Freitag, 29. März 2024
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Die Sichtbarkeit der Kunst in Digitalien #1

Black Screen

/// Experiment /// – „… die zeitgenössische Kunst ist ihrer Zugkraft, die sie aus der Grundierung in einer Zeitgenossenschaft bezog, die alle modernistischen Avantgarden kennzeichnete, ein für alle Mal verlustig gegangen. Darin gleicht die Lage der zeitgenössischen Kunst jener der spekulativen Finanzmärkte: Jede Form einer zukünftigen Gegenwart wird auf eine gegenwärtige Zukunft heruntergerechnet – und depriviert damit sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft als solche. Das ist die Lage, die wir als post-contemporary oder schärfer nontemporary kennzeichnen. Die nontemporäre Situation der Kunst stellt nicht nur ihre Zeitgenossenschaft in Frage: Sie betrifft ebenso die sich abzeichnende Fortentwicklung des Kapitalismus bzw. Post-Kapitalismus wie bspw. die Erodierung dauerhaft gesicherter Arbeitsverhältnisse, die das Fundament gegenwärtiger Ökonomien bilden; die Allgegenwart ästhetisch hochgepitchter klassischer und kognitiver Produktionsweisen; als auch die reverse Aufhebung einer distinkten Vorstellung dessen, was Kunst vermag.“ /// –

In dem Buch »Der Zeitkomplex« Postcontemporary wird von den Herausgebern die These vertreten, „.. dass die westlichen Industriegesellschaften seit den 1960er oder 70er Jahren, also parallel zur Entstehung der Postmoderne, aber auch zum Aufstieg des neoliberalen Kapitalismus, zunehmend von einer neuen Zeitwahrnehmung geprägt werden.“

Die beiden Autoren Avanessian und Malik nennen das den „spekulativen Zeitkomplex“, in dem nicht linear Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinander folgen, sondern die Gegenwart mehr und mehr von Vergangenheit und Zukunft her bestimmt und gewissermaßen verschluckt werde.

Das führe einerseits zu einem allgemeinen „post-von-allem“-Zustand, der mit der Vergangenheit abzuschließen meint, aber eben dadurch weiter von ihr bestimmt bleibt; andererseits (und im vorliegenden Band vornehmlich thematisiert) zur zunehmenden Bedeutung des „Präemptiven“, das in der Gegenwart die Zukunft vorwegnimmt. Beides aber führe letztlich „jenseits von Gegenwart“, zu einem Verschwinden der Gegenwart und damit gewissermaßen der Zeitlichkeit überhaupt, weil die verschiedenen Zeiten zunehmend verschwimmen.“

Doch stimmt diese These? Sind Künstler dem »Zeitkomplex« wehrlos ausgeliefert?

Oder erwächst aus der Wahrnehmung des „spekulativen Zeitkomplex“ eine neue künstlerisches „Raum-Zeit-Feld“, das sich zwischen dem realen „White Cube“ der Galerie und dem „Black Case“ eines schwarzen Bildschirms entfaltet?

Geht Kunst künftig in „Raum-Zeit-Felder“ über?

Wird zwischen „Ankündigung und Erwartung des Publikums und Erlebnis und Verschwinden und dem Vergessen“ neu nach Unsterblichkeit gesucht? Entstehen »Kunstzeit« und »Raumzeiten« künftig wie Musik als „Raum-Zeit-Kompositionen“, die Resonanz, Echo und Erinnerung schaffen? Weitet sich der Kunstraum zum medialen Feld zwischen Screens, Bild und Erinnerung?

Beginnen wir mit der »Nullzeitx« eines schwarzen Bildschirm …

Am 4. Juni 2016 beginnt die 9. Berlin Biennale, die sich bis zum 18. September 2016 »entfaltet«.

http://bb9.berlinbiennale.de

Irgendwann zwischen dem 4.6. und dem 18.9.2016 wird das begonnene /// Experiment /// fortgeführt. Leserkommentare, Autoren-Beiträge, Einladungen, Einwürfe und Reaktionen sind jederzeit erlaubt. Die Kommentarspalte ist geöffnet!

Literatur-Tip:
Armen Avanessian, Benjamin Bratton, Laboria Cuboniks, Elena Esposito, Victoria Ivanova,
Suhail Malik, Aiwah Ong, David Roden, Nick Srnicek, Alex Williams:

Der Zeitkomplex
Postcontemporary

Übersetzt von Ronald Voullié.
Merve Verlag
IMD 436, 144 Seiten, 15 €
ISBN: 978-3-88396-380-8

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