Franz Hessel verfügte über das, was man heute wohl ein interessantes Netzwerk nennen würde. Er war, unter anderem, Freund Walter Benjamins, Vater Stéphane Hessels und Rollenmodell für François Truffauts Film Jules et Jim. 1927 veröffentlichte er den kleinen Berlin-Roman „Heimliches Berlin“.
„Heimliches Berlin“der 20er Jahre
Diesen kleinen Berlin-Roman greift die neue Theaterpremiere nach Franz Hessel und Daniel Schrader im Ballhaus Ost auf.
Der Romanstoff ist schnell erzählt, er begleitet eine Gruppe junger Menschen eine Nacht und einen Tag lang durch Kneipen, Bars, Theater, Salons und Wohnungen im Berlin der 1920er Jahre.
Die Figuren Hessels und ihre Sehnsüchte nach Liebe, Anerkennung, Erfolg und der weiten Welt zeichnen sich durch ein seltsam unverbindliches Verhältnis zur Realität aus. Ein Verhältnis, das überhaupt charakteristisch für die vielfach heraufbeschworene Atmosphäre und das Lebensgefühl dieser Zeit scheint.
Autor und Regisseur Daniel Schrader beweist mit der Auswahl dieses Stücks ein bemerkenswertes Geschick, der Metropole Berlin und ihren Menschen aktuell den Spiegel vorzuhalten.
„Aus heutiger Sicht regt sich der Verdacht, dieser verschobene Realitätsbezug könnte sich an irgendeiner Stelle in die DNA der Stadt eingeschrieben haben und fortwirken. Daniel Schraders Inszenierung erweitert deshalb die Geschichte von Heimliches Berlin und erzählt sie über ein ganzes Jahrhundert hinweg. Sie verringert die Distanz zum nostalgisch verklärten und oftmals mit Kitsch und Klischees überladenen Bild Berlins in den 20ern und führt zugleich eben diese Verklärung als typische Berliner (Über-)Lebensstrategie vor.
So finden sich Wesensverwandte von Wendelin, Karola, Margot und Clemens an zahlreichen Berliner Orten und zu allen Zeiten. Ihr Anklammern an der Gegenwart, als einem kleinen, doch wertvollen Rest von Vergangenheit, spiegelt sich im Wesen der Stadt und konstituiert deren Aura als Hauptstadt des XX. Jahrhunderts.“
Mitwirkende:
Gina Henkel, Toni Jessen, Andreas Klopp, Tina Pfurr,
Conrad Rodenberg, Wieland Schönfelder, Ina Tempel
Regie: Daniel Schrader
Bühne: Wieland Schönfelder
Kostüme: Nina Kroschinske
Musik: Conrad Rodenberg
Dramaturgische Mitarbeit: Nocola Ahr
Licht: Voker M. Schmidt
Über das Ballhaus Ost:
Das Ballhaus Ost besteht seit 2006 als Spielstätte für freies Theater, Performance und Tanz. Unter der Leitung von Tina Pfurr und Daniel Schrader versteht sich das Haus in der Pappelallee 15 im Prenzlauer Berg als Kooperationshaus für Gruppen und Künstler aus sämtlichen Sparten der darstellenden Kunst. Es beheimatet bereits etablierte Gruppen und Künstler der freien Szene.
Die Puppenspielformation „Das Helmi“, der Tanzchoreograph Christoph Winkler und Theaterregisseur Christian Weise haben hier ihren Spielort gewählt. Das Ballhaus Ost verfolgt einen spartenübergreifenden, inhaltlich vielfältigen und auf einen quantitativ wie qualitativ hohen künstlerischen Output orientierten Ansatz, der auf langfristig angelegte Kooperationen mit verschiedenen Einzelkünstlern und Gruppen fokussiert ist. Es ist Begegnungsstätte für experimentierfreudige und -mutige Theatermacher und ein neugieriges Publikum – ein dynamischer Ort der passionierten Bearbeitung heutiger Lebenswirklichkeiten.
Das Ballhaus Ost startet in dieser Herbstsaison mit einer neuen Website. Nach der Premiere gibt es ab 22:00 Uhr eine „Spielzeiteröffnungsparty„.
Zur Saisoneröffnung wird FUGE von Sonya Schönberger gezeigt, eine Fassadeninstallation, die alte Einschußlöcher in der Fassade mit Goldstaub auffüllt und sichtbar macht.
Theaterpremiere: Heimliches Berlin
nach Franz Hessel und Daniel Schrader
Premiere: Donnerstag, 28. August 2014 – 20 Uhr
Weitere Vorstellungen:
Samstag, 30. August 2014, 20 Uhr
Donnerstag, 4. und Freitag, 5. September 2014, 20 Uhr
Eintritt: 15 €, ermäßigt 10 €
Ballhaus Ost | Pappelallee 15 | 10437 Berlin-Prenzlauer Berg | www.ballhausost.de