Montag, 07. Oktober 2024
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GESOBAU auf Erfolgskurs?

GESOBAU AG - Geschäftsstelle Stiftsweg in Pankow

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU AG ist besondern in Pankow und Reinickendorf aktiv, und engagiert sich hier nicht nur städtebaulich, sondern auch im kulturellen und soziokulturellen Bereich. Gleichzeitig rückt das Unternehmen mit seiner Sanierungspolitik in die Kritik. Wie passt das zusammen?

GESOBAU AG - Geschäftsstelle Stiftsweg in Pankow
GESOBAU AG – Geschäftsstelle Stiftsweg in Pankow

„GESOBAU weiter auf Erfolgskurs“ – so war die Pressemeldung im Frühjahr 2014 überschrieben, mit der die Gesellschaft ihren Geschäftsbericht vom Vorjahr 2013 öffentlich präsentierte.

Die Schlagzeilen: „Moderate Mieterhöhungen, niedriger Leerstand und weiterhin sehr hohe Investitionen in die Bestände bei einem der größten Berliner Wohnungsunternehmen“.

Bilanz und Einzelheiten aus dem Jahr 2013

„Die kommunale GESOBAU AG erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2013 einen Bilanzgewinn von 8,4 Mio. Euro (Vorjahr 2012: 8,2 Mio. Euro). Die Durchschnittsmieten im Bestand wurden moderat um 0,16 €/m² auf 5,10 €/m² erhöht. Der GESOBAU ist es trotz sehr umfangreicher Modernisierungstätigkeit wiederum gelungen, die durchschnittliche Leerstandsquote und damit einhergehend die Erlösschmälerungen zu senken. Der Wohnungsleerstand lag mit 4,4 % um 0,6 Prozentpunkte unter dem des Vorjahres. Für die energetische Modernisierung und Instandhaltung investierte das Unternehmen 122,0 Mio. Euro wertsteigernd in seine Immobilienbestände; rd. 2.400 Wohnungen wurden fertiggestellt.“

In der Pressemeldung zu ihrem Geschäftsbericht wird auch der Vorstandsvorsitzende der GESOBAU AG, Jörg Franzen, ausführlich zitiert:

„Die GESOBAU ist nachhaltig zukunftsfähig aufgestellt: Unser Kerngeschäft, die Vermietung und Bewirtschaftung der eigenen Immobilienbestände, hat sich wiederum sehr positiv entwickelt. Der Gesamtumsatz der GESOBAU 2013 stieg um 2,6 % auf 228,0 Mio. €. Gleichzeitig sanken die Aufwendungen der Hausbewirtschaftung um 3,9 % auf 152,5 Mio. €. Erheblich gestiegene Hausbewirtschaftungsergebnisse sind Resultat effizienter Prozesse und Strukturen, die wir in den vergangenen Jahren überall im Unternehmen implementiert haben. Unsere strategische Ausrichtung auf eine intensive Bestandsentwicklung sorgt für nachhaltiges Wachstum und eine positive Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.“

Gesamtschau der Geschäftsentwicklung

In dem Bericht wird auch auf die Gesamtentwicklung abgehoben – und natürlich spielt auch das „Märkische Viertel“ im Pankower Nachbarbezirk Reinickendorf eine wichtige Rolle, das 2014 sein 50-jähriges Jubiläum begeht:

„Motor der guten Geschäftsentwicklung der GESOBAU ist auch die Erfolgsgeschichte der Großwohnsiedlung Märkisches Viertel. Hier investiert das Unternehmen seit 2008 und noch bis Ende 2015 rund 560 Mio. € in die energetische Modernisierung und Bestandsentwicklung. 9.400 von 13.000 Wohnungen waren zum Jahresende fertiggestellt. Der modernisierte Bestand ist sehr gut vermietet (Leerstand: 1,88%), was der Erlösseite zugute kommt. Grundlegend für diesen Erfolg ist ein nachhaltiges Entwicklungskonzept für das Märkische Viertel, das sowohl wirtschaftliche als auch ökologische und soziale Faktoren umfasst.“

Viele Beschäftigte – hoher Frauenanteil

„Zum Bilanzstichtag beschäftigte die GESOBAU 274 Mitarbeiter bei einem Frauenanteil von 64,6 Prozent.“

Auch in Ausbildung investiert das Unternehmen: „Mit einer Auszubildendenquote von rund 12 % investiert das Unternehmen intensiv in Nachwuchskräfte. 33 Auszubildende und Studierende werden im Unternehmen zu Immobilien-, Büro- und Veranstaltungskaufleuten sowie im dualen Studiengang zum Bachelor of Arts mit Fachrichtung Immobilienwirtschaft ausgebildet. 9 von 14 Auslernern (64,3 %) wurden 2013 in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mit diesem Engagement bei der Ausbildung junger Menschen sichert sich das Unternehmen den Zugang zu gut ausgebildeten Nachwuchskräften.“ – so die GESOBAU AG in ihrer Meldung.

Kennzahlen zum Geschäftsjahr 2013 (per 31.12.)

Die GESOBAU präsentierte dabei auch die für sie wichtigsten Kennzahlen zum Geschäft. Die Umsatzerlöse lagen auf etwa gleichen Niveau wie im Vorjahr (2012 228,0) und 222,3 Mio. € 2013.

Der ausgewiesene Bilanzgewinn lag 2012 bei 8,4 Mio. € und 2013 bei 8,2 Mio. €. Der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeitsank leicht ab ( 77,2 Mio. € 2012) auf 67,8 Mio. €.

Das Anlagevermögen beträgt 1.173,1 Mio. € (1.199,6 – 2012). Die Eigenkapitalquote liegt 2013 bei 287,5 Mio. € (295,9 Mio. € 2012). Damit hat sich die Eigenkapitalquote leicht von 21,9 % auf 21,6 % verringert.

Die Schwankungen in den Geschäftszahlen sind in der Gesamtschau Ausdruck einer stabilen Entwicklung, die durch Neubau, Rückbau und durch Abschreibungen und andere wertändernde Faktoren beeinflusst ist.

Die Anzahl verwalteter eigene Wohnungen stiegt von 37.060 (2012) auf 37.134 im Jahr 2013.

Positiver Ausblick auf das Jahr 2014

In der Meldung zum Geschäftsbericht folgte auch ein positiver Ausblick auf das Geschäftsjahr 2014, der hier nochmal im Vollzitat wiedergegeben wird.

Christian Wilkens, Vorstand GESOBAU AG: „Wir beschäftigen uns seit 2010 intensiv mit dem Thema Neubau. Wir sehen unseren Hauptentwicklungsmarkt im Bezirk Pankow, wo bereits die Hälfte unserer Wohnungsbestände liegt und wir den höchsten Zuwachs an Einwohnern erwarten. Uns stehen in Pankow eigene Bau- und Entwicklungsgrundstücke zur Verfügung, außerdem haben wir in 2013 Grundstücke vom Liegenschaftsfonds übernommen und von einem Projektentwickler ein schlüsselfertiges Mietwohnungs-Neubauprojekt erworben. Auf den Grundstücken planen wir von der Hinterhofbebauung oder dem Lückenschluss mit wenigen Wohnungen bis zu einem größeren Areal mit neuen Mobilitäts- oder Wohnkonzepten bis 2018 mindestens 1.000 Wohnungen neu zu errichten.“

Auch die obligatorische Selbstschau als Unternehmen durfte bei der Pressemeldung nicht fehlen:

„Die landeseigene GESOBAU AG bewirtschaftet auch in Tochtergesellschaften einen Bestand von rund 40.000 eigenen Wohnungen, vornehmlich im Berliner Norden. Die 60er-Jahre-Großsiedlung „Märkisches Viertel“, die zurzeit zur Niedrigenergiesiedlung umgebaut wird und 2014 ihr 50. Jubiläum begeht, ist ihre markanteste Einzelbestandsmarke. Die GESOBAU engagiert sich nachhaltig für gute Nachbarschaften in ihren Quartieren, unterstützt Bildungsinitiativen und Schulen und wirkt auf die sozialräumliche Integration aller Menschen hin, die in ihren Beständen leben. Für ihre gesamte Unternehmenstätigkeit, die wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung und dem schonenden Umgang mit der Umwelt verbindet, wurde sie 2012 unter „Deutschlands Beste“ gewählt, einem Unternehmenswettbewerb von PriceWaterhouseCoopers und der Welt-Gruppe.“

Was wird nicht erwähnt?

Für Pankower Mieter und für die Kommunalpolitik bedeutsame Fakten wurden bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2013 nicht erwähnt, oder besonders benannt.

Die GESOBAU AG hat aufgrund von Geschäften der Vergangenheit hohe Verbindlichkeiten angehäuft, die mit rund 912 Mio. € Verbindlichkeiten bei Banken eine ganz beachtliche Dimension erreicht haben. Angesichts eines Jahresgewinns von nur rund 8,2 Mio. € würde es rund 146 Jahre dauern, um die Verbindlichkeiten abzulösen. Eine immense Zahl, die zeigt, vor welchen Herausforderungen nicht nur die GESOBAU AG, sondern auch die Berliner Wohnungsbaupolitik insgesamt steht.

Die GESOBAU AG weist die geringsten Schulden aller Berliner Wohnungsbaugesellschaften aus – und steht dennoch unter einem hohen finanziellen Druck, den natürlich die Bestands- und Neumieter irgendwie durch Mehreinnahmen entlasten müssen.

Pankower Mieterprotest gegen GESOBAU AG

Ebenfalls nicht erwähnt wurde der Protest gegen die geplante Sanierungspolitik der GESOBAU AG, die auch als „energetische Sanierung“ bezeichnet wird, obwohl gar nicht sicher ist, ob Energie gespart wird.
Die Bemessungsregeln für die teure Wärmedämmung werden nämlich nicht nach dem Energieverbrauch, sondern nach dem „Energiebedarf“ bemessen, für ein „ideales Gebäude“, das zu 100% in den Hüllflächen gedämmt ist, und ständig Komforttemperatur im Wohnraum sichert.

Die energetische Sanierung wirft viele Fragen auf, und das in den Sanierungsankündigungen eingepreiste Mietniveau überfordert schlichtweg viele Mieter.

Im Frühjahr 2013 gründete sich das „Bündnis Pankower Mieterprotest“ und entfaltete schnell eine druckvolle Kampagne, die sich gegen die geplante Sanierungspraxis wendete.

Die Pankower Allgemeine Zeitung nahm im März 2013 das Thema auf, und hat einige Aspekte der Auseinandersetzung in Beiträgen aufgegriffen.

In vielen Gespräche, Vorlagen und in mehreren Entschließungen der Pankower Stadtverordnetenversammlung wurde das strittige Thema behandelt und verhandelt. Die Auseinandersetzung führte schließlich zu einem Pilotvorhaben, in dem die GESOBAU AG erstmals der Beteiligung einer neutralen Mieterberatung zustimmte.

Ein weiteres Ergebnis war die „Öffentlich-rechtliche Vereinbarung zum sozialverträglichen Ablauf geplanter Modernisierungen in Berlin Pankow vom 11. Februar 2014“, in der die GESOBAU AG einer Kappung der Mieten vereinbarte.
Demnach wird bei energetischen Sanierungen für Mieter mit geringen Einkommen die Miethöhe auf 30% des Nettoeinkommens „gekappt“.

Die Auswirkungen des Pankower Mieterproteste wurden nicht gesondert in dem GESOBAU-Geschäftsbericht 2013 vermerkt – doch dürften die Auswirkungen von Baustopps, Planänderungen und Bauverzögerungen mit einer siebenstelligen Zahl mit in die Bilanz eingegangen sein. Genauere Zahlen über den Kurswechsel liegen sicher erst im Geschäftsbericht 2014 vor.

Finanzpolitik, wohnungspolitischer Hintergrund und Herausforderungen 2030

Die Geschäftsführung der GESOBAU AG steht damit unter hohen Druck von immensen Verbindlichkeiten. Wohnungspolitisch sind die hohen Verbindlichkeiten eine schwere Hypothek, weil die mieterverdrängende Preispolitik finanzpolitisch notwendig ist – und wenigen Gestaltungsspielraum beläßt.

Doch die Geschäftsführung der GESOBAU AG muß sich (wie alle landeseigenen Gesellschaften) andererseits gegenüber dem Finanzsenator und dem Beteiligungsmanagement behaupten, das längst über Alternativen in der Struktur der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Gedanken und Pläne macht.

Extrem: die IHK-Berlin hat etwa eine „Verschmelzung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften“ als Sparidee ins Spiel gebracht. In einem Konzeptpapier „Berliner Haushaltspolitik 2020 – Den kurs jetzt festlegen! Vorschläge der iHk Berlin zur sanierung des Berliner Haushaltes“ heißt es:

„In dem Zusammenhang gehört auch eine rechtliche Verschmelzung der sechs Wohnungsbaugesellschaften auf bis zu eine Gesellschaft auf den Prüfstand. Dadurch könnten u. a. Doppel- und Mehrfachstrukturen im Management, Marketing und bei den allgemeinen
Verwaltungsdiensten abgebaut und dadurch nach eigenen Berechnungen Einsparungen von mindestens 10 % des Personalaufwandes erzielt werden.“

Die landeseigenen Wohnungsgesellschaften würden sich selbst abschaffen, wenn der finanzpolitisch vorgegebene „Sparkurs“ alleinig weiter den „Erfolgskurs“ definiert.

Baustopp bei der GESOBAU AG in der Hallandstr. / Trelleborger Str.
GESOBAU: Sanierungsvorhaben Hallandstr./Trelleborger Str. im Frühjahr 2013

Zukunftsherausforderung neuer Städtebau bis 2030

Spar-Ideen sind allerdings vor dem Hintergrund eines neuen bemerkenswerten Stadtwachstums etwas zu kurz gedacht. Berlin braucht nicht nur „Wohnungen“, sondern auch Arbeitsplätze – und neuen, nachhaltigen und sozialen „Städtebau“.

Die Deregulierung der Bau- und Wohnungsaufsicht und die Personalnot in den Bauämtern stellt Berlin eigentlich vor eine ganz anderen Herausforderung:

Berlin braucht auch mehr „städtebauliche Qualität“, mehr sozial ausgewogenen Städtebau – und mehr „qualitative Architektur- und Bauentwürfe“ für eine wachsende und kreative Stadt. Ohne Kompetenz und ohne städtebaulichen Blick ist das nicht zu haben.

Die vielen abschreckenden Beispiele von „gewinnmaximierender Investoren-Architektur“ in der Stadt mahnen längst.

Wohnhausgruppe 908 - Eichhorster Weg
Märkisches Viertel bei Nacht – Wohnhausgruppe 908 – Eichhorster Weg – Foto: GESOBAU AG

Neuer intelligenter Erfolgskurs in einer wachsenden Stadt?

Doch wer sollte diese neue „Städtebaupolitik in Berlin“ umsetzen? Sollen das überschuldete landeseigene Gesellschaften übernehmen? Oder muß man diese erst entschulden und dann neu handlungsfähig machen? Oder geht alles zusammen?

Besonders spannend: Berlin und jede einzelne landeseigene Wohnungsgesellschaft stehen eigentlich vor genau der gleichen Herausforderung:

„Wachsen, Sparen – Entschulden und Gestalten!“

Sozial-Liberal

Unerwartete Synergien und kreative Potentiale ließen sich durch eine Abkehr von bisher konventioneller Wohnungspolitik und Liegenschaftspolitik erreichen! Wohnen als Geschäftszweck ist nicht genug!

Die intelligente Lösung könnte darin liegen, landeseigene Wohnungsgesellschaften zu „Stadtentwicklungsgesellschaften“ weiter zu entwickeln, die auch Gewinne und Wertschöpfung bei der Entwicklung von landeseigenen, gewerblichen und industriellen Nutzungen einsetzen können, um die Entschuldungsproblematik in den Griff zu bekommen.

Die geplante Auflösung des Berliner Liegenschaftsfonds könnte so noch einen gesamtstädtischen sozialen Nutzen bringen – und der Wohnungspolitik neuen Spielraum schaffen – für soziale Wohnbaupolitik, ohne immense Ausweitung der Subjektförderung.

Weitere Informationen:

www.gesobau.de

GESOBAU AG – Geschäftsbericht 2013

Sanierungsdruck auch bei der GESOBAU – 1.3.2013 – Pankower Allgemeine Zeitung

Hinweis:
Dieser Beitrag eröffnet eine Artikelreihe zur Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik und entwickelt Ideen und Aspekte für eine neue „sozialliberale“ Stadtentwicklungspolitik bis 2030, die Synergien nutzt und öffentliche und private Ressourcen vernetzt und orchestriert.

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