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Herbert Ehrenberg * 21. 12. 1926 – † 20. Februar 2018

Herbert Ehrenberg neben Holger Börner

Mit Herbert Ehrenberg verstarb in der letzten Woche einer der profiliertesten sozialdemokratischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker. Von 1976 bis 1982 war Ehrenberg Minister für Arbeit und Sozialordnung in der sozialliberalen Regierung von Helmut Schmidt. Das Betriebsverfassungsgesetz, die Einführung der flexiblen Altersgrenze und die Schaffung der Künstlersozialkasse sind mit seiner Politik verbunden.

In Collnischken, im Kreis Goldap/Ostpreußen geboren, zählte Ehrenberg zur Kriegsgeneration, die noch 1943 zum Kriegsdienst einberufen wurde. Vermutlich trat er zum 20. April 1944 der NSDAP bei. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft 1945 war er zunächst als Landarbeiter in Niedersachsen und von 1947 bis 1951 als Polizeibeamter in Bremen tätig.

Das Abitur holte er 1952 nach und begann ein Studium der Sozialwissenschaften an der seinerzeitigen Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft im damaligen „Hochschuldorf“ in Wilhelmshaven-Rüstersiel, das er später in Göttingen fortsetzte. Er beendete es 1955 als Diplom-Volkswirt sowie 1958 mit einer Promotion zum Dr. rer. pol. mit der Arbeit „Expansive Lohnpolitik, ein Mittel der Einkommensverteilung.“
Ab 1956 war er Assistent der Geschäftsführung und schließlich zweiter Geschäftsführer eines mittleren Industrieunternehmens.

1961 wurde er Dozent an der Höheren Fachschule der Arbeiterwohlfahrt für Sozialarbeit in Düsseldorf. 1963 wurde er Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung beim Hauptvorstand der IG Bau-Steine-Erden unter dem damaligen Vorsitzenden Georg Leber. Hier war er maßgeblich beteiligt an der Ausarbeitung der einkommenspolitischen Konzeption „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“. In der Zeit der Großen Koalition wechselte er 1968 als Unterabteilungsleiter in das Bundesministerium für Wirtschaft. Nach dem Regierungswechsel wurde er 1969 Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt.

Parteilaufbahn

Seit 1955 war Ehrenberg Mitglied der SPD. Von 1975 bis 1984 war er Mitglied im Bundesvorstand der Partei. Ehrenberg gehörte zu den Mitbegründern des konservativen Seeheimer Kreises innerhalb der SPD. Außerdem war er 1985 an der Schaffung der Kurt-Schumacher-Gesellschaft beteiligt. 2009 vollzog Ehrenberg einen Flügelwechsel, indem er die linksorientierte Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD (AGSS) mitbegründete. Als Grund dafür gab er an, dass sich die SPD-Politik nach rechts gewandelt habe und er mit seinen bisherigen Positionen daher heute vergleichsweise links stehe

Öffentliche Ämter

Nach der Bundestagswahl 1976 wurde er am 16. Dezember 1976 als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in die von Bundeskanzler Helmut Schmidt geführte Bundesregierung berufen. Mit der Regierungsumbildung kurz vor dem Ende der sozialliberalen Koalition schied Ehrenberg am 29. April 1982 aus dem Kabinett aus. Die Einbindung der wirtschaftlichen Nutznießer von Dienstleistungen in die Altersvorsorgefinanzierung der rechtlich selbständigen Leistungserbringer (Künstler, Publizisten) durch die Künstlersozialabgabe geht maßgeblich auf Herbert Ehrenberg und Dieter Lattmann zurück.

Werke und politisches Wirken

Beginnend mit seiner Doktorarbeit „Expansive Lohnpolitik, ein Mittel der Einkommensverteilung. Göttingen 1958“ entwickelte sich Ehrenberg zum Arbeitsmarktpolitiker und zum sozialliberalen Wirtschaftspolitiker, der „zwischen Marx und Markt – Konturen einer infrastrukturorientierten und verteilungswirksamen Wirtschaftspolitik“ entwickelte.

In seiner Amtszeit als Minister strebte der nach Vollbeschäftigung, und begann erste Schritte zur Sanierung der Rentenkassen.

Herbert Ehrenberg krönte damit die sozialdemokratisch geprägte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die schon unter Willy Brandt erdacht und aufgelegt wurde. Es war jene Ära, in der Arbeits- und Sozialordnung noch volkswirtschaftlich integrativ betrachtet wurden. Es war die erforlgreiche Zeit, als Bildungsaufstieg und Leistungsaufstieg eine breite Basis bekamen, und Wohlstand und Wachstum noch sozialen Ausgleich möglich machten, und soziale Ordnungspolitik noch möglich war.

Es lohn heute, seinen alten Gedanken neu zu folgen, denn die heutige digitale Revolution droht ohne eine neue Ordnungspolitik alle Sozialsysteme und allen Wohlstand hinwegzufegen.

m/s