Die Florastraße befindet sich im Umbruch. Die von Bürgerhäusern mit Vorgärten gesäumte Straße wird nun mit neuen Bausünden der Gegenwart konfrontiert. Das Flair des Kiezes wird plötzlich durch schlechte Architektur, Schlampigkeit und Gedankenlosigkeit bedroht.
Neue Eigentümer greifen in den Kiez ein, und gehen ohne Umsicht, historische Kenntnis und ohne Rücksicht mit dem Baubestand und dem Straßenensemble um.
Beim Umgang mit den historischen Grundrissen, mit Gebäudehöhen und mit Fluchtlinien wurde rücksichtslos gearbeitet.
Ein neuer Zaun am Eckgrundstück Florastraße 79 / Neue Schönholzer Strasse verunstaltet seit dem Spätherbst 2013 das Straßenbild – und ist nur das letzte Glied einer ganzen Kette von Baupannen.
Hybride Zaun-Baukunst
Die hybride Bauart des Zauns ist spektakulär: ein dunkel eloxierter Alu-Stabzaun „Modell „Berlin“, der auf „Gußeisen“ getrimmt ist. Mit kleinen Rundbogen zwischen den Vierkantstäben, die dem Zaun die Strenge nehmen sollen. Die serienmässig passenden Zaunpfosten sind brutal in viel zu flache und zu kleine Betonbatzen gesetzt, sogar das berlintypische Bernburger Mosaikpflaster wurde dabei zerstört.
Damit der Zaun nicht zusammenfällt, geben in Abständen von vier Zaunfeldern überdimensionierte gelbgestrichene Stahl-Hohlpfosten Stabilität. Ihre Farbe kontrastiert mit der seriös wirkenden Farbe des Zauns, und überstrahlt noch die viel zu gelbe, frisch sanierte Hausfassade.
Zaunbau brutal
Aufgestellt wurde der Zaun ohne große Ankündigung. Aus der Nachbarschaft wurde berichtet, es seien italienische Arbeiter gewesen, die das „Zaun-Baukunststück“ im Auftrag des italienischen Immobilienbesitzers errichtet hatten.
Fioreavante Casagrande, Besitzer eines Eiscafés in Hamburg, hat das Haus vor 10 Jahren in Pankow als Anlageobjekt erworben, das er überaus pfleglich saniert und wohlwollend behandelt.
Die Errichtung des Zaunes erfolgte aus „Sicherheitsgründen“ und Schutz gegen Diebstähle. Ganz linientreu wurde der Zaun an der im Grundbuch eingetragegen Grundstücksgrenze gebaut.
Die Lage historischer Vorgärten interessierte den Eigentümer nicht, ebensowenig die öffentliche Widmung des Straßenlandes auf dem Gehsteig, die in Berlin die Rechte des Eigentümers bricht.
So wurde der Zaun brutal in den Bürgersteig verankert, die einst breite Gehweg-Ecke an der Neuen Schönholzer Straße wurde eingeengt. Statt eines Eingangstores klafft jedoch eine Lücke, und jedem Laien wird klar: hier ist ein geplanter Superlativ der Zaun-Baukunst kläglich gescheitert!.
Anwohnerbeschwerden und eine Kleine Anfrage
Der monströse Zaun hat seit Dezember 2013 einige Berühmtheit erlangt. Nach Anwohnerprotesten und Einrichtung einer Facebook-Seite kümmerte sich alsbald die Politik um das Problem.
In einer kleinen Anfrage (Kleine Anfrage 0500 / VII) vom 20.1.2014 forschte der Pankower SPD-Bezirksverordnete Gregor Kijora nach den Ursachen, und ging davon aus, so ein Zaun müsse genehmigt sein:
„1. Liegt eine Genehmigung für die Errichtung des Zaunes vor? Auf welcher Grundlage wurde die Errichtung des Zaunes genehmigt und was waren die ausschlaggebenden Faktoren eine solche Genehmigung zu erteilen?“
Die Antwort des Bezirksamtes Pankow, Abt. Stadtentwicklung war formell und ganz lapiar:
„Es wurde keine Erlaubnis erteilt. Bei der eingezäunten Fläche handelt es sich um öffentlich gewidmetes Straßenland
in Privatbesitz. Daher unterliegt diese Fläche dem Berliner Straßengesetz, welches die Privatrechte des Eigentümers weitgehend überlagert.“
Nicht der erste Fall
Der Umgang mit Grundstücksgrenzen und öffentlichen Straßenland in Berlin ist für so manche neuen Investoren ungewohnt. Auch am Garbátyplatz gab es das Problem: hier mußten die Investoren beim Ortstermin in Zusammenarbeit von BVG, Polizei und Stadtplanungsamtmühselig überzeugt werden, eine BVG-Haltestelle auf dem „privaten Grund“ einzurichten.
Ein paar Häuser weiter steht ein Gebäude viel zu hoch aus dem Gehweg. Das noch zu Zeiten des linke Stadtrats Dr. Nelken geplante Haus mit schwarzer Fassade weist straßenseitig völlig unübliche Kellerlichtschächte aus, die nun für einen unfertigen Vorgarten sorgen. Ein eilig zusammengezimmerter Minizaun soll privates Grundstückseigentum markieren.
Unmittelbar gegenüber, an der Ecke Florastraße /Gaillardstraße wurde ein durchgängiger Vorgarten errichtet, der die alte Baufluchtlinie der benachbarten Vorgärten mißachtet. Ob hier zu Lasten öffentlichen Straßenlandes gebaut wurde, ist wohl nur durch eine Neuvermessung feststellbar.
Insgesamt ist die Qualität der Florastraße als Bauensemble durch viele kleine Bausünden bedroht: viele alte Vorgärten wurden zerstört und gepflastert, sogar zeitweise in PKW-Abstellplätze verwandelt.
An einigen Stellen werden jedoch Vorgärten neu instand gesetzt, und neu angelegt. Im Rahmen der Gehweginstandsetzung wird man sich seitens des Tiefbau- und Landschaftsplanungsamtes mit der Gestaltung der Vorgärten und den damit verbundenen Baufluchten und Pflaster-Gliederungen befassen müssen.
Bauhistorisch wird man dabei auch neuen Bauherren und Investoren die berlintypische Bauweise nahe bringen müssen: Vorgartenzäune gehören im Innenstadtbereich auf einen gemauerten Sockel.
Der Zaun muß weg
In der Antwort auf die Kleine Anfrage von Gregor Kijora wurde deutlich: der Zaun muß weg. Die Antwort war eindeutig: „Die Zaunstellung ist somit ein unberechtigter Eingriff in das öffentliche Straßenland und stellt gem. § 28 Abs.1 Nr. 7 BerlStrG eine Ordnungswidrigkeit dar. Darauf beruhen auch die weiteren verwaltungs- und ordnungsrechtlichen Schritte.“
Baustadtrat Jens-Holger-Kirchner (Bündnis 90/Grüne) räumte am Rande der letzten Stadtverordnetenversammlung auch ein: „Der Eigentümer hat eine erste „freundliche“ Aufforderung zur Beseitigung des Zaunes erhalten.“ Kirchner ließ auch keine Zweifel aufkommen, dass die Angelegenheit mit Nachdruck verfolgt wird.
Bauherr steht vor einem Lernprozeß
Der Eigentümer wehrt sich derzeit noch gegen eine Beseitigung des Zaunes. Ursprünglich wollte er die Flächen hinter dem Zaun den Gewerbemietern im Erdgeschoss zur Nutzung überlassen. Vorgärten waren nicht geplant.
Das Haus mit 32 Wohnungen und einigen Geqwerbeeinheiten befindet sich seit zehn Jahren im Besitz des italienischen Geschäftsmannes. Es wird umfassend modernisiert und aufgewertet.
Auf der zugehörigen Brachfläche in der Neuen Schönholzer Straße, die noch als wilder Parkplatz genutzt wird, soll künftig ein Mietshaus mit Tiefgarage entstehen. Aktuell werden im Hof Balkone angebaut und es sollen Fahrstühle angebaut. Frei werdende Wohnungen werden aufwändig mit Parkett ausgestattet und modernisiert.
Die Aufwertung im Gebäude benötigt natürlich auch ein repräsentatives Äußeres, das nicht „verunstaltend“ wirkt.
Der Bauherr wird sich daher spätestens bei der geplanten der Sanierung Gehsteige der westlichen Florastraße mit den geplanten Sanierungszielen befassen müssen.
Für die Florastraße ist „vorgesehen, dass gewidmete Verkehrsflächen gemäß dem Sanierungsziel als begrünte Vorgärten mit Klinkereinfassung unter Berücksichtigung der Gewerbenutzung bzw. Zugänge hergestellt werden.“
In der Görschstraße kann man schon heute besichtigen, wie eine sandgelbe Fassade mit geklinkerten Vorgarteneinfassungen aussieht. m/s