Die IHK Berlin hatte heute zur Pressekonferenz eingeladen, eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung wurde vorgestellt. Für die weitere Entwicklung bis 2030 wurden in der Studie Szenarien und Leitlinien für die Wirtschaftspolitik vorgestellt.
Berlin wächst …
Berlin wird sich in den kommenden Jahren wirtschaftlich hervorragend entwickeln – wenn die existierenden Potentiale ausgeschöpft werden. Dafür muss jedoch die Berliner Politik die größten wirtschaftlichen Pfunde der Stadt – Forschung und Entwicklung sowie Kultur – selbstbewusst in die Waagschale werfen. Dies sind die Ergebnisse der gemeinsamen Studie „Wirtschaftsentwicklung in Berlin: Szenario 2030“ des DIW Berlin und der IHK Berlin.
„In den zurückliegenden Jahren ist Berlin mit beeindruckender Geschwindigkeit gewachsen. Dies darf aber kein Grund sein, sich zurückzulehnen. Vielmehr müssen wir diese Dynamik verstetigen. Insbesondere Forschung und Entwicklung sowie Kulturpotentiale können und müssen in Zukunft noch sehr viel stärker ausgeschöpft werden“, so der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter.
Berlins gegenwärtige sozioökonomische Entwicklung gehört zu den spannendsten in ganz Europa. Seit 2005 holt Berlin das in den Jahren nach der Wiedervereinigung erhoffte, jedoch durch den Strukturwandel versäumte Wachstum auf. Besonders erfreulich ist dabei der deutliche Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Dieser positive Prozess hat auch die Ausgangsbedingungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Berlins verbessert. In der Stadt hat sich eine dynamische IT-Gründerszene gebildet, die mittlerweile einen Großteil des deutschen Wagniskapitals an sich bindet. Im Tourismussektor ist eine international wettbewerbsfähige Infrastruktur entstanden. Die Industrie hat sich stabilisiert und trägt wieder zum Beschäftigungswachstum bei.
… – und Wachstum will befördert sein!
„Das gemeinsam von DIW Berlin und IHK Berlin entwickelte Szenario 2030 zeigt einen realistischen Weg, das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum Berlins zu verstetigen“, so Martin Gornig vom DIW Berlin. Gelingt es, die wirtschaftlichen Potentiale der Stadt weiter auszuschöpfen, könnte die Wirtschaftsleistung Berlins 2020 den Bundesdurchschnitt erreichen. Bis 2030 würde Berlin dann eine ähnliche ökonomische Position in Deutschland einnehmen wie beispielsweise Rom innerhalb Italiens. Dazu müssen Politik und Gesellschaft in Berlin allerdings wieder lernen, mit ökonomischem Wachstum umzugehen. Dabei gilt es beispielsweise das im Vergleich zu anderen Metropolen enorme Flächenpotential intelligent einzusetzen, um Platz für neue Arbeitsplätze und neue Mitbürger zu schaffen – ohne Nischen für Experimente und kreative Szenen zu verschütten.
Vier verschiedene Entwicklungs-Felder
Das DIW hat im Rahmen der Studie in einem Projektworkshop zwei Faktoren herausgearbeitet, denen künftig eine herausragende Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Berliner Wirtschaft beigemessen:
„F+E-Potential“
Das „F+E-Potential“ repräsentiert die Innovationsfähigkeit öffentlicher und privater Forschungseinrichtungen. Mit drei Universitäten, zahlreichen weiteren Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verfügt Berlin über eine weit überdurchschnittlich gute Wissensinfrastruktur, die Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte und einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung sein kann.
„Kulturpotential“
Das „Kulturpotential“ stellt nach Einschätzung der Workshopteilnehmer das zweite Standbein der zukünftigen Berliner Wirtschaftsentwicklung dar. Die kulturelle Strahlkraft Berlins ist wesentlicher Anziehungsfaktor für Zuwanderungen und vor allem Treiber des Tourismus, der sich in den vergangenen Jahren als stabiler Wachstumsfaktor erwiesen hat. Darüber hinaus hat sich die Kulturwirtschaft zu einer wichtigen Branche mit Beschäftigungswirkung entwickelt.
Wichtige Folgerungen für die Politik
Die Studie stellt verschiedene Szenarien vor und benennt zugleich die denkbar positivste Entwicklung:
Eine Politik-Kombination mit „konsequenter Ausschöpfung“ beim F+E-Potential und „aktiver Förderung“ beim Kulturpotential würde Berlin als überdurchschnittlich wachsende Metropole mit innovativen Gütern und Dienstleistungen sowie hoher kultureller Strahlkraft etablieren (Szenarioquadrant „Wirtschaftsmetropole Berlin“).
Die Studie warnt auch die Politik: „Eine eher negative Entwicklung ist anzunehmen, wenn von einer eher passiven Nutzung des F+E-Potentials und einem kulturwirtschaftlichen und -politischen Laissez-faire
auszugehen wäre (Szenarioquadrant „Wohnstadt Berlin“)“, bei dem die Kulturstadt auf bisherigen Niveau stagnieren würde.
Die Studie ist auf der Internetseite der IHK-Berlin als Dok.-Nr. 109824 erhältlich (PDF-Download).
Die Studie weist gut fundiert aus, wie sich Berlin im Wettbewerb mit anderen Städten als attraktiver Wirtschaftsstandort für Unternehmensgründungen langfristig profiliert und benennt die entsprechenden Strategien und Ziele. Insofern ist die Studie auch ein wertvoller Beitrag zur Diskussionen des „Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030″“, so Matthias von Bismarck-Osten, Generalbevollmächtigter der Investitionsbank Berlin.
“Berlin trägt auch 25 Jahre nach dem Mauerfall schwer an den historischen Lasten. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Entwicklung seit bald zehn Jahren überdurchschnittlich. Beides zeigt die gemeinsame Studie von DIW und IHK Berlin sehr anschaulich. Sie bestätigt aufs Neue, dass Berlin sich konsequent um die Stärkung der industriellen Basis kümmern muss“, so Christian Hoßbach, stellvertretender Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg.
Kommentar
Die Aussagen der Studie lassen sich auch in vielen Teilen auf die weitere Entwicklung des Bezirks Pankow herunterbrechen, und geben damit auch eine wichtige Orientierung für die Stadtentwicklungs- und Wirtschaftspolitik auf Bezirksebene. Die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive ist zugleich eine gute Anregung, neu über das notwendige Beziehungsgeflecht zwischen „harten und weichen Standortfaktoren“ nachzudenken.
Gleichzeitig weist die Studie jedoch einen großen Schwachpunkt auf: die Verknüpfung von Kultur- und Kreativwirtschaft mit dem Beschäftigungswachstum ist noch nicht hinreichend erklärt und quantifiziert. Die Kultur wird in der Übersicht der Standortfaktoren zusammen mit Freizeit „komplementär zur Wirtschaft“ dargestellt.
Offensichlich gibt es bei den Wirtschaftsforschern eine bedeutsame Lücke in der Betrachtung, die die Verknüpfung von Kreativität, Kunst, Kultur und Design als Standortfaktoren erkennt und mit bedenkt.
So ist es daher auch nicht verwunderlich, wenn Berlin insgesamt noch eine wichtige Lücke in der Innovationsstrategie aufweist, die in der Verbindung von Design, Robotik und der industriepolitischen Strategie 4.0 der Bundesregierung eine große Chance für „gute, kreative und hochintelligente Arbeit“ auslässt. m/s
Weitere Informationen:
www.ihk-berlin.de Dokument Dok.-Nr. 109824