Die 27. Pankower Bezirksverordnetenversammlung am 26.11.2014 war das Ziel eines imposanten Trecker-Konvois aus Blankenfelde. Im Protest gegen die geplante Bebauung der Elisabethaue hatten sich Bauern, Anwohner und Bewohner des Stadtgutes Blankenfelde auf den Weg durch den dichten Berufsverkehr gemacht.
Im frühen Dunkel des Nachmittages war es gar nicht einfach, auf das Bezirksamtsgelände vor das Haus 7 zu gelangen, um die Trecker und Transparente vor dem Bezirksverordnetensaal aufzustellen. Immerhin: es gelang, und das Tuckern und Rattern der Fahrzeuge sorgte für eine eindrucksvolle Kulisse. Der Saal der Bezirksverordnetenversammlung war hell erleuchtet. Der von Treckern angeführte Fahrzeugkonvoi, ein Transporter einer Imkerei und eine ganze Reihe privater PKW´s wurden ordentlich auf dem Hof des Bezirksamtsgeländes aufgestellt. Die Demonstration war auch ordentlich angemeldet und wurde von der Polizei begleitet und durch den dichten Berufsverkehr geleitet.
Während Treckerfahrer und Fahrzeugführer noch die Fahrzeuge rangierten und einparkten, versammelte sich der größere Teil der aus Französisch-Buchholz, Rosenthal und Blankenfelde angereisten Bürgerinnen und Bürger in den Sitzreihen des BVV-Saals. Ein großes Transparent an der Rückseite des Saales mahnte „Elisabethaue ist Ackerland und gehört in Bauernhand“.
Elisabethaue seit Jahren umstritten
Für das ehemalige Rieselfeld gibt es schon seit Jahren immer wieder Bauabsichten. In Erinnerung ist noch die gescheiterte Absicht, hier mit IBG und BLEG preiswerte Einfamilienhäuser zu bauen. Um die Jahre 1999-2001 gab es in Berlin rückläufige Bevölkerungszahlen, einen Leerstand von mehr als 100 000 Wohnungen. Eine Vielzahl zum Verkauf stehender Grundstücke für den Eigenheimbau ließen die Grundstückspreise stark nachgeben. Im Jahr 2001 waren die Grundstücksumsätze in Berlin um 40 % zurückgegangen.
Das Vorhaben der BLEG erwies sich als undurchführbar, die Erschließungskosten waren höher, als die Verkehrswerte der geplanten Einfamilienhäuser. Das Geschäft wurde rückabgewickelt, die Fläche blieb beim Land Berlin, nachdem auch die BLEG abgewickelt wurde.
Neue Karriere als Ausgleichsfläche
Die Elisabethaue sollte nun wieder als Ausgleichs- und Ersatzfläche für das Neubaugebiet Französisch Buchholz als Grün- und Freifläche und für die Erholung der Bewohner/-innen des neuen Stadtteils von Pankow genutzt werden. Die landwirtschaftliche Nutzung wurde beibehalten. Die Elisabethaue rückte damit als eine ökologisch bedeutsame Freifläche am nordöstlichen Stadtrand in Pankow ins öffentliche Bewußtsein.
Die BVV Pankow beschloß damals sogar einstimmig, keinen Bebauungsplan aufzustellen.
Zugleich Reservefläche für den Wohnungbau
Doch die Elisabethaue sollte nach dem Flächennutzungsplan von 1994 als Wohnbaufläche nachrangig entwickelt werden, wenn es das Bevölkerungswachstum erfordert.
Inzwischen ist die Lage da: Berlin braucht dringend neue Wohnungen. Bei entsprechendem Bevölkerungswachstum fällt der Rückgriff auf Reserveflächen für die Politik leichter, als etwa tiefgreifende neue nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte zu fördern.
Neue Lage und Festlegung von Wohnungsbaupotentialflächen
Im Jahr 2013 hatte sich die Lage bereits gravierend in Berlin verändert. Eine Phase rapiden Einwohnerwachstums war eingetreten, und hohe sechsstellige Einwohnerzuwachs-Prognosen bis zum Jahr 2025 forderten ein Umdenken in der Stadtplanung. Pankow war einer der ersten Berliner Bezirke, der sich zum neuen Stadtentwicklungsplan Wohnen (STEP Wohnen 2025) positionierte. Die politisch breit unterstützte Vorlage des Bezirksamtes vom 4.6.2014 trug die Handschrift der Zählgemeinschaft von SPD und Bündnis90/Grüne, die hier stadtverträgliche und sinnvolle Wohnungspotentiale benannte.
Auf die Einbeziehung der „Bereiche Elisabethaue, Französisch-Buchholz-Nord (nordöstlich der Hans-Schumacher-Straße), Buch V und Blankenburg (Lindenberger Weg, östlich Straße 33) ist zu verzichten“ hieß es in der Positionierung.
Der Grundgedanke dabei war: Innenentwicklung sollte vor Bebauung im Außenbereich gehen. Überdies sollte die Qualität der Pankower Dörfer erhalten werden, die sich durch ihre Einbettung in die Landschaft auszeichnen und klare Siedlungsränder und landschaftliche Sichtbeziehungen aufweisen.
Überraschende Neuausrichtung der Senatsverwaltung
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hatte auf die Ideen für die Konkretisierung der Wohnbaupotenziale im Bezirk Pankow überhaupt nicht offiziell reagiert. Stattdessen machten ominöse Zeichnungen die Runde und gelangten über die Facebook-Seite des SPD Abgeordneten Roland Schröder am 2.10.2014 an die Öffentlichkeit. Schröder, Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Grünanlagen der BVV Pankow, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion vermutete damals noch: „Der Realisierungshorizont der Wölkchen und Nierchen dürfte – wenn überhaupt – deutlich jenseits des Jahres 2025 liegen.“
Doch Schröder irrte sich. Der Rücktritt von Klaus Wowereit, die Nominierung des Stadtentwicklungssenators Müller als Amtsnachfolger, sowie der hohe wohnungspolitische Druck forderten eine Neuausrichtung. Müller, der eben noch blumig ein Ende der „Basta-Politik“ öffentlich im TAGESSPIEGEL versprochen hatte, machte Druck.
Die Planungen, die landeseigenen Wohnungsgesellschaften zum Wohnungsneubau einzusetzen, machten neue Absprachen erforderlich.
Roland Schröder, Mitglied einer SPD-Gruppierung der Pankower SPD, die öfter Thesenpapiere unter dem Motto „SPD-Pankow: Direkter, Transparenter, Demokratischer!“ verfaßt, mußte erkennen, dass Senator Müller es selbst mit der eigenen „Genossenbeteiligung“ nicht sonderlich ernst nimmt.
Fraglich ist auch die eigene Praxis, wichtige stadtentwicklungspolitische Themen nur über Facebook zu kommunizieren, und die eigene Interneteite des Arbeitskreises Stadtentwicklung der SPD praktisch ein Jahr lang verwaisen zu lassen. Dort ist der letzte bedeutsame Eintrag vom 19.09.2013 zum Thema Rangierbahnhof Pankow eingetragen.
Schlimmer noch: Schröder erfuhr von der stadtentwicklungspolitisch bedeutsamen Entwicklung offensichtlich aus der Prenzlberger Stimme, nicht etwa über einen direkten kurzen Draht zum Parteigenossen und Stadtentwicklungssenator Müller.
Immerhin brachte die Kleine Anfrage von Dr. Michail Nelken vom 17.10.2014 KA 0668/ VII Aufklärung:
„Der Bereich der Elisabethaue wird im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025, Senatsbeschluss vom 08.07.2014, als nachrangig zu entwickelnder Einzelstandort (Zeithorizont nach 2025) mit 1.800 Wohneinheiten,…“ betrachtet.
Kein Wunder also, wenn die Pankower Bürgerinnen und Bürger von überraschenden Politikwechseln erst „ex post“ erfahren, obwohl sie sich eigentlich eine „proaktive Stadtentwicklungspolitik“ und Planungssicherheit wünschen.
Inzwischen ist Schröder aber auf Kurs. In einer der letzten Sitzungen des Ausschuß für Stadtentwicklung und Grünanlagen sagte Schröder:
“Die BVV Pankow ist in Erweiterung des Beschlusses VII-0365 bereit, die umfassende Bebauung der Elisabethaue zur Errichtung eines neuen Stadtteils zu unterstützen und planerisch zu begleiten …”.
Vier Vorlagen zur Abstimmung am 26.11.2014
Zur 27. Ordentlichen Tagung der Bezirksverordnetenversammlung des Bezirk Pankow zu Berlin standen ingesamt vier Vorlagen zum Thema Bebauung der Elisabethaue von den unterschiedlichen Fraktionen vor:
CDU-Fraktion: Drucksache-Nr. VII-0839
Erhaltung der Felder der Elisabethaue – keine Bebauung
Linksfraktion: Drucksache-Nr. VII-0847:
Die Elisabethaue – Kein Ad-hoc-Verfahren! Prüfung einer nachhaltigen Entwicklungsperspektive
Fraktion Bündnis 90/Grüne/Bürinitiative: Drucksache-Nr. VII-0855:
Erhaltung der Felder der Elisabethaue – keine Bebauung
SPD-Fraktion: Drucksache-Nr.VII-0852:
Ein neuer Stadtteil für Alle durch bezahlbare Mieten, gute soziale Infrastruktur, leistungsstarke ÖPNV-Anbindung, hohen Grünanteil und eine bunte Nutzungsmischung
Kurze Debatte – Vertagung in den Stadtentwicklungsausschuß
Die Fraktion Bündns 90/Grüne brachte den Antrag der Bürgerinitiative Elisabethaue in die BVV ein, und umging dabei eine umfassende eigene programmatische Aussage.
Tatsächlich haben Bündns 90/Grüne in einem umfassenden Konzept für ganz Berlin erhebliche Neubaupotentiale im Bestand und im Dachausbau herausgefunden. Bündns 90/Grüne würden allein vermutlich gänzlich ohne die Bebauung der Elisabethaue auskommen.
Johannes Kraft (CDU) und Dr. Michail Nelken (Linksfraktion) mahnten beide fehlende konzeptionelle Grundlagen der Stadtentwicklung an. Insbesondere Nelken wandte sich gegen eine konzeptionslose Bebauung, und mahnte mehr Zeit für eine Planung an.
Roland Schröder hielt anschließend Nelken vor, als früherer Stadtrat ausreichend Zeit für eine Entwicklung von Konzepten gehabt zu haben. Er ignorierte dabei aber die damalige fatale Personalsituation im Stadtplanungsamt, die sich erst seit 2012 unter der Ägide von Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) entscheidend verbessert hat, sodass neuerdings sogar hohe Beschleunigungsprämien erarbeitet wurden.
Schröder machte den neuen Standpunkt der SPD-Fraktion deutlich, wonach dies die einzige Möglichkeit sei, weiter sinnvoll Einfluß auf das Verfahren zu nehmen, und bei der Gestaltung mitzureden.
Der große Disput mit offener Abstimmungsschlacht zwischen den vier vorliegenden Anträgen wurde schließlich vorerst vermieden, indem alle Anträge in den Ausschuß für Stadtentwicklungs und Grünanlagen verwiesen wurden.
Die Debatte um Elisabethaue wird daher erst in der nächsten Woche weitergehen.
Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen
4.12.2014, 19:30 Uhr – 21:30 Uhr
Fröbelstraße 17, Haus 6, Raum 227