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Gewerbeflächenkonzept 2015

Gewerbepark Pankow - Pankstraße

Am Donnerstag, dem 15.1.2015 um 19:30 Uhr tagen der „Ausschuss für Wirtschaft, Gleichstellung und Städtepartnerschaften“ und der „Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen“ gemeinsam öffentlich im BVV-Saal. Auf der Tagesordnung steht die „Vorstellung der Gewerbeflächenkonzeption“ für den Bezirk Pankow.

Gewerbepark Pankow - Pankstraße
Gewerbepark Pankow – Pankstraße – früher Lederfabrik – heute Gewerbepark – Foto: ORCO

Die „Gewerbeflächenkonzeption zur Stärkung regionaler Wachstumspotenziale für den Bezirk Pankow“ wurde im Auftrag des Büro für Wirtschaftsförderung (Bezirksamt Pankow von Berlin Abteilung Finanzen, Personal und Wirtschaft) ausgeschrieben und beauftragt, und untersteht dem unmittelbaren Verantwortungsbereich von Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). Der Projektantrag steht im Internet und kann so unmittelbar nachgelesen werden – Link .

Konservative Aufgabenstellung

Die Aufgabenstellung des Gewerbeflächenkonzeptes ist „konservativ“ gefasst (O-Zitat):

„Die Entwicklung von Handlungsoptionen setzt eine Kenntnis über die Entwicklungsszenarien am Standort voraus. Zu den relevanten Faktoren gehören in diesem Zusammenhang die Planungen und Konzepte der öffentlichen Hand einerseits sowie die konzeptionellen Ideen und Verwertungsüberlegungen der jeweiligen Grundstückseigentümer.
Der zweite Aufgabenbereich umfasst daher die Analyse von bereits vollzogenen Entwicklungen sowie die Zusammenfassung von Plänen und Konzepten zu einem perspektivischen Entwicklungsszenario.“

Man beachte die Reihenfolge: „Planungen der öffentlichen Hand“, „Verwertungsüberlegungen der Grundstückseigentümer“. Damit ist der Anspruch an die „Gewerbeflächenkonzeption zur Stärkung regionaler Wachstumspotenziale für den Bezirk“ wenig zukunftsfest, denn Wachstumspotentiale der Wirtschaft und wichtige strukturelle Trends der Wirtschaftsentwicklung bleiben außer Betracht.

Die Gewerbeflächenkonzeption bleibt daher in einer typischen „Raumordnungssprache“ und im „Planerdeutsch“ hängen. Die „Stärkung“ bleibt im „Ungefähren“, und man könnte meinen, die Bereithaltung von Gewerbeflächen sei bereits die Gesamtaufgabe der Wirtschaftsförderung.

Textprobe: „Durch mobilisierbare Potenziale für großflächige Neuansiedlungen nördlich von Buchholz, den Ausbau des Gewerbegebietes Schönerlinder Straße, die Nutzung der Flächen des Rangierbahnhofs Pankow sowie die Entwicklung des Standorts Buch als Biotechnologieschwerpunkt entstehen für den Nordostraum Perspektiven als Arbeitsort.“

Fehlende Zukunftsfestigkeit der „Gewerbeflächenkonzeption zur Stärkung regionaler Wachstumspotenziale“

Zukunftsaufgaben der Wirtschaftsentwicklung, Schwerpunktsetzung und strategische Förderinitiative fallen offenbar in Pankow nicht in den Aufgabenbereich der Gewerbeflächenentwicklung. Auch wird keine methodische Ausarbeitung von Leitbildern und Schwerpunkten beaufragt. Stattdessen wird auf zufällige Befragungen einzelner Akteure gesetzt – eine in Pankow tradierte und überaus fragwürdige Praxis, weil sie nicht zureichend ist, um die Zukunft eines wachsenden 400.000 Einwohner-Bezirkes auch nur annähernd zu erfassen.

Wichtige Ansprechpartner wurden zudem nicht befragt, und wichtige Trends und Entscheidungen wurden so auch gar nicht erfasst. So ist etwa die Auswirkung der Restrukturierungen von SIEMENS/ALSTHOM nicht angesprochen. Immerhin ist hier der wichtigste Industriestandort Pankow-Park in Wilhelmsruh betroffen. Damit fällt zugleich auch ein wichtiger Logistik- und Verkehrsaspekt aus dem Blickwinkel: die Sicherung des Schwerlastverkehrs für die Wartung und Reparatur von Gasturbinen.

Auch die veränderten Pläne von ABB und deren Auswirkung auf den Standort blieb außer Betracht. Zudem wurde ein wichtiges Detail bei der Gewerbeflächenentwicklung in Schönerlinde vergessen: die Tragfähigkeit wichtiger Straßenbrücken reicht gar nicht aus, um die formulierten Logistik- und Entwicklungsziele zu erreichen.

Der Text zum Thema Verkehr liest sich zudem wie ein zehn Jahre alter Textbaustein:

„Defizite im Straßennetz im Straßennetz sind abzubauen. Zur Entwicklung des Nordostraums sind entsprechende Netzergänzungen vorzusehen. Wichtigstes Element ist die „Tangential-Verbindung Nord“. Außerdem sollen Verbindungen und örtliche Ergänzungen des vorhandenen Straßennetzes vorgenommen werden. Dazu gehören u. a. die Neutrassierung und Verlängerung der Granitzstraße in Pankow, die Entlastung des Ortskerns von Heinersdorf sowie die Verbindung zwischen Karow und Bundesstraße 2. Im überörtlichen Netz sind der dreistreifige Ausbau des Autobahn-Außenrings und der Umbau des Autobahndreiecks Pankow von Bedeutung.“

Der Autobahnausbau ist bereits so gut wie fertig, die „Neutrassierung und Verlängerung der Granitzstraße in Pankow“ wird sich noch als das konfliktträchtigste Vorhaben im Zusammenhang mit dem Vorhaben auf dem ehemaligen Rangierbahnhof Pankow erweisen.

Einzelhandel ausgeklammert – Gewerbe in Ladenflächen

Die Entscheidung, den Handel auszuklammern, sorgt zudem für eine beachtliche Lücke im Gewerbeflächenkonzept: Die laufende und bereits umgesetzte Verdrängung von kleinen Händlern und Einzelhändlern durch freie Berufe und kleine Gewerbebetriebe bliebt außer Betracht. Damit werden wichtige Geschäftsstraßen als „Gewerbestandorte“ ausgeblendet. Bedenkt man, dass heute eine einzige Apotheke bis zum 74 Mitarbeiter in Laboren beschäftigt, so wird klar: die Gesamtperspektive der Gewerbeflächenkonzeption ist nur ausschnitthaft angelegt.
So wird damit auch das für die Kreativ- und Kulturwirtschaft wichtige Kleingewerbe nur oberflächlich abgehandelt. Insbesondere die Flächen von Druckereien und druckgrafischen Betrieben in Mischgebieten erfüllen aber eine wichtige Cluster-Funktion.

Gründerzentrum angesiedelt

Das auf dem Gelände der ehemaligen Berlin-Leder GmbH entstandene Gewerbezentrum Pankow (ORCO) an der Pankstraße wird als „schlecht erschlossen“ bezeichnet. Tatsächlich ist es ein Standort in unmittelbarer Nähe der Autobahn und der wichtigen Magistrale Prenzlauer Promenade. Die Frage, ob der Standort „schlecht vermarktet“ wird, wird damit umgangen.
Bei dem Gründerzentrum „Go Panke“ handelt es sich übrigens um einen Ableger eines in Berlin-Reinickendorf tätigen Unternehmens, das mit einem Verein und einem Geschäftssitz-Adresshändler zusammen arbeitet.

Zukunftsweisendes Gewerbeflächenkonzept Hannover

Wie es anders, konkreter und besser geht, zeigt das aus dem Jahr 2011 stammende „Integrierte Gewerbeflächenkonzept für die Landeshauptstadt Hannover“, das im Auftrag der Landeshauptstadt Hannover, in Kooperation mit der CIMA GmbH, Lübeck, RegioNord Consulting GmbH, Hannover und der NORD/LB, Hannover erarbeitet wurde.
Hier wurde auch mit einer wirtschaftswissenschaftlich fundierten Herangehensweise nach der Struktur der Wirtschaftsbereiche gefragt. Ferner wurden Focus-Branchen identifiziert und auch Hinweise auf die demografische Entwicklung mit betrachtet.
Die Lektüre wird empfohlen, weil sich hier tatsächlich wirksame Ansätze für wirtschaftliche Zukunftsgestaltung und proaktive Handlungsansätze finden lassen, die die Pankower Wirtschaftsförderung vermissen lässt.

Weder die Vernetzung von Gewerbe- und Industrie mit der Kreativ- und Kulturwirtschaft (11 Branchen) noch die aktiven Innovationschancen im Rahmen der industriepolitischen Initiative Industrie 4.0 wurden angesprochen. Wichtige Zukunftschancen, die sich aus einer Fokussierung, Cluster-Bildung und Förderung für die kleinteilige Wirtschafts- und Betriebsstruktur ergeben können, bleiben unausgesprochen. Der Übergang in die Wissensökonomien und weltweite Vernetzungen ist ebenso eine Fehlstelle.

Wirtschaftsförderung as usual – oder neue Kraftanstrengung?

Die vorliegende Gewerbeflächenkonzeption droht zur Beruhigungspille zu werden. Lesen, diskutieren, abstimmen, abheften – und die Verwaltung macht dann schon, und altbekannte Akteure werden bei der Verbesserung von „Verwertungschancen“ geholfen.

Pankow kann sich ein derartiges „Business as usual“ nicht leisten, Zukunftschancen, Wirtschaftskraft und mehr Lebensqualität und Wertschöpfung können mit dem vorliegenden Konzept nicht ausreichend geschaffen werden. Wirtschaftsförderung ist kein „Begleitservice für Unternehmer“, sondern muß strategische Initiativen setzen, Prozesse anstoßen und Investitionen und Marktchancen anlocken.

Soll man sich vielleicht auch besonders mit den Partnerstädten Ashkelon und Kolobrzeg vernetzen? Eine offene und naheliegende Frage, die aber auch einen Raum, eine Fläche, einen Standort braucht.

Interessant ist dabei: Pankows Wirtschaft vereint sowohl in Tiefe, Vielfalt und Breite sämtliche Zukunftschancen, in fast allen Branchen. Nur eben in zu kleinen Maßstäben und Betrieben. Um mehr Zukunftschancen zu schaffen, wäre eine „Orchestrierung“ der Chancen notwendig, so wie sie am Kreuzberger Moritzplatz gelungen ist.

Aufbauhaus und Betahaus weisen einen Weg – wie auf wenigen tausend Quadratmetern tausende von Zukunftschancen entstehen können – pro Jahr!

Weitere Informationen:

Gewerbeflächenkonzeption zur Stärkung regionaler Wachstumspotenziale für den Bezirk Pankow – Link

Integriertes Gewerbeflächenkonzept (GFK) für die Landeshauptstadt Hannover – Link

Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung – www.niw.de

m/s