Freitag, 29. März 2024
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„Kampf-Radparker“ in Pankow

U + S-Bahnhof Pankow zugeparkt

Der Typus des „Kampfradlers“ ist vergleichsweise selten geworden – in der Masse der vorsichtigen und gemütlichen Fahradfahrer geht er vielleicht auch einfach unter. Das umweltfreundliche Verkehrsmittel genießt einen guten Ruf, aber an S-und U-Bahnhöfen spielt sich ein Verteilungskampf zwischen Fußgängern und Radfahrern um den knappen öffentlichen Raum ab. Auf dem drängenden Weg zur Arbeit müssen die Fahrräder irgendwo abgestellt werden. Wenn nicht genügend Fahrradständer vorhanden sind, reicht notfals auch einfach der Bürgersteig. Der Ständer wird ausgeklappt, das Schloß angelegt – die „Kampf-Radparker“ erobern so den letzten Freiraum vor dem Bahnhofseingang.

"Kampf-Radparken" am U + S-Bahnhof Pankow im Februar 2013
"Kampf-Radparken" am U + S-Bahnhof Pankow im Februar 2013

Brennpunkte sind der Bahnhof S- und U-Bahnhof Pankow, aber auch S- und U-Bahnhof Schönhauser Allee und der S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Der Winter geht nun bald zu Ende, und immer mehr Radfahrer und abgestellte Fahrräder tauchen im Strassenbild auf. S- und U-Bahnhöfe sind für viele Radfahrer wichtige Umsteigepunkte, um pünktlich zur Arbeit zu gelangen – und so wird die oft knapp bemessene Umsteigezeit zum drängenden Momentum bei der Suche nach einem optimalen Abstellplatz.

Sicher soll es sein, gut einsehbar – am Besten, wenn ein Kiosk daneben steht – und wachsame Augen von dritter Seite auf mögliche Fahrrad-Diebe und Schloß-Knacker achten.

Was aber – wenn die bereitgestellten Fahrrad-Abstellmöglichkeiten bereits zugestellt sind? Die Suche beginnt – und nach ersten kleinen Suchschleifen mit dem Rad wird der Blick auf die letzten freien Flächen gelenkt, bei denen ein Fahrrad vermeintlich sicher abgestellt werden kann.

Zuerst werden die auf dem Straßenland angebotenen Anlehnbügel belegt, dann überbelegt – schließlich werden Masten, Schutzgitter, Zäune und Verkehrsschilder als Abstellanlagen genutzt. Sind auch diese Möglichkeiten belegt, beginnt die Expansion der Abstellplätze auf den vermeintlichen Restflächen der Bürgersteige.

"Kampf-Radparken" am Briefkasten - Schönhauser Allee im Februar 2013
"Kampf-Radparken" am Briefkasten – Schönhauser Allee im Februar 2013

Auch Zugänge zum Bahnhof werden enger und enger, selbst Briefkästen werden zugeparkt. Manche „Kampf-Radparker“ kennen keine Gnade mit Gehbehinderten, Rollstuhlfahrern und Senioren mit Rollatoren. Mancher eilige Tourist reisst auch mit dem Rollkoffer Fahräder um, wenn er in höchster Eile zum Bahnsteig „peest“.

Die Not mit dem „ruhenden Fahrradverkehr“ ist ein lange bekanntes Problem, für das aber noch keine wirklich dauerhafte Lösung gefunden ist. Es scheint so, je mehr Fahrradständer aufgebaut werden, desto mehr Fahrräder werden angezogen und abgestellt.

Die Radverkehrsstrategie in Berlin setzt auf stetigen Zuwachs – und ist im Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP Verkehr) festgehalten, sie ist Teil des Radverkehrskonzeptes der Stadt.

Die Radverkehrsstrategie verfolgt fünf wichtige Ziele:

Mehr Radverkehr
Der Anteil des Radverkehrs an den in der Stadt zurückgelegten Wegen soll gesteigert werden. Bis 2010 sollte desen Anteil um die Hälfte gesteigert werden (von 10 auf 15 Prozent). Dies entspracht einer jährlichen Zunahme des Radverkehrs um 100.000 Wege am Tag.

Verknüpfung mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Die Zahl der kombinierten Wege soll im gleichen Maße zunehmen wie der Radverkehr insgesamt. Dies erreichen wir durch weitere Verbesserungen bei der Fahrradmitnahme und bei den Abstellmöglichkeiten an Bahnhöfen und Haltestellen.

Senkung der Unfallzahlen
Die Berliner Radverkehrsstrategie übernimmt das ehrgeizige Ziel der Europäischen Gemeinschaft, die jährliche Anzahl der Verkehrstoten bis 2010 zu halbieren. Die Anzahl der schwerverletzten Radfahrer soll – trotz Zunahme des Radverkehrs – um mindestens ein Drittel verringert werden.

Angemessene Finanzierung
Die im Stadtentwicklungsplan Verkehr formulierte Zielsetzung – Steigerung der Mittel für den Radverkehr auf 5 Euro je Einwohner und Jahr bis 2015 dient als Orientierung bei der Haushaltsplanung.

Zügige Gestaltung des Radroutennetzes
Das Radrouten-Gesamtnetz soll bis 2010 durchgängig befahrbar sein. Darüber hinaus erforderliche Maßnahmen für einen Ausbau des Netzes sollen bis 2015 umgesetzt sein.

In Pankow arbeitet das Bezirksamt im Rahmen der Radverkehrsstrategie an mehreren Projekten, die zu entscheidenden Verbesserungen auch bei den Fahrradabstellflächen führen sollen:

  • in der Schönhauser Allee werden Fahrrad-Fahrbahnen angelegt – die bisherigen Fahrradwege stehen damit für neue Abstellflächen zur Verfügung. Die Maßnahme soll möglichst bis 2015 realisiert werden. Probleme verursacht aber die komplizierte Situation auf Höhe der Schönhauser Allee Arcaden – weil hier voraussichtlich eine erweiterte Ampelschaltung notwendig wird.
  • am S-Bahnhof-Pankow stehen wieder die Abstellanlagen beidseits des nördlichen U-Bahn-Zugangs zur Verfügung. Ferner haben Vorgespräche mit der Krieger-Grundstücksgesellschaft im Rahmen des Werkstattverfahrens „Pankower Tor“ tattgefunden, um zumindest für eine Übergangszeit weitere Abstellmöglichkeiten auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow zu schaffen.

Auch Hauseigentümer, Vermieter, Einzelhandel, Einzelhandelsverbände können etwas für radfahrenden Mieter und Kunden tun und eigene Abstellmöglichkeiten verbessern. Im Leitfaden Fahrradparken sind viele praktische Vorschläge und Aufstellmöglichkeiten zu finden. Mobile Doppelbügel mit Werbeschild – diese Lösung könnte auch bei zeitweiligen Spitzenbedarf und Straßenfesten eine gute Lösung sein. Als Sondernutzung des Straßenlandes ist diese Lösung aber anmelde- und gebührenpflichtig.

Mobiler  Doppelbügel bietet Platz für 4 Fahrräder (Quelle: Sen Stadt Um)
Mobiler Doppelbügel bietet Platz für 4 Fahrräder (Quelle: Sen Stadt Um)

Die Stadtplanung in Pankow muss sich künftig mit der Bedarfsplanung und dem aus dem erwarteten Einwohnerzuwachs resultierenden Mehrbedarf befassen.

Allerdings fehlt bislang eine verläßliche Statistik und Fortschreibung für die künftige Radverkehrs-Prognose bis 2020 und für eine weitere Prognose des konkreten Bedarfs an Fahrrad-Abstellflächen an Umsteige-Punkten. Da der Bezirk Pankow für derartige Verkehrsstudien kein Geld hat, gibt es nur die Möglichkeit, im Rahmen des „Nationalen Radverkehrsplans bis 2020“ Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Die Bundesregierung hat diesen Plan im Herbst 2012 verabschiedet – dieser ist seit 1. Januar 2013 in Kraft.

Bis ausreichenden Abstellmöglichkeiten geschaffen sind, geht noch einige Zeit ins Land. Die Pankower Radfahrer werden daher gebeten – etwa mehr Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen – und ihre Fahrrad-Abstellplätze mit ewas mehr Bedacht auswählen. m/s

Weitere Informationen:
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Mobil mit dem Fahrrad

www.nationaler-radverkehrsplan.de

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Leitfaden Fahrradparken

m/s