Freitag, 29. März 2024
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Zukunftsstadt: Pankower Tor – Heinersdorfer Tor

Pankower Tor: die Würfel sind noch nicht gefallen

Noch 12 Tage läuft die erste Runde der Bürgerbeteiligung zur geplanten städtebaulichen Entwicklung auf den ehemaligen Bahnflächen zwischen dem Bahnhof Pankow und Bahnhof Heinersdorf, einschließlich der ehemaligen Lokschuppen s Geländes „Am Feuchten Winkel.“ Nach fast zehn Jahren Vorlauf, einem praktisch gescheiterten Werkstattverfahren und vielen Entwürfen wurde im Frühjahr 2018 ein Neuanfang gemacht. Pankows Bürgermeister Sören Benn (Die Linke) hat das Projekt zur „CHefsache“ gemacht, und zusammen mit Investor Kurt Krieger und Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) einen Neustart vorbereitet. Nach längeren Verhandlungen hinter geschlossenen Türen wurde am 25. April 2018 eine Grundsatzvereinbarung zwischen Land Berlin und der Krieger Handel SE geschlossen. Die Grundsatzvereinbarung wurde „für das
Pankower Tor mit dem gemeinsamen Ziel geschlossen, ein lebendiges Quartier zu schaffen und das Hauptzentrum Pankows attraktiv weiterzuentwickeln.“

Am 24. November 2018 wurde in der evangelische Hoffnungskirche im Kissingenviertel der offizielle Startschuss für den Prozess der Bürgerbeteiligung in Gang gesetzt: „Gestalten Sie gemeinsam mit dem Land Berlin und der Krieger Handel SE ein neues lebendiges Stadtquartier mit!“
Der Senat von Berlin sieht auch die Bedeutung des Vorhaben:“Das 33 ha große Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow befindet sich im Bezirk Pankow von Berlin und in peripherer Lage der „Berliner Mitte“. Die stadtplanerische Entwicklung dieses Areals im Berliner Stadtgefüge ist von gesamtstädtischer Bedeutung.“

Neuer Rechtsträger – neuer Anlauf – neue Qualität

Anzumerken ist eine Änderung in der Federführung im Projekt Pankower Tor: die bisher als Projektträger agierende Krieger Grundstück GmbH (KGG) wurde mit der Krieger Handel SE verschmolzen.

Mit dem neuen Bürgerbeteiligungsverfahren entsteht ein Novum in der Berliner Stadtplanung: erstmals wird ein umfassendes Bürgerbeteiligungs- und Workshop-Verfahren von einer Europäischen Aktiengesellschaft in Gang gesetzt. Als Moderator wird die Firma Zebralog eingesetzt, die ihre digitale Bürgerbeteiligungs-Plattformlösung einsetzt. Die Bürgerbeteiligung wird damit zunächst zur „Chefsache Kurt Krieger“, der in der Vorbereitung der Flächennutzungsplanänderung die eigene „Planentwurfshoheit“ aufteilt und in ein Workshopverfahren einbringt.

Kurt Krieger und die Krieger Handel SE haben offensichtlich dazugelernt und die grundlegenden Schwierigkeiten des Gesamtvorhabens erkannt. Mit dem neuen Bürgerbeteiligungs- und Workshopverfahren wird eine neue Qualität und mehr Bürgerakzeptanz angestrebt.

Die erste planungsrechtliche Hürde der Flächennutzungsplanänderung durch das Land Berlin soll so leichter genommen werden. Bei der FNP-Änderung müssen die vom Baugesetzbuch vorgegebenen Auflagen und Abwägungen vorgenommen werden. Hier gilt wieder die „Planungshoheit“ von Bezirksverordnetenversammlung und Abgeordnetenhaus von Berlin.

Konstruktionsfehler im Planverfahren

Ob die „“Chefsache Kurt Krieger“ in einem genehmigungsfähigen städtebaulichen Entwurf mündet, der FNP-Änderungen rechtfertigt, ist noch offen.

Nachdem weder Bausenatorin, noch Pankower Bürgermeister, noch Stadtrat für Stadtentwicklung den bisherigen Konstruktionsfehler im Planverfahren beseitigt haben, geht die Krieger Handel SE mit hohen Risiko in das neue Verfahren.

Der Konstruktionsfehler besteht vor allem darin, das 373.074 Quadratmeter große Plangebiet wie einen „Vorhaben- und Erschließungsplan“ zu behandeln, ohne die räumlichen, verkehrlichen, umweltbezogenen und wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen im „Hauptzentrum Pankows“ einzuschließen.

Vor allem die rasante städtebauliche Entwicklung Pankows, die Entwicklung neuer Siedlungsgebiete und die Nachverdichtung in Karow, Französisch-Buchholz, Niederschönhausen, Heinersdorf und Blankenburg verändern auch bis 2030 grundlegend die „Zentralitäten“ und „Zentren“ im Gesamtbezirk.

Die Größe des Vorhabens macht eigentlich ein „Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept (INSEK)“ erforderlich, in dem der gesamte betroffene Stadtbereich (mindestens) in Pankow und Heinersdorf mitbetrachtet wird. Ein INSEK hätte längst in Gang gesetzt werden müssen. Doch die Bezirks- und Senatspolitik sind personell zu schwach aufgestellt, um dies angesichts mehrerer laufender INSEKS noch durchzusetzen.

Für die Krieger Handel SE entstehen damit hohe Planungs- und Genehmigungsrisiken, die nur durch gutachterliche Untersuchungen und Abwägungen gemindert werden können. Doch im Fall von baurechtlichen Einsprüchen bleiben gutachterliche Einschätzungen immer unsicher, bis letztlich ein Gericht entscheidet.

Auch mögliche Optimierungs- und Synergiechancen bei der städtebaulichen Integration des Gesamtvorhaben bleiben so ungenutzt, oder kommen erst sehr spät zum Vorschein. Inzwischen zehn Jahre alte Grundannahmen und das städtebauliche Grundkonzept werden womöglich gar nicht hinterfragt, obwohl die prekäre Verkehrsentwicklung in Pankow alltäglich immer mehr offenkundig wird.

Das ist im Rahmen des Gesamtvorhabens geplant

Die Krieger Handel SE plant ein großes Einkaufszentrum nahe dem S-Bahnhof-Pankow. Weiterhin sollen rund 2.000 Wohnungen entstehen. Eine Schule ist geplant und ein großer HÖFFNER-Möbelmarkt. Ferner wird eine neue Tram-Linie geplant, deren Planfeststellungsverfahren voraussichtlich bis 2021 dauert. Wie der als Panke-Trail bezeichnete kreuzungsfreie Radschnellweg nach Buch über das Gelände geführt werden soll, ist noch unklar.
Auf der Fläche zwischen Mühlenstraße und Berliner Straße ist eine Grünverbindung und ein Fahrrad-Parkhaus mit 1.000 Plätzen geplant, das vermutlich nach 2022 viel zu klein geplant ist.
Der Möbelmarkt soll 1.200 Parkplätze bekommen. Die Stettiner Bahn soll auf Höhe der Hadlichstraße unterrtunnelt werden, um eine Verbindung zwischen den Quartieren an der Neumannstraße und der Damerowstraße zu schaffen. Das neue Stadtviertel soll „autoarm“ geplant werden.
Für den Rundlokschuppen und das dahinter liegende Bahn-Gelände „Am Feuchten Winkel“ liegen noch keine Nutzungsvorschläge vor.

Planungswerte und Stadtrendite

Das 373.074 Quadratmeter große Plangebiet ist ursprünglich für rund 20 Millionen Euro (ca. 56 €/m²) erworben worden. Die Bodenrichtwerte liegen heute schon bei über 300 €/Quadratmeter, Grundstückspreise bei über 1.000 €/m². Durch die Flächennutzungsplanänderung entsteht ein gro0er Wertzuwachs der Flächen.
Inzwischen liegen die Marktpreise für gebaute Eigentumswohnungen in Pankow bei bis zu 7,423 €/Quadratmeter (Immowelt Nov. 2018).

In der Grundsatzvereinbarung vom 25. April 2018 verpflichtet sich die Krieger Handel SE in §9 Bodenordnung, sämtliche öffentlichen Flächen (Grünflächen, Verkehrsflächen) unentgeltlich, lastenfrei und schuldenfrei zu übertragen. Gleichzeitig werden alle Kostenübernahmen geregelt. Dies ähnelt auf dem ersten Blick dem „Münchner Weg der Sozialgerechten Bodennutzung“ (SoBoN).

Doch am Pankower Tor sieht es etwas anders aus. Aufgrund der fehlenden INSEK-Planung können weite Teile öffentlicher Infrastrukturleistungen erst im Nachgang der Genehmigung und Realisierung „notwendig“ werden, und letztlich vom Steuerzahler nachgetagem werden. So muss nicht nur eine neue Tramlinie gebaut werden, sondern auch der Umbau der Haltestellen in der Berliner Straße. Um Funktionen des Einkaufszentrums, städtebauliche Qualitäten und Erschließungen zu sichern, muss auch der Bahnhof Pankow überplant werden. Ein dritter und sogar vierter Bahnhofszugang zur Mühlenstraße und Florastraße müsste S-Bahn und Stettiner Bahn untertunneln. So könnten Platzprobleme bei Radabstellanlagen gelöst und ein Mobilitäts-Hub geschaffen werden.

Bei der Plangenehmigung muss daher Sorge getragen werden, das sämtlicher Infrastrukturbedarf auch tatsächlich ermittelt wird, um nicht in späteren Jahren vor teuren Umplanungen zu stehen.

Fläche des ehemaligen Rangierbahnhof Pankow
Fläche des ehemaligen Rangierbahnhof Pankow: 33 Hektar Stadtgebiet in der Planvorbereitung mit frühzeitiger Bürgerbeteiligung

Übergreifende Planungs- und Erschließungs-Anforderungen

Nach 2025 wird sich in Pankow eine neue Zentralität in der Siedlungsentwicklung herausbilden, mit neuen zentralen Verkehrsknotenpunkten. Die bedeutet neue Restriktionen – aber auch große neue Chancen. Der Bahnhof-Pankow-Heinersdorf rückt mit einer zusätzlichen Tram-Anbindung in eine Schlüsselposition, die auch bisherige Planungsgrundsätze und Vereinbarungen verändern kann. Ferner werden Rundlokschuppen und das Gelände des Bahnausbesserungswerkes „Am Feuchten Winkel für neue gewerbliche Nutzungen interessant. Ein „Mobilitäts-Hub“ Heinersdorfer Tor könnte sogar zu einem Leitmotiv einer Neuplanung werden, bei der großes Einkaufszentrum und Fachmarktzentrum mit Möbelmarkt erneut als „Einhait“ geplant werden, wie es der Investor vor zehn Jahren schon beabsichtigt hat.
Im Bereich des Bahnhofes Pankower Tor werden schon heute zu enge räumliche Verhältnisse für Fußgänger und Radfahrer beobachtet. Die Verkehrssicherheit muss dringlich verbessert werden. Auch eine Sperrung des Garbátyplatzes für den Durchgangsverkehr ist avisiert.
Ob sich heute optimistisch gedachte Mobilitätskonzepte und Mobilitäts-Hubs sich auch langfristig tragen, hängt auch von Sicherheit, Bequemlichkeit und ausreichenden Flächen und Stellplatzkapazitäten ab.

Nimmt man heutige Prognosezahlem zum Modal-Split und Umweltverbund, zeichnen sich am Bahnhof-Pankow schon heute ernsthafte Problem ab.
Auch die Grundsätze des Baugesetzbuch (BauGB) in der Flächennutzungs- und Bauleitplanung müssen in allen Anforderungen beachtet und abgewogen werden. Insbesondere Klimaschutz, Natur- und Umweltschutz, Verkehr & ÖPNV und Wasserwirtschaft und Mobilität müssen nicht nur im Plan, sondern auch in der späteren Realität der Jahre 2025 bis 2030 funktionieren.

Vorankündigung Teil 2: Zukunftsstadt: Pankower Tor – Heinersdorfer Tor

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