In der Debatte um die städtebauliche Entwicklung im Pankower Norden hat die Initiative Bürgerstadt Buch auf die gestrige Stellungnahme des Pankower Bezirksbürgermeisters reagiert, und einen Offenen Brief verfaßt. Der Text wird hier unverändert und unkommentiert wiedergegeben:
27.Juni 2019 – 16:47 Uhr
Offener Brief an den Bezirksbürgermeister von Pankow, Herrn Sören Benn
Sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister,
am 21. Juni haben Sie in Interviews im „rbb-inforadio“ und „radio eins“ erste Stellungnahmen zu unserem „3-Städte-Vorschlag“ im Norden des Bezirks abgegeben, den wir am Tag zuvor erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt hatten.
Sie haben unseren Vorschlag als „unrealistisch“ bezeichnet und auf die zahlreichen aktuellen Baugenehmigungen im Bezirk Pankow verwiesen. Am 26. Juni – inzwischen hatten Sie Zeit genug zum Studium der Ihnen von uns übersandten Unterlagen – gaben Sie für das Bezirksamt Pankow eine Presseerklärung heraus, in der Sie insbesondere die Berichterstattung in den Medien zu unserem Vorschlag kritisierten.
Sie bezeichneten unseren Projektvorschlag als unrealistisch, weil er in weiten Teilen innerhalb des gültigen Berliner Flächennutzungsplans (FNP) vom Bezirk nicht umgesetzt werden könne und weil dort andere Nutzungen festgelegt seien als in unserem Vorschlag (30.000 bis 40.000 Wohnungen, bis zu 30.000 Arbeitsplätze uvm.) . Ja, der gültige Flächennutzungsplan steht unserem Vorschlag derzeit in weiten Teilen entgegen. Sie haben aber am 21. Juni die Öffentlichkeit und Ihre Zuhörer über 4 Sachverhalte nicht informiert.
1. Der Flächennutzungsplan sah zwischen 1994 und 2002 ganz anders aussah als heute und entsprach damals sehr wohl weitgehend unserem Vorschlag. Der FNP ist erst in der Berliner „Depressionsphase“ zwischen 2000 und 2005 so geändert worden, dass Wohngebiete verkleinert und die bereits damals geplante neue Stadt in und um Buch VI durch ein geplantes Industrie- und Gewerbegebiet ersetzt wurde. Auch das Landschaftsschutzgebiet Blankenfelde mit seinen großen Ausmaßen wurde erst in dieser Zeit rechtlich festgelegt. Damals hielten die maßgebenden Politiker die Wohnungsfrage in Berlin offensichtlich für dauerhaft gelöst und haben in diesem Gefühl sehr weitgehende Entscheidungen getroffen und durchgesetzt, die wir aber heute aus guten Gründen hinterfragen müssen.
2. Daraus ergibt sich bereits, dass es keinen unveränderlichen Zwang in der Planung gibt, sondern diese ebenso wieder geändert werden kann, wie es vor etwa 15 Jahren schon einmal geschehen ist. Es kommt allein auf den Willen dafür an.
3. Sie haben nicht erwähnt, dass gegenwärtig sogar eine Änderung des Flächennutzungsplans mit Ihrer tatkräftigen Unterstützung betrieben wird, mit der ein bisher geplantes Wohngebiet in Buch für mehrere tausend Wohnungen aus dem FNP getilgt werden soll.
4. Für diese Planänderungen sind der Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin zuständig, nicht der Bezirk Pankow. Der Bezirk darf und muss natürlich seine Interessen und seinen Willen in diesen Planungsprozess einbringen, die Entscheidung über das Ergebnis kann er aber nicht treffen.
Wir finden es bedauerlich und der demokratischen Kultur abträglich, dass Sie die Öffentlichkeit und Ihre Zuhörer über diese wichtigen Sachverhalte nicht informiert, sondern den Eindruck erweckt haben, unveränderliche Sachzwänge würden unserem Vorschlag entgegen stehen. Unseres Erachtens gehört es zur guten demokratischen Gepflogenheit – insbesondere bei einem Träger eines öffentlichen Amtes -, sachlich und gründlich aufzuklären. Wir bedauern, dass wir das jetzt an Ihrer Stelle tun müssen.
In der Presserklärung vom 26.Juni haben Sie vor allem die Berichterstattung der Presse kritisiert, lassen es aber auch erneut an der erforderlichen Genauigkeit fehlen. Sie bemängeln die verkehrstechnische Erschließung unseres Projektgebiets, machen aber selbst keinen Vorschlag zur Verbesserung. Wir haben dagegen erläutert, dass hier im Raum zwischen Buch und Französisch-Buchholz die verkehrlichen Voraussetzungen aufgrund 2er S-Bahn-Strecken, mehrerer Regionalbahnstrecken, der Straßenbahn in Buchholz und der Anbindung an die A10 und die A114 ungewöhnlich günstig sind, wenn auch weitere Ausbauten und Ertüchtigungen des Bahnnetzes notwendig sind. Konkret haben wir die Herstellung mindestens eines S-Bahnhofs für die bisher das Gebiet nur durchfahrenden S 8 nach Birkenwerder als notwendig und frühzeitig machbar bezeichnet – für die Gesamterschließung wäre dies eine wesentliche Verbesserung.
Dass Ihnen die Eigentumsverhältnisse und der fast 70%-ige Landesanteil im Projektgebiet nicht bekannt sein sollen, stößt bei uns auf Unglauben. Wir sind auch irritiert über Ihre Behauptung auf „radio eins“, in Buch VI sei ein pyrotechnischer Betrieb vorhanden, der eine große Abstandsfläche erfordere. Wissen Sie tatsächlich nicht, dass diese Betriebsanlage schon vor längerer Zeit ihre ursprüngliche Nutzung verlor und von den chinesischen Eigentümern an Eigentümer mit anderen Interessen veräußert wurde. Dies lässt sich einfach im Internet recherchieren.
Die von uns erarbeiteten Unterlagen liegen Ihnen seit Tagen vor. Vielleicht haben sie Zeit und Interesse, darüber mit uns ein fachliches und sachliches Gespräch zu führen. Dann können wir uns über weitere Einzelheiten unseres Vorschlags und ihrer Kritik austauschen, auf die wir hier nicht eingehen können, weil es den Umfang dieses Briefs sprengen würde.
Aber seien Sie gewiß: Wir haben uns mit unserem Vorschlag gründlich beschäftigt, nicht oberflächlich. Und noch ein Hinweis: Die Anzahl der aktuellen Baugenehmigungen in Pankow ist hoch und muss anerkannt werden, dies hat aber nur wenig mit der erforderlichen Deckung des weiteren Wohnungsbedarfs in Berlin in den nächsten 15 Jahren zu tun.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Tophof Günter Fuderholz Winfried Hammann
Volker Härtig Friedrich Stark
/// ANKÜNDIGUNG ///
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