Dienstag, 19. März 2024
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GEMA unter Veränderungsdruck

Protest gegen GEMA-Gebühren

Die Auseinandersetzungen um die geplanten Gema-Tarife 2013 haben auch bei der GEMA Spuren hinterlassen. Erstmals in ihrer Geschichte steht die Organisation unter hohen öffentlichen Druck. Am 6.9.2012 wird ein bundesweiter Protesttag veranstaltet.
Unter dem Motto „STOPPT die GEMA Tariferhöhung 2013!“ wird am 06.09.2012 ab 14 Uhr zu einer Demonstration aufgerufen.

Stoppt-die GEMA-Tariferhöhung 2013
6.9.2012 – Protest gegen GEMA-Tariferhöhung. Grafik: Gerhard Seyfried & Ziska

Start der Kundgebung ist in der Keithstr. 7 , in Nähe des Wittenbergplatz. Ab 17 Uhr geht ein Demonstrationszug über Tauentzien, Ku-Damm zum Adenauer Platz und zurück! Der Demonstrationszug wird von mehreren Musikwagen und rollenden Diskos begleitet.

Im August hatten sich alle Anti-GEMA Initiativen und Musikverbände in Dortmund zu dieser bundesweiten Protestkundgebung gegen die GEMA Tariferhöhung 2013 verabredet. Der Kampf gegen die GEMA-Tariferhöhung geht damit in die nächste Runde.

Die GEMA steht selbst unter hohen Druck und hat ihre Öffentlichkeitsarbeit intensiviert. Der frühe Tod des erst im Juni 2012 ins Amt gewählten stellvertretenden Aufsichtsratsmitglied Rudy Holzhauer um 22.August 2012 mag ein Zufall sein, aber sein hoher Einsatz für die Belange der Urheber und seine stets klare Haltung in der öffentlichen Diskussion um den Schutz des geistigen Eigentums hatten ihn sicher auch viel Kraft und Tribut gefordert. Es ist eine traurige Randnotiz – die in einer spannungsgeladenen Situation nicht unerwähnt bleiben soll.

Neben dem massiven Protest von Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA e.V) und den Musikverbänden muss sich die GEMA auch mit einem Urteil des Landgerichts München auseinandersetzen, das die Aufteilung von Urhebervergütungen und Verlagsanteilen grundsätzlich in Frage stellt.
Die GEMA hat deshalb die GEMA-Verteilungen , einschließlich der Verteilung zum 1. Juli 2012, geändert. Diese werden bis auf Weiteres nur vorläufig und unter dem Vorbehalt einer Korrektur unter Berücksichtigung des Ausgangs des oben genannten Rechtsstreits der VG WORT vorgenommen.
Ferner hat die EU-Kommission im Juni eine Richtlinie für Verwertungsgesellschaften in Europa vorgestellt. Diese betrifft die „kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt“ – und wird absehbar noch erheblichen Diskussionsbedarf hervorrufen, bevor sie politisch abgesegnet und umgesetzt wird.

Die Forderungen nach mehr Transparenz bei der Verteilung der Musikausschüttungen haben auch ein konkretes Ergebnis gezeitigt.
Aufsichtsrat und Vorstand der GEMA haben in der Mitgliederversammlung 2012 in der Kulturbrauerei einen Vorschlag für eine grundlegende Neuordnung der Verteilung im Live-U-Bereich zur Abstimmung gestellt. Mit dem Tarifwechsel 2013 soll im Bereich Unterhaltungsmusik eine inkassobezogene Abrechnung („INKA“) eingeführt werden.
INKA wurde mit mehr als drei Viertel der Stimmen der ordentlichen Mitglieder und Delegierten angenommen und wird erstmalig für die Abrechnung des Geschäftsjahres 2013 im Jahr 2014 verwendet werden.
Mit dem neuen Abrechnungsverfahren INKA wird angestrebt, in der Sparte U einen direkten Bezug zwischen Veranstaltungsinkasso und der Ausschüttung für die in den Veranstaltungen aufgeführten Werke herzustellen. Die GEMA will damit dem Wunsch vieler Mitglieder nach einer leichteren Nachvollziehbarkeit der GEMA-Ausschüttungen nachkommen.

Eine weitere Veränderung zeichnet sich in der Terminfolge ab. Der neue GEMA-Tarif sollte mit dem 1. Januar 2013 in Kraft treten – nunmehr wird eine Verschiebung auf den Stichtag 1.4.2013 avisiert.
Hintergrund ist das offene Schiedsverfahren bei der Aufsichtsbehörde, dem Deutschen Patent- und Markenamt – das kaum bis Ende 2012 abgeschlossen werden kann.

Zudem hat die GEMA selbst einen Präzedenzfall geschaffen: Die Tarifeinigung mit den Karnevalsvereinen gilt aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes für alle Tarifpartner. Die Karnevalisten haben sich quasi still und heimlich eine für sie akzeptable Lösung ausgehandelt, die aber erst erst nach Ablauf der nächsten Faschingssaison am 1.4.2013 in Kraft tritt.
Interessant: Die geplanten Zeitzuschläge werden in dem Karnevalstarif-Vertrag erst ab der neunten Stunde erhoben – nicht schon nach der fünften Stunde..
Gema-Sprecherin Katharina Reindlmeier betonte dazu bereits öffentlich, „… dass der Vertrag mit den Karnevalisten unter Dach und Fach sei und “für alle gilt”. Das gebiete schon der “Gleichbehandlungsgrundsatz”, dem die Gema verpflichtet sei. Also seien auch die Clubbetreiber und Diskothekenbesitezr Nutznießer des Verhandlunsggeschicks der Narren. Gleichzeitig wolle man diese erfreuliche Botschaft aber mit der Bitte verknüpfen: “Verhandelt mit uns!” Es sei immer noch Zeit und Bereitschaft für Nachverhandlungen vorhanden. Dazu müsse aber beispielsweise der Hotel- und Gaststättenverband seine Verweigerungshaltung aufgeben.“

Die neue Position der GEMA zeichnet sich in der am 31.7.2012 veröffentlichten Hintergrundinformation „Die neuen Veranstaltungstarife der GEMA – Hintergründe, Status, Ausblick“ ab.

Auch zeichnet sich eine veränderte Position der GEMA bei der „Tariflinearisierung“ ab. Die Grundpositionen:

– Berechnungsgrundlage: Grundfläche und Eintrittsgeld.
– Die Vergütung für die Nutzung von Musik beträgt maximal 10 % der Einnahmen aus Eintrittsgeldern.
– Etwa 60 % der Einzelveranstaltungen werden z. T. erheblich günstiger oder kosten genauso viel wie bisher
– Die GEMA gewährt Nachlässe, so bspw. 15 % für soziale, religiöse und kulturelle Veranstaltungen, die keine wirtschaftlichen
Ziele verfolgen. 20 % Nachlass bekommt jeder Gesamtvertragspartner und nochmals 10 % bei Abschluss eines Jahresvertrags und mehr als 16 Veranstaltungen pro Jahr.

Interessant: das Wort „Zeitzuschläge“ ist in der Information nicht mehr enthalten – inwieweit diese künftig eine Rolle spielen – ist aktuell nicht mehr genau erkennbar. Nimmt man den Karnevals-Tarif – so wären Zeitzuschläge erst nach der neunten Stunde fällig.
Die GEMA hat zwischenzeitlich auch an anderer Stelle reagiert: Seit Mitte August 2012 ist auf der Internetseite der GEMA ein offener Tarifrechner freigeschaltet, der ohne „persönliches Log-In“ Auskunft gibt. Die alte Version gab ihre Daten erst nach Angabe der Adressdaten preis. Der neue Tarif-Rechner berechnet die GEMA-Gebühr nach stundengenauer Zeitangabe. Inwieweit hier die strittigen „Zeitzuschläge“ in der Berechnung versteckt werden, kann man nun anhand von konkreten Vergleichs-Eingaben herausfinden. Jeder Veranstalter, Diskotheken- und Clubbesitzer ist daher gut beraten, konkret neu nachzurechnen!

Wie lange der Streit zwischen Musikverbänden und Clubbesitzern noch weiter geht, ist noch nicht absehbar – in jedem Fall gerät die GEMA noch von anderer Seite unter Druck: Im selbst Musikmarkt bildet sich eine Konkurrenz heraus:

Seit August 2013 ist die Initiative C3S gestartet – und strebt die Anerkennung als Verwertungsgesellschaft an.

Das Konkurrenzinstitut für musikalische Urheberrechte soll die „Cultural Commons Collecting Society“ (C3S) werden. Künstler und Aktivisten, davon mehrere aus dem Verein OpenMusicContest.org, streben die Zulassung als Verwertungsgesellschaft beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) an.
Wenn die Mitgliedschaft in der Cultural Commons Collecting Society eine kritische Masse übersteigt, kommt sogar die Abschaffung der juristischen GEMA-Vermutung in Betracht.
Dafür benötigt die Organisation bis zur für Spätherbst 2012 geplanten Gründung und bis zum für Anfang 2013 geplanten DPMA-Antrag eine breite Interessentenbasis.

Fazit: Protest und Auseinandersetzungen um die GEMA-Tarife haben schon einiges erreicht: auch die GEMA verändert sich und muss sich zum Teil neu erfinden. Gleichzeitig rückt das Thema Urheberrechte immer mehr in den politischen Mittelpunkt.

Die Politik hat aber noch Nachholbedarf – sich Kenntnisse zu verschaffen und ein sozial ausgewogenes und ordnungspolitisches Konzept zu formulieren. Es geht um zentrale Fragen kreativer volkswirtschaftlicher Wertschöpfung – um die Basis der Kreativ- und Kulturwirtschaft – und um eine erste „moderne nachindustrielle Tarifauseinandersetzung“.

Urheberrechte, Urhebervergütungen und die damit verbundene Tarif- und Kostenstrukturen für Nutzer und Veranstalter bilden ein „volkswirtschaftliche Betriebssystem“ für die Musik- und Kulturwirtschaft.
Es schafft zugleich die wichtigste ökonomische Grundlage für das künstlerisch-schöpferische Individum, für Komponisten, Musiker und Musikprodzenten.
Komponisten, Musiker und Musikprodzenten und Verwertungsgesellschaften befinden sich mit Musiknutzern und Kulturveranstaltern in einem fein austarierten System.
Es ist daher unerläßlich und selbstverständlich – wenn dieses „kulturwirtschaftliche Betriebssystem“ im Bereich der Musikrechte, Gebühren und Vergütungen künftig transparenter und gerechter gestaltet werden muß. m/s

m/s