Während das Osterwetter mit Sonne und zeitweise blauen Himmel überraschte, und draußen im Grünen auch frohe Ostern begangen und gefeiert wurden, war es in der Hausgemeinschaft in der Kopenhagener Str. 46 grau und still. Ein Besuch am Ostersamstag brachte nur eine kurze Begegnung mit einer älteren Mieterin. Sie war bedrückt, und klagte ihr Leid.
Seit Wochen ist das Haus von Baufolie eingepackt, die im Haus lebenden Menschen und die 16 Kinder sehen seitdem nur noch „Graues Licht“. Kein Sonnenstrahl, der ins Haus dringt, das Frühjahr 2014 hat eine bedrückende Atmosphäre geschaffen, der nun viele über Ostern einfach entflohen sind. Ferien, Ausflug ins Grüne und vielleicht auch eine Kurzreise zu Verwandten. Es war jedenfalls merkwürdig still in dem Haus. Auch auf Klingeln öffnete niemand.
Die Mieterin Frau S. sagte, sie werde nun Ostern jede freie Minute draußen mit ihrem Mann verbringen, weil es im Haus kaum auszuhalten sei.
Auf der letzten BVV am 2.4.2014 hatte die Mieterinitiative noch öffentlich aufmerksam gemacht. Und Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) verkündete, … „derzeit ist ein Baustopp verhängt!“.
Die bereits in das Mietshaus in einer leerstehende Wohnung campierenden Bauarbeiter arbeiteten noch ein paar Tage weiter, weil sie noch Putz abschlagen konnten, ohne die Auflagen des Baustopps zu verletzen.
Doch nun ist Stillstand. Die vom Baustadtrat veranlassten Prüfungen des Bauvorhabens dauern an. Ein Wahlplakat vor dem Haus wirbt um CHANCEN FÜR ALLE … .
Sanierungsbetroffene in der Folienpackung
Die Hausverwaltung hatte für die Sanierungsvorbereitung das gesamte bewohnte Haus einrüsten lassen, und mit dichtschließender Baufolie „verpackt“. Einige Mieter sind sich sicher, auch dies sei eine Schikane, um das Haus möglichst schnell zu entmieten.
46 Erwachsene und 16 Kinder leben nun wochenlang als „Sanierungsbetroffene“ in einer Folienverpackung – ohne direktes Tageslicht, und auch ohne ausreichende Frischluftzufuhr.
Ob die „Verpackung“ nach Material, Baudurchführung und gewählter Schutzart fachlich angemessen und notwendig war, hat bislang niemand fachlich geprüft.
Vor Anbringung der Wärmedämmung war geplant, den Fassadenputz abzuschlagen, eine teure Maßnahme, die nicht zwingend erforderlich ist. Wenn der Putz hält und nur punktuell ausgebessert werden muss, kann die Wärmedämmung direkt auf den Altputz aufgebracht werden.
Aus Gründen des Arbeitsschutzes und zum Staubschutz werden bei Putzarbeiten üblicherweise nur „lichtdurchlässige Schutznetze“ verwendet.
Auch ist es bei einvernehmlich mit den Mietern durchgeführten Baumaßnahmen üblich, zuerst nur eine Fassade mit Schutznetzen abzuhängen, und erst nach Fertigstellung der Arbeitsphase „Putz abschlagen“ die Innenhof-Fassaden zu verhängen.
Prüfungsdauer verlängert die Schikane
Die Hausgemeinschaft muß nun bei fortlaufender Prüfdauer die Schikane mit der Folienverpackung auf unbestimmte Zeit weiter ertragen. Für Familien mit Kindern ist das keine leichte Zeit, zumal es wohl auch schwierig ist, Kindern zu erklären, in welche brutale Welt sie hineinwachsen sollen.
Im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung des Bauvorhabens muß sich das Bezirksamt Pankow nun auch mit der Folienverpackung befassen.
Gerüstbauarbeiten und Berliner Bauordnung
Die unangemessene und unsachgemäß angebrachte „Ganzhaus-Baufolien-Verpackung“ am Mietshaus Kopenhagener Straße ist in der Folge der Ereignisse keine kurzzeitige und vorübergehende Maßnahme mehr. Das Augenmerk muß sich auch auf die einhergehenden Beeinträchtigungen der Bewohner richten, und auch auf mögliche Baugefahren, die von einer „Ganzhaus-Baufolien-Verpackung“ ausgehen.
Nach §14 der Berliner Bauordnung, ist immer auch der Brandschutz zu beachten:
„Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Im Falle der eingesetzten winddichten und blickdichten Baufolie ist im Brandfall eine erhebliche Gefahr gegeben, weil sich Rauch hinter der Folie ansammeln kann, und in weiteren Wohnungen eindringen kann. Darüberhinaus verhindert die blickdichte Folie eine direkte Erkennung und Brandbekämpfung eines möglichen Feuers.
Bauaufsichtliche Prüfung notwendig
Da sich die sanierungsbetroffenen Mieter nicht über ihre Gefährdungslage bewußt sind, und ihre bisher beauftragten Anwälte vor allem mietrechtliche Fragen betrachten, ist die bauablauftechnische Seite ihrer „energetischen Sanierung“ bislang nicht ausreichend gewürdigt worden.
Doch ist die bezirkliche Bauaufsicht in der Pflicht, denn hier liegt nicht nur eine öffentliche Gefahr, sondern möglicherweise auch ein Straftatbestand der Baugefährdung vor (§ 319 StGB Baugefährdung):
Zitat: „(1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Der Investor und seine Rechtsberatung müssten sich nun auch selbst fragen, ob auch für sie selbst als handelnde Personen längst „Gefahr im Verzug ist“ – und eine unverzügliche Beseitigung der Baufolien angebracht ist – oder ob sie erst eine bauaufsichtliche Weisung erwarten wollen. m/s
Weitere Informationen:
Berlins brutalste Sanierer – 19. 3. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung