Paul Mason hat sich aufgemacht, das Zeitalter des „Postkapitalismus“ auszurufen. Mason sieht eine neue Epoche heraufziehen, und meint, der Neoliberalismus – „die Doktrin der unkontrollierten Märkte“ – sei am Ende. Tatsächlich gibt es massive Anzeichen für eine neue Ära, panische Banker, Orientierungslosigkeit bei den politischen Eliten. Geldpolitik und Austeritätspolitik erreichen ihre Ziele nicht. Die Weltwirtschaft stagniert, das Schreckensbild der „säkularen Stagnation“ wird in Hinterzimmern und Wirtschaftskolumnen diskutiert.
Mason behauptet: „Wir stehen am Anfang von etwas Neuem.“ Er begibt sich dabei in die Metaebene und blickt aus der Perspektive des sowjetischen Ökonomen Nikolai Kondratjew auf die Welt. Mason sieht einen neuen Zyklus beginnen, der durch mehrere Ereignisse und Prozesse markiert ist:
… „die Niederlage und moralische Kapitulation der organisierten Arbeiterklasse, der Aufstieg der Informationstechnologie und die Entdeckung, dass eine unangefochtene Supermacht lange Zeit Geld aus dem Nichts schöpfen kann.“
Mason ist dabei nicht selbstgewiß, sondern wirf gewissermassen einen Stein in den Teich der großen ökonomischen Theorien.
„Drei Dinge wissen wir: Der Kapitalismus hat den Feudalismus abgelöst; seither durchlief er zyklische Tiefs, spätestens seit 2008 stottert der Motor. Was wir nicht wissen: Erleben wir eine der üblichen Krisen oder den Anbruch einer postkapitalistischen Ordnung?“
Paul Mason blickt auf die Daten, sichtet Krisentheorien – und sagt: Wir stehen am Anfang von etwas Neuem. Er nimmt dabei Überlegungen auf, die vor über 150 Jahren in einer Londoner Bibliothek entwickelt wurden und laut denen Wissen und intelligente Maschinen den Kapitalismus eines Tages »in die Luft sprengen« könnten. Im Zeitalter des Stahls und der Schrauben, der Hierarchien und der Knappheit war diese Vision so radikal, dass Marx sie schnell in der Schublade verschwinden ließ. In der Welt der Netzwerke, der Kooperation und des digitalen Überflusses ist sie aktueller denn je.
In seinem atemberaubenden Buch führt Paul Mason durch Schreibstuben, Gefängniszellen, Flugzeugfabriken und an die Orte, an denen sich der Widerstand Bahn bricht. Mason verknüpft das Abstrakte mit dem Konkreten, bündelt die Überlegungen von Autoren wie Thomas Piketty, David Graeber, Jeremy Rifkin und Antonio Negri und zeigt, wie wir aus den Trümmern des Neoliberalismus eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft errichten können.
Paul Mason ist schon heftig von Jens Bisky kritisiert worden: „Er opfert die politische Ökonomie zugunsten von Schlagworten, verwechselt das Kommunikationsmodell von Netzwerken mit tatsächlichen sozialen Verhältnissen. Kaum ein Wort fällt über die Mächtigen des Silicon Valley oder über die Arbeitsbedingungen.“(Jens Bisky | 7.4.2016 | Süddeutsche.de).
Doch womöglich hat Mason eine Tür aufgestossen, die nun ein tieferes Verständnis dessen ermöglicht, was unzureichend als „Neoliberalismus“ bezeichnet wird. Denn die neuen digitalen Technologien, quersubventionierte „Kostenlos-Ökonomien“ und die „Topologien“ skalierbarer Geschäftsmodelle haben womöglich eine „Wirtschafts-Kultur“ und „digitale Kontroll-Kultur“ erschaffen, die mit Freiheit und Autonomie der Kunden und mit einer freien Marktwirtschaft nichts mehr zu tun hat.
Mason zeigt, dass auch andere Topologien von „menschlicher Arbeitsteilung und Leistungstausch“ möglich sind.
Vortrag und Gespräch in Berlin
In der kommenden Woche ist Mason erneut in Berlin zu Gast.
Mittwoch, 25.05.2016 | 19:00 Uhr
»Luxemburg Lecture«
Paul Mason Postkapitalismus
Vortrag und Gespräch
Kommentar: Tadzio Müller | Moderation: Barbara Fried, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Salon der Rosa Luxemburg Stiftung | Franz Mehring Platz 1 | 10243 Berlin
Literaturhinweis:
Paul Mason Postkapitalismus
– Grundrisse einer kommenden Ökonomie –
Aus dem Englischen von Stephan Gebauer
Suhrkamp Verlag
Gebunden, 430 Seiten, 26,95 €
ISBN: 978-3-518-42539-8