„Der Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 1-64a VE (Wohngebiet am Mauerpark) liegt mit Begründung und Umweltbericht sowie den wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen und Gutachten gemäß § 3 Abs. 2 des Baugesetzbuchs öffentlich aus.“ schreibt das Bezirksamt Berlin-Mitte auf seiner Internetseite. Doch das gesamte Planverfahren steht auf fragwürdiger Grundlage.
Fachaufsichtsbeschwerde Nummer Zwei (FAB #2)
Wie bereits angekündigt, werden insgesamt drei Fachaufsichtsbeschwerden öffentlich formuliert, die sich gegen das Verfahren und seine bestimmenden Grundbedingungen richten, und die Verletzung grundlegender baurechtlicher und grundrechtlicher Aspekte in einem städtebaulich bedeutsamen Planverfahren betreffen.
Die nachfolgenden Beanstandungen greifen etwaigen späteren Normenkontrollanträgen nach §47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor.
Das Motiv ist dabei, eine Klärung im kommunalaufsichtlichen Handlungsraum VOR einer Planaufstellung und möglichst OHNE Normenkontrollverfahren zu erreichen. Auf diese Weise sollen offensichtliche Verfahrensfehler kenntlich gemacht, und im Interese der Stadt Berlin, im Interessen der Bürgerinnen und Bürger, und im Interesse einer erfolgreichen Olympiabewerbung wertvolle Zeit gespart werden.
Sollte es überhaupt zu einer Planaufstellung und einem Normenkontrollverfahren kommen, wäre die Innenstadtentwicklung auf unabsehbare Zeit blockiert.
Grundstücksgeschäft, Vorhabenträgerwechsel und illegale Privilegierung
In den Jahren 2004 (Beginn der Bürgerbeteiligung Mauerpark) bis 2012, mit Abschluß des städtebaulichen Vertrages mit der CA-Immo AG am 30.10.2012 mit dem Senat von Berlin, durfte von einem durchaus üblichen, wenn auch hoch umsttrittenen Planverfahren ausgegangen werden. Die Ergebnisse des städtebaulichen Ideenwettbewerbs mit den 2. Preisen vfür Prof. Dipl. Arch. Carsten Lorenzen APS, Kopenhagen & Zanderroth Architekten, Berlin waren in ihren planerischen Intentionen als Kompromisse ausgelegt. Die lockeren Bebauungskonzepte waren auf die stadtklimatische Bedeutung der Grünachse hin ausgelegt, die eine mikro- und mesoklimatische Durchlüftung in Nord-Süd-Richtung offen hält.
Zugleich war das Maß der baulichen Nutzung auf Wohnwert-Maximierung und nicht auf „einseitige Profitmaximierung“ ausgelegt.
Bis zum Bekanntwerden des Grundstückserwerbs durch die Groth-Gruppe mußte öffentlich und auch in der zuständigen Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte von dem Tatbestand ausgegangen werden, dass die CA-Immo AG auch der Vorhabenträger einer Bebauungsplanung sei.
Mit dem für die Öffentlichkeit überraschenden Grundstücksgeschäfts mit der Groth-Gruppe, das erst am 24.1.2013 öffentlich wurde, aber schon am 16.7. und 20.7.2012 stattfand, sind drei weitere wichtige Rechtsverletzungen verbunden:
1. Nach §12 BauGB bedarf ein Vorhabenträgerwechsel der Zustimmung der Gemeinde. Dieser formelle Wechsel ist nicht ordentlich vollzogen worden. Alle vor dem 16.7.2012 erfolgten Planauslegungen und Abwägungsentscheidungen (soweit überhaupt erfolgt) sind damit obsolet geworden.
2. Durch die insgeheime Abwicklung des Grundstücksgeschäfts mit verbundenen Vorhabenträgerwechsel wurde der Gemeinde das Recht zur Wahrnehmung des „Besonderen Vorkaufsrechtes“ nach §25 BauGB abgeschnitten. Dabei war den Beteiligten aber längst klar, dass es auf Seiten der Bürgerinitiativen auch Bereitschaft zur Spendensammlung und zum Erwerb der Flächen als Grünflächen gab.
3. Die Präsentation der neuen Bebauungs-Entwürfe und die praktisch kritiklose Übernahme durch die „Abteilung Stadtentwicklung, Wirtschaft, Bauen und Ordnung“ des Bezirksamts Mitte von Berlin verletzt zudem das nach dem Baugesetzbuch, Verwaltungsrecht und der Landesverfassung Berlins gesicherte „Abwägungsgebot“. Die klandestinen Umgehungstatbestände von Grundstücksgeschäft, inoffiziellen Vorhabenträgerwechsel und die damit verbundene illegale Privilegierung des neuen Vorhabenträgers begründen sogar den „Abwägungsausfall“, der auch bei einer Normenkontrollklage wirksam festgestellt werden kann.
Im Detail lassen sich auch die Übernahme planfremder Ziele oder Belange per städtebaulichen Vertrag nachweisen. Damit sind auch in wichtigen Belangen „Abwägungsüberschreitungen“ und „Abwägungsfehleinstellungen“ – namentlich des Baustadtrates Carsten Spallek (CDU) in Dokumenten und belegten öffentlichen Äußerungen nachweisbar.
4. Die nach dem § 12 Bezirksverwaltungsgesetz des Landes Berlin (I BerlBzVwG) den Bezirksverordneten zustehende Planungshoheit konnte aufgrund der klandestinen Abläufe des Grundstücksgeschäftes nicht wahrgenommen werden. So konnte auch nicht existierenden widerstreitenden Belangen weder durch Planeinwände der planenden Verwaltung, noch durch kommunalpolitische Einwände der Bezirksverordneten ein angemessener Ausgleich hergestellt werden, sodass es auch grundsätzliche Abwägungsdisproportionalitäten gibt.
(Hinsichtlich wichtiger Belange von BImschG und BNatSchG sind überdies die Gewichtigkeit der Belange falsch eingeschätzt worden, Optimierungsgebote mißachtet wurden und somit Abwägungsfehleinschätzungen vorgenommen wurden, die noch Gegenstand der dritten Fachaufsichtsbeschwerde FAB #3 sind).
Verfahrensfehler im Aufstellungsverfahren
des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 1-64a VE
Wie besorgniserregend es um die Frage der Wahrnehmung der Planungshoheit durch die Bezirksverordneten in Berlin-Mitte steht, zeigt der Vorgang der „Absegnung“ des städtebaulichen Vertrages. Der „Vertrag zu den Flächen im Gebiet des Entwurfs zum Bebauungsplan 1-64 „Mauerpark-Vertrag“ wurde zu einem Zeitpunkt beschlossen, als bereits:
– der Verkauf der Fläche der Nordbebauung an die Grothgruppe getätigt war (16.7. und 20.7.2012)
– der städtebauliche Vertrag zwischen dem Stadtentwicklungssenator Müller und der CA Immo AG am 30.10.2012
abgeschlossen waren. Die Drucksachen-Nr. 0589/IV mit Beratungsfolge zwischen 13.9.2012 und Beschluß am 22.11.2012 zeigt: die Bezirksverordneten waren zu diesem Zeitpunkt weder über einen Vorhabenträgerwechsel, noch über eine Planänderung informiert.
Ein rechtsstaatskonform und verantwortungsbewußt handelnder Baustadtrat Carsten Spallek hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die bedeutsamen Veränderungen seinen Bezirksverordneten bekannt geben müssen, die danach einen Wechsel des Vorhabenträgers und eine Veränderung im laufenden, noch nicht abgeschlossenen Bebauungsplanverfahren I-64 hätten vornehmen müssen.
Zu diesem Zeitpunkt mußte auch jedem rechtskundigen Amtsträger längst klar gewesen sein, welche illegalen Regelungen durch den immobilieneigner (handelnde Person Henrik Thomsen) im städtebaulichen Vertrag eingepflegt und „oktroyiert“ worden waren. Denn bereits am 7.11.2012 wurde hier auf das gesetzlich geltende Koppelungsverbot hingewiesen.
Die Aufstellung des „vorhabenbezogenen Bebauungsplans 1-64a VE (Wohngebiet am Mauerpark)“ steht in einem engen thematischen Zusammenhang mit dem bislang nicht formell aufgehobenen oder geänderten Bebauungsplan I-64.
Verfahrensrechtlich ist somit der nun ausliegende „vorhabenbezogenen Bebauungsplans 1-64a VE“ ein nach §13 BauGB im Vereinfachten Verfahren laufende „Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans I-64“.
Doch ausgerechnet hier ist das Baugesetzbuch ein wirksamer Hebel, um das laufende Auslegungsverfahren grundsätzlich in Frage zu stellen:
„Werden durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt …“ so wäre das Verfahren zulässig. Doch für die gesamte Fläche des Mauerparks gelten auch die „Grundzüge der Planung“, nämlich der Berliner Flächennutzungsplan und das zu seiner Aufstellung führende Landschaftsprogramm 1994, mit seinen stadtklimatischen und naturräumlichen Festlegungen.
Die auf mehreren Ebenen vollzugenen Rechts- und Verfahrensfehler verletzen grundlegende Rechte im Baurecht, Verwaltungsrecht und im Recht der kommunalen Selbstverwaltung, die nicht durch Planänderung oder Abwägung zu heilen sind.
Die Geltung des neuen „§ 214 BauGB: Beachtlichkeit der Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen; ergänzendes Verfahren“ wird sich deshalb nicht als gangbarer Ausweg für einen dennoch zu volziehenden Planaufstellungsbeschluß erweisen. Sollte dennoch der Versuch unternommen werden, die „erdrückende Beweislage“ für Rechtsverstöße „wegzudiskutieren“, ist ein Normenkontrollantrag praktisch zwingend.
Bürgerbeteligung als Theaterkulisse
Mit dem klandestinen Vorhabenträgerwechsel und dem auf Profitmaximierung ausgelegten Bebauungsplan-Entwurf wird im Nachhinein die gesamte Bürgerbeteiligung zum Mauerpark in Frage gestellt, und nachträglich zur „Theaterkulisse“ degradiert.
#Die Kompromißbereitschaft der Freunde des Mauerparks, die anfänglich einer Teilbebauung im Rahmen der Bürgerwerkstatt zugestimmt hatten, wurde ausgenutzt und zur Seite gelegt, ohne irgendwelche Absprachen und Abwägungen zu berücksichtigen.
Insbesondere Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) muß sich auch intellektuelle Unredlichkeit vorwerfen lassen, wenn nicht sogar noch Parteinahme, Begünstigung und strafbares Handeln, vor allem Rechtsbeugung im Spiel sind.
Auch die anderen im Rahmen der Bürgerbeteiligung aktiv gewordenen Interessengruppen wie der Bürgerverein Gleimviertel e.V., die Stiftung Weltbürgerpark e.V. und vor allem der ehemalige Stadrat Dr. Michail Nelken (Linkspartei) müssen sich selbstkritisch befragen, wieso sie am „Mauerpark-Theater“ über Jahre hinweg nur „performative Sprechakte und politische Narrative“ publiziert haben, und die „unzureichende Erschließung“ und wichtige „Rechts- und Verfahrensfehler“ übersehen konnten.
Provokant gefragt: hat die Form von Bürgerbeteiligung und Bürgerprotest erst jene Kulisse erzeugt, hinter der grundlegende Verfahrensfehler und Rechtsverstöße erst möglich wurden? Wurden die Bezirksverordneten in Berlin-Mitte „zugetextet“ und in einen „Abnickverein verwandelt?“ Müssen Stadträte und Bezirksverordnete vielleicht auch Nachhilfeunterricht bei der Verwaltungsakademie Berlin nehmen?
Stadtentwicklung und Duodezfürstentum CA Immo AG?
Die fast schon freundschaftliche politische Verbindung zwischen dem ehemaligen Stadtentwicklungssenator Michael Müller und dem ehemaligen CA Immo-Manager Henrik Thomsen wirft noch einige grundsatzpolitische Fragen auf.
Ist und war die Stadtentwicklungspolitik unter Müller und dessen Urteilsfähigkeit dem Gemeinwohl verpflichtet? Oder haben hier am Beispiel Mauerpark zwei Amtsträger im Stil zweier Landvögte eines Duodezfürstentums Rechtsgeschäfte zu Lasten der Allgemeinheit getätigt?
Die Nichtwahrnehmung des Vorkaufsrechtes oblag auch dem Handlungsbereich des ehemaligen Stadtentwicklungssenators, der zum gleichen Zeitpunkt der Vertragsverhandlung mit der CA Immo AG über millionenschwere Rücklagen für Ausgleichsmaßnahmen verfügt, die bei der Stiftung Naturschutz Berlin und der eigens gegründeten Stiftung Grün Berlin geparkt sind.
Ein Stadtentwicklungssenator, der von einem „Solidarischen Berlin“ redet, und sich zum selben Zeitpunkt mit einer teuren Maßnahme zum Naturschutzausgleich befasst, und Amphibien nach Märkisch-Oderland verfrachten lässt.
Zudem ein Stadtentwicklungssenator, der sich vor Parteifreunden öffentlich um die Amtsnachfolge von Klaus Wowereit bewarb, und allen Ernstes in einem einzigen Satz: „Mehr Wohnungen und mehr Grün!“ versprach, und von Nachverdichtung in der Innenstadt redete. Ein „politischer Sprechakt, mit dem man Parteifreunden das „grüne vom Himmel“ versprechen kann, aber Architekten und Stadtplanern und Baurechtler nicht!
In der Gesamtwertung der bisher beanstandeten Vorgänge wächst die strategische Frage heran: „Haben wir es am Mauerpark mit einem performativen Verfahren zu tun, das aus konzeptioneller Kumpanei in der Wohnungspolitik, planungsrechtlicher und fachlicher Inkompetenz und mangelnden Rechtsbewußtsein gespeist wird?
Vor allem: hat die Metropole Berlin nicht auch eine Senatsbaudirektorin, die über Grundlagen und Grundätze der Planung und Planungsvorsorge – wie etwa die Olympiaplanung nachdenken muß?
Gibt es keine verwaltungsinternen Korrektive mehr? War am Mauerpark „Alles Müller? Thomsen? Oder was?
Kann es sich eine Metropole Berlin leisten, wenn an wichtigen Schlüsselgrundstücken der Innenstadt-Entwicklung Amtsträger „schlampig, klandestin, rechtsstaatswidrig und kriminell“ handeln? Haben wir es hier u.U. mit einer vergleichbaren Dimension wie mit dem „Garski-Skandal“ im Jahr 1980 zu tun?
Vor allem aber: kann sich Berlin eine Olympia-Bewerbung erlauben, in der wichtige Befürworter eine einmalige städtebauliche Chance mit einem nicht rechtskonformen Planverfahren „zubauen“ wollen?
Weitere Informationen:
Fachaufsichtsbeschwerde FAB #2
Der vorliegende Beitrag wird in Kurzform als Fachaufsichtsbeschwerde FAB #2 an die Bezirksaufsicht beim zuständigen Berliner Innen- und Sportsenator übermittelt.
Fachaufsichtsbeschwerde FAB #3
Die geplante Fachaufsichtsbeschwerde FAB #3 hat aufgrund der nun ausgelegten Pläne noch neue, unerwartete „Nahrung“ erhalten, und wird am 23.2.2015 veröffentlicht.
Katalog „qualifizierte Einwendungen“
Ein Katalog mit Hinweisen zu möglichen Einwendungen gegen die ausliegenden Planunterlagen (auf Basis von Rechtsnormen und Plangrundlagen) ist in Vorbereitung. Dieser kann ab 24.2.2015 gegen Gebühr von 10 € angefordert werden.
Beweiserhebliche Fakten zu einem späteren Normenkontrollverfahren
Beweiserhebliche Fakten für ein mögliches Normenkontrollverfahren wie „amtliche Dokumente, Links, Fotos, Protokolle“ und Pläne
werden zusätzlich von der Redaktion gesammelt, um im Fall eines Aufstellungsbeschluß wirksame Normenkontrollklage führen zu können.
Musterklage-Verfahren und Verfassungsklageverwahren
Interessierte Fachanwälte für Planungs-, Bau- und Verwaltungsrecht und verwandte Rechtsgebiete können sich für den digitalen
Info-Pool bewerben, der zur Vorbereitung von Normenkontroll- und Musterklagen vorbereitet wird.
PLattform: www.slack.com – monatliche Teilnahmegebühr).
Nähere Informationen: redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de