Ausgerechnet im 10. Jahr des Bestehens ist die Ausstellung „Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus. Bauen und Wohnen in Prenzlauer Berg um 1900“ in ihrem Fotbestand bedroht. Die Initiatoren und Unterstützer rufen deshalb zu einem Straßenfest am kommenden Samstag, den 16. März 2013 von 12-16 Uhr auf. Die Ausstellung ist eine Rarität für ganz Berlin: ein Seniorenprojekt und das Museum Pankow betreiben gemeinsam das kulturhistorisch wertvolle Ausstellungs-Projekt.
Ausstellung: Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus Foto: Miteinander-Füreinander e.V. / Museum Pankow
Im Jahr 1895 kaufte Zimmermeister Heinrich Brunzel mit Hilfe eines Darlehnsvertrags das 914 Quadratmeter große Grundstück und begann mit den Bauarbeiten für ein Wohnhaus. Die Bebauung der Parzelle Dunckerstraße 77 erfolgte während einer Zeit intensiven Stadtwachstums in Berlin. Das Gebiet des Helmholtzplatz wurde in dieser Zeit bebaut. Der Preis der Parzelle beliegf sich damals auf 70.880 Mark.
Mit der fortschreitender Industrialisierung wuchs die Einwohnerzahl Berlins im Verlauf des 19.Jahrhunderts außerordentlich an. Um 1850 lebten hier bereits mehr als vierhunderttausend Menschen, dreimal mehr als in München, der damals zweitgrößten deutschen Stadt. Bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts verfünffachte sich die Zahl der Einwohner Berlins. Die Industrialisierung machte aus Berlin eine Stadt voller „Zuwanderer“, die ihre Wohnungen meist in gänzlich neuen Stadtteilen fanden.
Zwischen 1895 und 1910 entstanden Jahr für Jahr etwa 100 neue Häuser, auch die Seitenstraßen wurden dicht bebaut. In dieser Zeit ähnelten sich die Häuser immer mehr, und das typische Prenzlauer-Berg-Haus entstand: das 18 Meter breite Grundstück war auf voller Breite mit einem fünfgeschossigen Vorderhaus bebaut, in dessen Erdgeschoss Ladengeschäfte untergebracht waren. Darüber befinden sich je Etage zwei Wohnungen, von der eine einen länglichen Raum hatte, der in den Seitenflügel hineinragte und von einem Fenster dort das Licht bekam. Diese Räume sind unter der Bezeichnung „Berliner Zimmer“ bekannt. Mit dem Nachbargrundstück teilte man sich einen Hinterhof.
Eine typische „Mietskaserne“ aus dieser Zeit besteht aus ein bis zwei Läden und rund dreißig bis vierzig Wohnungen. Je mehr sich der typische Aufbau der Häuser glich, umso mehr wurden sie individuell verziert und mit reichhaltigen Fassaden ausgestattet. Die aufkommende industrielle Produktion verschiedenster genormter und daher zueinander passender Fliesen führte zu einer prächtigen Gestaltung von Eingangsfluren und Treppenhäusern.
Die Dauerausstellung in der Dunckerstrasse 77 zeigt den sozialen Wandel dieser Zeit, die Industrialisierung und die Bau- und Wohnverhältnisse der Jahrhundertwende um 1900 und typische Möbel aus dieser Epoche.
Die vorhandene Wohnbebauung am Helmholtzplatz und in seiner Umgebung dokumentiert exemplarisch den Urbanisierungsprozeß und die Berliner Stadterweiterung in der Phase zwischen 1871 und 1914.
Im Sanierungsgebiet rund um den Helmholtzplatz ist die Ausstellung daher auch ein touristischer Anziehungspunkt, der die Entstehung des Prenzlauer Berg und seine Gründungszeit dokumentiert.
Jährlich besuchen rund 2.900 Besucher die Ausstellung – eine Zahl durchaus die noch steigerungsfähig ist. Unter den Besuchern sind auch rund 800 Schüler, die das museale Angebot für eine lebendige Vermittlung von Geschichte nutzen.
Der Kontakt mit den ehrenamtlich tätigen Betreuern der Seniorenfreizeitstätte Herbstlaube ist eine Besonderheit, weil hier ein wichtiger Austausch zwischen Jung und Alt möglich ist.
Dr. Torsten Kühne, Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice wird das Straßenfest eröffnen: „Zum Zeitpunkt des Jubiläums steht nun die Fortführung der Begegnungsstätte Herbstlaube und damit das Ausstellungsprojekt in Frage. Das Engagement der ehrenamtlich tätigen Senioren ist ungebrochen, jedoch die Finanzierung des Projektes gefährdet. Das Straßenfest werde ich um fünf Minuten vor Zwölf eröffnen. Aktionen und Auftritte, u. a. der Popelbühne, des Clowns Momo, der Kita Zuba Kaminka, schließen sich an.“
Bezirksstadtrat Dr. Kühne weiter: „Seit ihrer Eröffnung im Jahre 2003 informiert die Ausstellung in einer teilrekonstruierten Wohnung im 1. Stock über die Geschichte des Wohnhauses Dunckerstraße 77 und das Wohngebiet am Helmholtzplatz. Gefördert durch das Quartiersmanagement im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz realisierten die Seniorenbegegnungsstätte `Herbstlaube` und das Museum Pankow gemeinsam dieses ungewöhnliche Projekt. Jährlich lassen sich zahlreiche Besucher von Nah und Fern, darunter auch viele Kinder und Schüler der Umgebung, von Senioren der Begegnungsstätte durch die Ausstellung führen und informieren sich über die Arbeits- und Lebensbedingungen in Prenzlauer Berg um Neunzehnhundert.“
Im Bezirksamt Pankow macht man sich auch schon kreative Gedanken, wie die jährliche Mindestsumme von rund 17.000 € für die Miete von Ausstellung und der Seniorenfreizeitstätte Herbstlaube aufgebracht werden. Als „touristische Infrastruktur“ könnte das Museum etwas bekannter gemacht werden – und mehr Einnahmen erzielen. Immerhin kosten die Tickets 1 € für Kinder und 2 € für Erwachsene.
Denkbar wäre aber auch, das Museum als „separaten Geschichtsraum“ für den Schulunterricht zu betrachten – und teilweise im Etat „Schule“ zu verankern, so wie das andere Berliner Bezirke mit den „grünen Klassenzimmern“ machen.
Eine dritte Möglichkeit wäre die Bündelung der Geschichtsarbeit mit dem Museumsverbund – und die stärkere touristische Positionierung, die auch Einnahmen schafft. Vielleicht entwickelt das Pankower Kulturamt auch Ideen, wie man Drittmittel der EU einwerben kann – und die geplante Einnahmen der Berliner City-Tax „anzapfen“ kann.
Weitere Informationen:
Ausstellung „Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus – Bauen und Wohnen in Prenzlauer Berg um 1900“
Herbstlaube
http://www.ausstellung-dunckerstrasse.de.
Zimmermeister Brunzel droht die Räumung
Straßenfest für den Erhalt der Ausstellung „Bauen und Wohnen in Prenzlauer Berg um 1900“
Samstag, dem 16. März 2013, zwischen 12 und 16 Uhr