Die Politik, die Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Thinktanks und Universitäten werden derzeit durch ein Wort bewegt. Der Begriff der „Digitalisierung“ geht um. Visionen, Erwartungen werden geweckt, Menschen beginnen Heilsversprechen zu sehen.
Es wird Zeit, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Kritik muss her – denn in Deutschland besteht die große Gefahr, dass neue „digitalbürokratische Bullshit-Castles“ errichtet werden.
Lesenswert, ein Beitrag in der aktuellen Online-Ausgabe der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:
Der Begriff des Digitalen:
Das Wort der Stunde
Urs Humpenöder | 16.03.2016 | FAZ.de
„Der Begriff hat Hochkonjunktur. Die Zukunft, die Kultur, die Industrie – alles ist oder wird digital. Was das heißt und soll, bleibt oft unklar. Wovon wir reden, wenn wir vom Digitalen reden.“
Der Medienwissenschaftler Yuk Hui hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Digitale Objekte sich von technischen oder substantiellen Objekten unterscheiden, weil sie keiner Substanzlogik folgen.
„Sie referieren nicht auf eine Materie oder ein Substanzdenken. Wenn man sich auf die Suche nach dem digitalen Objekt macht, ist fraglich, ob man irgendwann zu einem Schluss kommt. Würde man elektrische Signale als das digitale Objekt bezeichnen? Oder womöglich Zahlenreihen? Oder Ascii-Codes?“
Für die Politik ist der „substanzlose Begriff offensichtlich mit großen Inhalten gefüllt“, denn „digitale Agenden und Strategien werden an dem Begriff entfaltet. Zudem: es ist für Politologen ein Zauberwort, weil es „unhinterfragbar“ zu sein scheint – ein numinoses Wort. Ideal geeigen für „überredende Kommunikation“, für „leere Versprechen“, Budgetbegründungen – und auch für künftigen Selbstbetrug, mit nachfolgenden Wahlbetrug.
Wer ein Smartphone in die Hand nimmt sieht sofort: es geht nicht um Digitalisierung, sondern um Haptik, Komfort und Service. – Irgendetwas muss von der Politik falsch verstanden worden sein. Dann die Digitalisierung ist weder Ziel noch Zweck – sondern Methode und Werkzeug. Ein „digitaler Hammer“ sozusagen!