Mehr Transparenz in der Lebensmittelüberwachung
Das novellierte Verbraucherschutzgesetzt trat zum 1. September 2012 in Kraft. Das in Pankow nach dänischem Vorbild entwickelte Smiley-Systen zur Hygienebewertung von gastronomischen Betrieben mußte grundsätzlich juristisch und technisch überarbeitet werden. Die Bemühungen um ein in Berlin einheitlich eingeführtes System waren infolge mehrerer Gerichtsentscheidungen zunichte gemacht worden. Die Internetseite „Sicher essen in Berlin“ wurde abgeschaltet.
Die Zuständigkeit wurde in den Berliner Bezirken belassen.
Smiley-System nach der Novelle des VIG überarbeitet
Vier Berliner Bezirke haben sich auf Initiative ihrer zuständigen Stadräte zusammengeschlossen, und setzen das Smiley-System nun weitestgehend einheitlich um.
Bereits seit Oktober 2011 veröffentlicht der Bezirk Pankow auf der Basis des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) eine differenzierte Bewertung der kontrollierten Lebensmittelbetriebe. Das erweiterte Transparenzsystem basiert auf einer bundesweiten Verwaltungsvorschrift und lehnt sich an das erfolgreiche dänische Smiley-System an. Eingeführt wurde es vom damals zuständigen Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne). Bezirksstadtrat Dr. Torsten Kühne hat dabei die Modernisierung des Systems vorangetrieben und lässt die Einführung von Tablet-Computern in Pankow testen, was in der täglichen Praxis aber auf viele Hürden stößt. Die beidhändige Bedienung ist mitunter hinderlich, auch gibt es in Gebäuden „Funklöcher“. Der Kontakt mit Lebensmitteln und Oberflächen führt auch zu einer Verschmutzung der Geräte.
Im Jahr 2012 haben die Bezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg die transparente Darstellung der Ergebnisse der Hygienekontrollen ebenfalls eingeführt. Neben der Gesamtnote in Form des etablierten Smiley-Symbols wurden die Ergebnisse in elf Kategorien präsentiert.
Novellierung des Smiley-Systems
Mit In-Kraft-Treten der Novelle des VIG zum 1. September 2012 musste eine grundsätzliche juristische und technische Überarbeitung der Veröffentlichung erfolgen. Die Veröffentlichung ist nunmehr in neun Kategorien wie z.B. Mitarbeiterschulung, Baulicher Zustand, Personalhygiene oder Produktionshygiene untergliedert, die unmittelbar mit der Lebensmittelsicherheit in Verbindung stehen.
Die „Übersetzung“ der bis zu 72 Maluspunkte (Minuspunkte) erfolgt weiterhin durch das allgemein bekannte Smiley-Symbol. Außerdem ist es jetzt auch möglich, die Historie des Betriebes aufzuzeigen. Durch die Veröffentlichung der einzelnen Bewertungen in den neun Kriterien und der Historie bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Informationen zum Zustand der kontrollierten Einrichtungen.
Grundlage ist eine Verwaltungsvorschrift des Bundes, die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis“ – kurz AVV Lebensmittelhygiene – AVV LmH.
Anhand einer „Risikoeinstufung“ werden bei Vor-Ort-Kontrollen der Lebensmittelkontrolleure in den Betrieben, Küchen und fliegenden Marktständen und Imbißbuden „Minuspunkte“ vergeben. Viele Minus-Punkte ergeben ein schlechtes Ergebnis, der Smiley zieht die „Mundwinkel“ herunter, und färbt sich von grün nach gelb und rot..
Im Sinne aller Verbraucherinnen und Verbraucher in Berlin befürworten die Stadträte der vier Bezirke „die Einführung eines einheitlichen Berliner Transparenzsystems.“ Das einheitliche System soll die Verbraucherinnen und Verbraucher informieren und berlinweit die Markttransparenz auch im Interesse der seriös arbeitenden Lebensmittelbetriebe verbessern.“
Hygiene und Prüfkriterien:
Folgende 11 Kriterien werden bewertet:
- Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen,
- Rückverfolgbarkeit (lassen sich die Lieferwege der Lebensmittel zurückverfolgen)
- Mitarbeiterschulung ( werden Mitarbeiter ausreichend und regelmäßig geschult)
- HACCP- Verfahren / Eigenkontrollen (gibt es ein Risikomanagement)
- Untersuchung von Produkten / Wareneingangskontrolle
- Temperatureinhaltung (werden Kühleinrichtungen überwacht)
- Bauliche und gerätetechnische Beschaffenheit,
- Reinigung u. Desinfektion
- Personalhygiene
- Produktionshygiene
- Schädlingsbekämpfung (Monitoring und Durchführung)
Was ist HACCP?
HACCP (Hazard Analysis & Critical Control Point) ist das Hygienekontrollsystem in Lebensmittelbetrieben. Durch “Eigenkontrolle“ und Dokumentation muss die Einhaltung von Hygienevorschriften sichergestellt werden.
Dazu müssen eine ganze Reihe von Kontroll- und Checklisten, sowie Betriebsanweisungen vom Küchenpersonal beachtet und umgesetzt werden. Es fängt mit der Wareneingangsprüfung an, betrifft Lagerkontrollen, Prüffristen und die Sauberkeit von Abluftanlagen.
Die Einhaltung von Lebensmitteltemperaturen ist ein ganz wichtiger Überwachungsbereich, weil Kühlketten eingehalten werden müssen, ferner muß die Vermehrung von Bakterien und Salmonellen durch Kühlung oder Erhitzung unterbunden werden. Die fortlafende Dokumentation von Kühlhaustemperaturen ist z.B. ein Problem für viele Kleinbetriebe, weil ein zeitweiliger Stromausfall in der Regel auch alle Meßeinrichtungen lahmlegt.
Daneben müssen für wichtige Geräte Anwendungspläne und Betriebsanweisungen aufgestellt sein und befolgt werden.
Auch die Schädlingsprävention und die Kenntnis der möglichen Kontaminationsformen von Nahrungsmitteln ist nötig und muß durch Sachkundenachweise nachgewiesen werden.
System von Eigenverantwortung, Prüfung und Transparenz in der Öffentlichkeit
Die Lebensmittelsicherheit liegt grundsätzlich in der Eigenverantwortung der Lebenmittelunternehmer und der Gastwirte. Sie haben danach ein Kontroll- bzw. Überwachungssystem in ihrem Betriebe einzuführen, das anhand einer betriebsabhängigen Gefahranalyse hinreichende Kontrollmechanismen vorsieht, so dass gesundheitliche Gefahren für die Gäste sicher vermieden werden können. Die Kontrollen der Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter ersetzen diese Eigenkontrolle der Gastwirte nicht. Vielmehr müssen die Unternehmer ihre Hygiene-Maßnahmen im laufenden Betrieb schriftlich dokumentieren.
Allgemeine Grundlage hierfür ist die EG-Verordnung Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene sowie die Verordnung zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts (LMHV siehe oben).
Das Smiley-System soll zusätzlich eine Öffentlichkeit und Transparenz herstellen, weil notwendige Kontrollen immer nur stichprobenartig erfolgen können. Verstöße gegen Hygieneregeln werden durch Transparenz in der Öffentlichkeit sanktioniert. Für die Betriebe mit „roten Smileys“ droht Kundenverlust, Umsatzeinbruch und betriebswirtschaftlich das „aus“.
Durch die Veröffentlichung der einzelnen Bewertungen für die vorgenannten Kriterien, bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher differenzierte Informationen zum Zustand der kontrollierten Einrichtungen, Geschäfte und Gaststätten – sowie Küchen und Kantinen.
Aktuelle Smiley-Liste:
Die noch aktuelle Pankower-Smiley-Liste veröffentlicht zunächst die Bewertungsergebnisse von Speisegaststätten und eine ganzen Reihe von Schankwirtschaften.
Eine Ausweitung dieses Systems auf andere Betriebsarten (Bäcker, Fleischer, Lebensmitteleinzelhandel etc.) wird angestrebt. Die aktuelle Smiley-Liste kann jeweils als PDF-Datei heruntergeladen werden.
(HINWEIS: Die letzte aktuelle Liste vom 28. Juni 2013 wurde heute allerdings von der Webseite des Bezirksamtes entfernt -ein Artikel-Update folgt).
In der Pressemitteilung der Stadträte heisst es einschränkend:
„Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen sind immer nur Momentaufnahmen. Die Bewertung gilt zunächst bis zur nächsten Kontrolle (ca. in einem Jahr). Sie sollen dazu dienen, dass minder gute Zustände verbessert werden. Jeder Betreiber erhält auch hier die Chance sich zu verbessern.
Die Veröffentlichung stärkt den Wettbewerb und die Eigenverantwortung der Verbraucher selbst zu entscheiden, was ihnen wichtig ist.
Die Veröffentlichung ist kein Pranger, sondern Werbung für gute Gaststätten. Für Gäste besonders interessant ist die Rubrik Hygienemanagement, hier finden Gäste die wesentlichen Hinweise zur hygienischen Qualität.
Unzumutbare Zustände (nicht ausreichend) führen jedoch zu einer vorläufigen Schließung von Einrichtungen bzw.in jedem Fall zu kurzfristigen Nachkontrollen.“
Der Satz „Die Veröffentlichung ist kein Pranger, sondern Werbung für gute Gaststätten“ verdreht rhetorisch allerdings etwas die Tatsachen. Eine „Werbung“ sieht wohl doch etwas anders aus.
„Angst und Kontrolldruck“ sind ordnungpolitsche Größen – kaum für die notwendige „Begeisterung“ sorgen. Sauberkeit und Hygiene erfordern in der Küche auch „Lust und Leidenschaft“ für das Kochen und eine positive Hinwendung zu Beruf und zum Gast.
„Ob das Essen schmeckt, entscheidet weiter jeder Gast für sich“ – das ist jedoch eine allgemeingültige Weisheit. m/s
Weitere Informationen und Nachfragen:
http://www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/ordnung/smiley.html
Lichtenberg: Bezirksstadtrat Dr. Andreas Prüfer, Tel.: 030 90296 4000
Marzahn-Hellersdorf: Bezirksstadtrat Christan Gräff, Tel.: 030 90293 2600
Tempelhof-Schöneberg: Bezirksstadtrat Oliver Schworck, Tel.: 030 90277 8700
Pankow: Bezirksstadtrat Dr. Torsten Kühne, Tel.: 030 90295 6300
Fachinformationen für Gaststätten- und Lebensmittelbetriebe:
IHK Berlin: Rund um die Lebensmittelhygiene
Fotos der Lebensmittelkontrolle Pankow
Das Titelfoto wurde freundlicherweise von der Firma PRAMOL-CHEMIE AG in der Schweiz zur Verfügung gestellt.