurden.“
Insbesondere ältere Berufstätige MieterInnen haben mit Verzweiflung auf die Sanierungsankündigungen geschaut, weil sie sich schon ausrechnen konnten, wie bis zum Renteneintritt ihre Einkommensspielräume schrumpfen, um dann nach Renteneintritt einen Auszug planen zu können. Psychologisch verheerend wirkt dabei die Tatsache, dass auch Menschen mit Mindestlohn-Einkommen nicht davor gefeit sind, in dauerhafte staatliche Abhängigkeit zu geraten.
Gravierende Fehleinschätzungen in der Wohnungsbaupolitik?
Die gesenkte Modernisierungskosten-Umlage von 9, statt 11 Prozent – jedoch bei ewiger Zahlung – ist ein Verschiebegeschäft, ein ungesicherter Wechsel auf die Zukunft. Absehbar sinkende Alterseinkommen, sinkende private Rentenzinsen und vor allem die steigende Belastung der jungen Generation und steigende Mieten gehen volkswirtschaftlich gar nicht mehr auf Dauer zusammen.
Bei den GESOBAU-Mietern zeichnen sich die Grundlinien wohnungspolitischer Konflikte längst wie in einem Brennglas ab. Im einstigen „sozialen Wohnungsbau“ droht auch noch die „Umkehr der Zwecke“. Mieter sollen für geplante Modernisierungen ad Infinitum „Zins-Gewinne“ und „Schuldzinsen“ abzahlen. Die landeseigene Wohnungsgesellschaft sorgt nicht mehr für die wirtschaftliche Bereitstellung von Wohnraum – sondern Mieter verpflichten sich, dauerhaft Zinsen und Schuldzinsen zu zahlen, um „wohnen zu dürfen“.
Das „neoliberale Paradigma“ gelangt in der Wohnungsbaupolitik an ein paradoxes Ende! Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist nur noch um den Preis „ökonomischer Versehrtheit“ zu haben! Die letzte Stufe der Aufhebung des Sozialstaates ist erreicht!
Themenvorschau:
Pankower Mieterwende – von Experten unterstützt #2:
– Baubedarfs-Physik und Dämmwahn
– Berliner Altbau – ein besonderes energiesparendes „Mensch-Gebäude-System“
– ENEV – zwischen Energiespar-Fiktion und Komfortausweitung