Freitag, 29. März 2024
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privilegierte Zufahrt /
illegale Notreparatur?

Mauerpark:
privilegierte Zufahrt /
illegale Notreparatur?

Mauerpark: Blick zum Gesundbrunnen

Das Planverfahren mit der öffentlichen Auslegung des „Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE für eine Bebauung der Nordfläche im Mauerpark ist an vielen Stellen zu beanstanden. Es wurde auf rechtlich fragwürdiger Grundlage in Gang. Anstelle normaler Einwendungen zum ausgelegten Plan, werden in drei Fachaufsichtsbeschwerden grundsätzliche Einwände gegen das Verfahren und dessen nicht rechtskonforme Teil-Aspekte angemeldet.

Mauerpark: Blick zum Gesundbrunnen
Mauerpark: Blick zum Gesundbrunnen zeigt tiefer im Einschnitt liegende Gleise. Bahnlärm kein städtebauliches Motiv für massive Bebauungspläne

Insgesamt drei Fachaufsichtsbeschwerden

Im Gegensatz zu „Dienstaufsichtsbeschwerden“, die das Verhalten von Amtsträgern kritisieren, und in der Regel nach dem Motto „Lesen, Lachen, Lochen – Abheften“ (Verwaltungsspott) abgearbeitet werden, haben Fachaufsichtsbeschwerden einen ganz anderen Charakter. Sie zielen auf eine rechtliche und verwaltungsrechtliche Prüfung von Behördenhandeln und Behörden-Ermessen ab, ob geltendes Recht angewendet, oder verletzt wurde.

In insgesamt drei Fachaufsichtsbeschwerden werden das „Zustandekommen des städtebaulichen Vertrages“ und dessen rechtswidrige Relegungen sowie die „Aushebelung der kommunalen Planungshoheit“ beanstandet.

Die dritte Fachaufsichtsbeschwerde betrifft die planungsrechtliche und baurechtliche Basis des sehr fragwürdigen Planverfahrens und die in Gang gesetzte Planung der Erschließung des Grundstücks. Diese wird hier öffentlich vorgetragen.

Obendrein wird eine informelle Täuschung der Bürger beanstandet, die über grundlegende Planungsrechte hinweggetäuscht wurden.

Stadtportal www.berlin.de mit Desinformation
Stadtportal www.berlin.de mit Desinformation zu „Vereinfachtes Verfahren (§ 13 BauGB)“ – Screenshot

Informelle Täuschung der Bürgerinnen und Bürger im Berliner Stadtportal

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt informiert auf der Internetseite des Berliner Stadtportals auch grundlegend über Bau- und Planungsrecht. Unter dem Punkt „Allgemeine Informationen zu Bebauungsplanverfahren“ wird u.a. auch über das geltende Baurecht informiert: „Die Regelungen im Bebauungsplan (B-Plan) sind aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans zu entwickeln und konkretisieren die städtebauliche Planungstätigkeit der Gemeinde.“

Im konkreten Fall „Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE“ wird versucht, das sog. „Vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB“ anzuwenden. Im entsprechenden erläuternden Passus werden die Bürgerinnen und Bürger jedoch fehlinformiert:

O-Zitat: „Häufig angewandt wenn durch Änderung oder Ergänzung eines Bebauungsplans die „Grundzüge der Planung“, dass heißt die wesentlichen, den Plan charakterisierenden Planinhalte nicht berührt werden.“
Hier hätte bei sorgfältiger und unparteiischer Information „unbedingt“ der Hinweis für planungsrechtliche Laien hingehört, dass im Baugesetzbuch unter §13 mit dem Begriff „Grundzüge der Planung“ etwas ganz konkretes und bedeutsames angesprochen ist:

Die Geltung des aktuellen Flächennutzungsplanes!

KO-Kriterien für die Planaufstellung des Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE

In der dritten Fachaufsichtsbeschwerde wird daher beanstandet, dass die vorliegende Planaufstellung des des Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE als „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ schon im Ansatz falsch gewählt ist, weil er die Grundlagen der Flächennutzungsplanung berührt.

Jeder nachfolgende Aufstellungsbeschluß ist daher von Anfang an „rechtswidrig und nichtig!“ und wird einer verwaltungsrechtlichen Prüfung (Normenkontrolle) nicht stand halten.

In der Berliner Flächennutzungsplanung ist das Grundstück Teil eines raumbedeutsamen und städtebaulich bedeutsamen Grünzuges, der durch die Flächennutzungsplanung und das Landschaftsprogramm umfänglich gutachterlich abgesichert ist. Überdies ist die Grünverbindung als Ausgleichsfläche und Freiraum für eine weiter verdichtete Innenstadtentwicklung unverzichtbar.

Mauerparkblick im August aus dem Wohnhaus der DEGEWO an der Gleimstrasse
Mauerparkblick im August 2013 aus dem Wohnhaus der DEGEWO an der Gleimstrasse

Erschließungsplanung: privilegierte Zufahrt /illegale Notreparatur?

Die Baumassen-Entwicklung des „Groth´schen Bebauungsplan-Entwurfs“ wurde nicht aus dem Stadtgrundriß oder einer langjährig vorbereitenden Planung entwickelt (Architekturwettbewerb – Bürgerwerkstatt), sondern mit der Absicht maximaler und einseitiger Gewinnerzielungsabsicht entworfen.

Dabei wurde eine Riegelbebauung zum Nordkreuz mit dem Schutzaspekt „Schutz vor Schienenlärm“ vorgeschoben, und gutachterlich „motiviert“, aber fachlich nicht richtig begründet. Die Schienenverkehrswege liegen erheblich tiefer als das für die Bebauung vorgesehene Gelände, eine direkte Lärmbelastung des geplanten Baugebietes ist nicht gegeben, und kann durch eine Schutzmauer und eine großzügige Begrünung der Böschungskante vollständig auch in der Luftschallübertragung gemindert werden.

Die Baumassen, die bauliche Ausnutzung des Grundstücks und die Geschoßhöhen beanspruchen auf sehr viel höhergelegenen Grundstück beanspruchen ein nicht mehr ortsübliches und zulässiges Ausmaß.

Die Baumassen-Entwicklung mit Riegelbebauung am Nordkreuz erzwingt städtebaulich eine im Sinne der Berliner Bauordnung nicht zulässige Form der Grundstückserschließung. Nach §4 Abs. 1 der Berliner Bauordnung dürfen „Gebäude dürfen nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat.“

Die „abgeknickten Stichstaßen-Erschließung“ ist für ein Berliner Neubaugebiet nicht „ortsüblich“, sie produziert unabsehbare Mißstände bei der inneren Erschließung des Grundstücks. Eine ausreichende „öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt“ liegt auch gar nicht vor, sodass zum Zeitpunkt des Plan-Verfahrens das Grundstück juristisch und baurechtlich als „nicht erschlossen“ gelten muß.

Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE:
Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE: Sackgassen sind nur nach oben offen – Lieferfahrzeuge werden zum Problem

Grobe fachliche Mängel im ausgelegten VE-Plan

Die gutachterliche Verkehrsplanung für die Planvariante hat für die Zukunft bedeutsame Aspekte der Verkehrsentwicklung nicht berücksichtigt: die rasante Entwicklung des Online-Handels.

Zwar sind Sackgassen „nach Oben offen“ – doch bei einer einer absehbaren weitere Zunahme der Boten- und Lieferfahrten ist eine Sackgassen-Erschließung ein gefährlicher städtebaulicher Mißstand, weil gleichzeitig Feuerwehr- und Krankentransportfahrten nicht mehr sicher möglich sind.

Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist auch nicht durch einen verantwortlichen Planverfasser unterzeichnet oder gekennzeichnet, sodaß noch nicht einmal überprüft werden kann, ob die Verfasser eine Bauvorlageberechtigung und überhaupt ausreichende Fachkunde für ein innerstädtische Erschließungsplanung in Berlin haben.

So ist auch fragwürdig, ob der vorliegende VE-Plan den Anforderungen des §5 Bauordnung Berlin genügen kann, die ausreichend Bewegungsflächen für die Feuerwehr vorsehen.

Zufahrt und öffentlich-rechtliche Erschließung

Die Fläche der Gleimstraße und der Gehwege und Angebotsstreifen für die Radwege sind nicht Bestandteil des „Bebauungsplan-Entwurf 1-64a VE“, auch wenn dazu Planzeichnungen mit ausgelegt wurden.

Der Straßenbaulastträger für die überörtliche Verbindungsstraße zwischen Prenzlauer Berg und dem Brunnenviertel ist das Land Berlin, nicht der Bezirk Berlin-Mitte.

Die „angedeutete Erschließung“ mit einem Kreisverkehr unmittelbar vor dem westlichen Ende des Gleimtunnels würde den Charakter der Gleimstraße in eine „örtliche Erschließungsstraße“ verwandeln und überlasten. Insbesondere die „lapidaren Aussagen“ zur
Durchmischung von Rad- und Autoverkehr im Bereich des „Kreisels“ lassen Zweifel aufkommen, ob die Entwurfsverfasser noch bei klaren Verstand sind.

So ist ein städtebaulicher Mißstand unmittelbar absehbar: bei tiefstehender Abendsonne werden Radfahrer unvermittel nach dem Verlassen des Gleimtunnels mit vorfahrtsberechtigten Kreisverkehr konfrontiert, und haben dabei nicht einmal Zeit für eine ausreichende „Hell-/Dunkeladaptation“ ihrer Augen.

Fehlende Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Erschließung

Baurechtlich stellt sich das Gesamtvorhaben so dar: es fehlt eine genehmigungsfähige öffentlich-rechtlich abgestimmte Erschließung. Ferner ist ein schwerwiegender Eingriff in das städtebaulich bedeutsame Baudenkmal Gleimtunnel erforderlich, der seine Bedeutung auch durch seine Bauweise mit ausladenden Brückenwiderlagern erlangt. Eine „Hybridisierung“ der Widerlager-Wand am westlichen Tunneleingang würde das städtebauliche Denkmal in unwiderbringlich entwerten.

Planungsrechtlich ist es daher erforderlich, auf der Fläche der Gleimstraße ein eigenes Planverfahren durchzuführen, um überortliche Belange und Belange der Verkehrsplanung abzustimmen. Ohne diese öffentlich-rechtliche Genehmigungsplanung zum Straßenverkehr ist das Grundstück mit den hinter den Grundstücken Ramlerstraße 20-24, Graunstraße 17-23/Gleimstraße 62-64 liegenden Flurstücke 350, 173 und 346 (tlw.) im Bezirk Mitte, Ortsteil Gesundbrunnen nicht erschlossen – und auch nicht für ein „vorhabenbezogenes Planverfahren zugänglich“.

Grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigungen

Da während der Auslegung weder Grundbuchauszüge noch Dokumente zur öffentlich-rechtliche Genehmigung des Vorhabenträgerwechsels einsehbar waren, besteht der begründete Verdacht, dass die „Groth- und U-Invest Elfte GmbH & Co Gleimstraße KG“ noch nicht rechtskräftig und rechtswirksam im Grundbuch eingetragen ist.

Die Fachaufsichtsbeschwerde soll daher auch zur Klärung beitragen, ob die juristische Verfahrensgrundlage für eine privilegierte Vorhaben- und Erschließungsplanung nach Planungs- und Baurecht überhaupt gegeben ist.

Die Vielzahl vorliegender Beanstandungsgründe können den Fachbeamten und zuständigen Staatssekretären und dem Rechtsamt des Bezirks Berlin-Mitte nicht unverborgen geblieben sein. Deshalb muss auch geklärt werden, ob das Planverfahren auf fachliche oder „politische Weisungen“ (wider besseres Wissen!) gestützt wurde.

Widerlagerwand am Gleimtunnel
Widerlagerwand am Gleimtunnel – 19.7.2013

Präzedenzfall für die Berliner Stadtentwicklungspolitik

Grundsätzliche Fragen zur Berliner Stadtentwicklungspolik müssen gestellt werden, weil offensichtlich sicher geglaubte öffentlich-rechtliche Planungsstandards unterlaufen werden sollten.

Haben wir es bei dem Gesamtvorhaben mit einer „illegalen Notreparatur“ an einem nicht erschlossenen Grundstück zu tun, um den Intentionen der Grundstücksgeschäfte mit der CA Immo AG entgegen Recht & baulicher Realitten zur Durchsetzung zu verhelfen?

Oder wird hier versucht, eine „politisch besonders privilegierte“ Zufahrtsregelung entgegen Bau- und Planungsrecht durchzusetzen?

Wird hier durch politische Steuerung eine städtebauliche Jahrhundert-Chance der Sportstadt Berlin verbaut? Wird das Berliner Fernbahnkonzept mit hunderten Millionen € Investitionssumme für die DB AG am Nordkreuz mit bedacht?

Wird die Chance einer langfristigen Kooperation zwischen Berlin und Hamburg mit einen zweiten Zugang zum Berliner Zentrum per ICE und Fernbahn ausreichend bedacht?

Der Fall „Nordbebauung Mauerpark“ ist längst ein Präzenzfall und Prüfstein für Berliner Stadtentwicklungspolitik – die nun beweisen muss, was Zukunftsfähigkeit und Planungskultur in einer „Bürgerkommune“ heißen sollen.

Vor allem ist auch zu fragen, ob eine verantwortungsvolle Stadtentwicklungspolitik das Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB) mit einfachen vorhabenbezogenen, kurzsichtigen Handlungsweisen umgehen darf?

Olympiabahnhof Gesundbrunnen
Olympiabahnhof Gesundbrunnen: Städtebauliche Jahrhundertchance der Sportstadt Berlin Plan B mit Zukunft für den ganzen Mauerpark?

Weitere Informationen:

Drei Fachaufsichtsbeschwerden im Überblick:

FAB #1:
Mauerpark: Der Rubikon wurde überschritten! | 10.2.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung

FAB #2:
Mauerpark: “Alles Müller? Thomsen? Oder was? | 18.2.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung

FAB #3:
Mauerpark: privilegierte Zufahrt / illegale Notreparatur? (siehe oben)

Frühzeitige Warnung zur Erschließung:

Groth kreist am Gleimtunnel | 3.04.2014 | Pankower Allgemeine Zeitung

Städtebauliche Jahrhundertchance für die Sportstadt Berlin:

Olympiabahnhof Gesundbrunnen | 18.1.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung

NACHBEMERKUNG: Hinweise zum Planverfahren und weiteren qualifizierten Einwendungen:

Der neue Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat angekündigt, das Planverfahren an sich zu ziehen. Doch es ist fraglich, ob das in Art, Weise und Zeitpunkt überhaupt rechtlich zulässig ist, weil es dazu überhaupt keine parlamentarischen Beschlußlagen sondern nur „politische Ordres de mufti“ gibt. Das Rechtsamt des Bezirks Berlin-Mitte prüft noch.
Den Berlinerinnen und Berlinern kann nur geraten werden, ihre persönlichen Einwände bis zum Ende der Auslegungsfrist am 16.3.2015 einzureichen, möglichst in papierner Form.
Die Fachaufsichtsbeschwerden werden in kurzer textlicher Form bei der zuständigen Kommunalaufsicht beim Innen- und Sportsenator Frank Henkel eingereicht. Unabhängig davon wird geprüft, ab der Fall Mauerpark-Bebauung nicht auch ein Fall für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß ist, weil hier grundlegende Fragen von Bau- und Planungsrecht und die Planungskultur in Berlin und eine unzulässige Vermengung von Grundstücksgeschäft und Planung berührt sind.

m/s