Freitag, 19. April 2024
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Quo Vadis Gewerbemieten?

Laden: drei Stufen & hoher Energieverbrauch

Zum Jahresende scheint die Zahl leerer Läden in Pankow anzusteigen, der Jahresturnus bei vielen Mietverträgen sorgt für eine auffällige Häufung. Doch in diesem Jahr ist es anders. Die Zahl leerer Läden in Seitenstraßen ist stark angestiegen. Und dazu gibt es ein in Pankow besonders auffälliges Strukturproblem.

Laden: drei Stufen & hoher Energieverbrauch
Laden mit Leerstandsrisiko: drei Stufen & hoher Energieverbrauch

Läden mit Stufen stehen länger leer

Wer sich aufmerksam durch die Straßen bewegt, findet ein auffälliges Muster, das aber zuerst „Insidern“ auffällt: Läden mit Stufen stehen länger leer. Filialisten sind offensichtlich nur in barrierefreien Läden zu finden.

Das Strukturproblem ist historisch-geografisch erklärbar: während der Gründerzeit Berlins wurden auf der Barnim-Hochfläche auch Flächen mit „schwebenden Grundwasser“ und „Schichtenwasser“ bebaut. Die Höhenlage der Keller bestimmte dabei die Zahl der Eingangsstufen an den Hauseingängen und späteren Ladentüren. In Pankow ist daher der Bereich Breite Straße und Berliner Straße besonders reich mit Eingangsstufen und erhöht liegenden Eingängen ausgestattet.

Auch entlang der Berliner Straße in Richtung U-Bahnhof Vinetaplatz sind viele Läden nur über mehrere Stufen erreichbar. Das Phänomen scheint sich in der Schönhauer Allee abzuschwächen. Aber in einigen Seitenstraßen der Berliner Straße ist die gleiche Baustruktur zu finden.

Wer genau darauf achtet, wird plötzlich feststellen: Pankow hat sehr viele Läden, die nur per Treppenstufen erreichbar sind.

Ladenboutique: alles muss raus!
Ladenboutique: alles muss raus!

Treppenstufen als Risiko

Läden mit Treppenstufen eignen sich nicht für jedes Gewerbe, die Nutzung ist eingeschränkt. Physiotherapeuten etwa bekommen derartige Flächen nicht mehr genehmigt. Und Handelsgeschäfte müssen vor allem wegen der älteren Kundschaft auf barrierefreie Zugänge achten.
Für die Vermieter stellen sich Stufen nicht als Problem dar, sie kalkulieren ihre Ladenmieten anhand der vergleichbaren Preise der „Lagen“ und der ihnen bekannten Richtwerte und dem „Orientierungsrahmen für Gewerbemieten“, der jährlich von der IHK in Zusammenarbeit mit Gewerbemaklern herausgegeben wird.

Doch Treppenstufen sind ein Hindernis für Kunden, und manche älteren Menschen trauen sich vor allem im Winter nicht in Läden hinein. Was viele nicht ahnen: „Ältere Menschen haben Angst, beim Verlassen eines Ladens zu stürzen!“ Oberschenkelhalsbrüche sind für ältere Menschen lebensgefährlich, langes Liegen, Lungenentzündung und tödliche Folgen drohen.

Besonders bei Glätte steigt die Gefahr, für Ladenbesitzer entsteht ein unabsehbares Haftungsrisiko. Stolpert der Kunde in den Laden hinein, so ist die Haftpflichtversicherung des Ladenbesitzers in der Verantwortung.

Stolpert der Kunde an der Innenseite der Ladentürschwelle, fällt über die Treppe hinaus auf den Bürgersteig, so sind plötzlich drei Parteien im Spiel:
Der Ladenbesitzer, der Besitzer oder Verwalter der Immobilie und das zuständige Bezirksamt, das bei Gehwegschäden in die Haftung kommen kann.

Laden mit Rampe
Laden mit Rampe in der Florastraße – schnell wiedervermietet!

Mietsache mit Treppenstufen

Vermieter werden daher die Treppenstufen immer zur „Mietsache“ machen, und „Händler und Gewerbemieter“ bekommen den Laden jeweils nur mit einem zusätzlichen Risiko, das bei der Haftpflichtversicherung mit eingeschlossen werden muß. Eine Zeichnung und das Kleingedruckte im Gewerbemietvertrag sollten die Gefahrtragung eindeutig regeln. Dazu gehört auch die Verantwortlichkeit für die Schnee- und Glättebeseitigung, die nach dem Berliner Straßengesetz dem Hauseigentümer in Verantwortung bringt.

Stufen und Treppen als kalkulatorisches Risiko

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellen Stufen ein kalkulatorisches Risiko dar, das bei Mietpreisverhandlungen mitverhandelt werden muß. Kalkulatorische Regeln gibt es hierfür nicht, aber auf Nachfrage bei einem großen Einzelhandelsmakler wurde zumindest eine Faustregel verraten: „Jede Stufe ist mit 10% Abschlag beim geplanten Jahresumsatz des Geschäfts zu rechnen!“.
Ein Geschäft mit einem geplanten Umsatz von 300.000 €/Jahres-Umsatz, müßte also bei einer Stufe mit 270.000 € Jahresumsatz kalkuliert werden. Bei drei Stufen wären nur noch 210.000 € Umsatz zu kalkulieren, und bei dieser Summe wird es schon deutlich zu knapp für viele Einzelhändler, die in der Regel nur noch 30% Roherträge erwirtschaften können.

Selbstverstärkender Effekt vieler Stufen

Liegen in einer Straße viele Läden mit Treppenstufen, obwohl die Lage als beste Lage eingeschätzt wird, so gibt es eine negative Verstärkung. So ist etwa in der Berliner Straße in Alt-Pankow nur der Curry-Imbiss barrierefrei erreichbar. Damit werden die benachbarten Cafés auch nicht so hoch frequentiert, wie es die Lage eigentlich suggeriert. Großeltern und Enkel gehen lieber in barrierefreie Cafés. Mütter mit Kindern und Kinderwagen lieben barrierefreie Cafés mit sicheren Vorgarten.

Auch der Laden braucht einen Energiepass

Die GESOBAU AG inseriert in ihrem Laden mit Anzeige des Energiepass. Eine gesetzliche Pflicht wird damit umgesetzt, doch noch halten sich viele Vermieter nicht daran. Eigentümer sind verpflichtet, Miet- oder Kaufinteressenten über die Energieeffizienz Ihrer Immobilie aufzuklären. Für denkmalgeschützte Häuser und Gebäude mit weniger als 50 Quadratmetern Nutzfläche ist kein Energieausweis nötig. Ebenso ausgenommen von der Regelung sind Gebäude, die nicht regelmäßig geheizt, gekühlt oder genutzt werden.
Doch für Ladenmieter ist die Energiebilanz wichtig: ein Laden mit schlechter Energiebilanz verursacht Mehrkosten von ca. einer Monatsmiete im Jahr. Schon beim Mietvertrag rechnet sich daher eine Energiekosten-Abschätzung und eine entsprechende Mietpreiskalkulation. Ein Umbau der Ladenfront auf energiesparende Bauweisen lohnt oft schon – ebenso die energiesparende Beleuchtungskonzeption mit LED-Ladenbeleuchtungen.

Online-Handel – eine weitere Stufe?

Inwzwischen werden in Berlin rund 9% der Handelsumsätze im Online-Handel erzielt. Die Online-Konkurrenz ist bereits so groß, dass der Vorstand von DHL, Franz Appel von einer Mietsenkungstendenz spricht: „Mehr Versandhandel senkt Mieten in Innenstädten“ Tagesspiegel 8.12.2014.
Bleiben wir bei der Faustregel mit den Treppenstufen, so wirkt die Online-Konkurrenz bereits wie eine zusätzliche Stufe an der Eingangstür.
Doch wer sein Geschäft auf E-Commerce neu ausrichtet, kann die „Kraft der Treppenstufen“ auch als Startchance nutzen: „ein hart verhandelter Mietvertrag und E-Commerce-Lösungen mit Fernabsatz und Lieferservice sprechen auch alle Gruppen und sogar pflegebedürftige Senioren zu Haus an. Der Online-Shop im Hochparterre kann daher auch beste Geschäftschance sein!

Lage, Sonnenlage und Fußgänger-Frequenzen

Auch sogenannte erste Lagen können problematisch sein. Back-Cafés benötigen eine gute „Fußgänger-Verkehrslage“ und kommen ggf. ohne „Nachmittagssonne“ aus. Konditoreien mit Café sollten unbedingt nachmittags Sonne haben, sonst droht der Flop. Auch sind Passanten-Frequenzen von unterschiedlicher Qualität.

Morgens hetzen etwa Fußgänger auf der Westseite der Schönhauser Allee zu den Haltepunkten der TRAM, oder zum S- und U-Bahnhof. Auf der westlichen Seite der Schönhauser Allee halten sich daher kaum Geschäfte, die „Muße“ und „Flaneure“ benötigen. Auf der Ostseite der Schönhauser Allee werden nachmittags die besten Geschäfte gemacht.

An der Kreuzung Eberswalder Straße, Danziger Straße gibt es eine überregional gespeiste Fußgänger-Frequenz, mit vielen Touristen. Das nördliche Ende der Schönhauser Allee hat dagegen mehr „Nahversorgungs-Charakter“.

Für neue Geschäftsideen sollten daher genaue Standortanalysen und klare und kalkulierte Mietvertragsziele geplant werden.

Kerstin´s Versunkene Modewelt in Alt-Karow
Kerstin´s Versunkene Modewelt in Alt-Karow – Randlagen sind auch Chancen!

Neuer IHK-Orientierungsrahmen für Gewerbemieten:

Die IHK Berlin hat – in Zusammenarbeit mit den Gewerbemaklern – ihren „Orientierungsrahmen für Gewerbemieten“ neu aktualisiert. Ergebnis: Für die Top-Lagen im Einzelhandel wirkt sich die weiterhin gute Nachfrage beispielsweise von neuen Mode-Labels steigernd auf die Mietpreise aus.

Schwieriger zu kalkulierende Lagen sinken zum Teil im Preis und verzeichnen auch Leerstände. Hinzu kommen die strukturellen Umbrüche im Handel: Offline geht Online und umgekehrt.

„Mit dem ‚Orientierungsrahmen für Gewerbemieten‘ schärfen wir das Bewusstsein für Preisbildung und Verhandlungsaufbau beim Abschluss von Gewerbemietverträgen, um die Bedeutung eines guten Mietvertrages für die Unternehmer in den Mittelpunkt zu rücken“, sagt der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter. „Bei einem großen Anteil der Gewerbetreibenden ist das Wissen um die nahezu völlige Vertragsfreiheit im Gewerbemietbereich nach wie vor unzureichend. Eine Orientierung mit Hilfe von Bandbreiten zu Gewerbemieten kann der Ausgangspunkt für gute Verhandlungen sein.“

Im neuen „Orientierungsrahmen für Gewerbemieten“ für 2014 wurden erneut die Bandbreiten der Gewerbemieten für die Bereiche Büro, Einzelhandel und Hallen-Werkstattflächen erarbeitet. Erstmals gibt es die Einschätzungen für die Gewerbemieten in der Stadt auch in Form von Karten. So wird der Vergleich mit der eigenen Lagekategorie weitaus einfacher und die Transparenz für die Gewerbemieten in der Stadt deutlich verbessert.

Tendenzen bei Büros, Industrie- und Logistikflächen

Im Industrie- und Logistikflächenbereich wirkt die Hauptnachfrage innerhalb des S-Bahnringes weiterhin preistreibend. Mit deutlichem Abstand bleibt Berlin hier allerdings der günstigste Markt der Metropolen in Deutschland. Der Anteil internationaler Investoren ist stark gestiegen, so dass für die Logistikflächen offenbar ein Preissteigerungspotential gesehen wird.

Bei den mietbaren Büroflächen gibt es weniger Leerstand. Dadurch steigt die Durchschnittsmiete leicht an, während Spitzenmieten relativ stabil bleiben. Auch hier ist die Nachfrage nach Neubau in Top-Lagen hoch. Der Neubau von Büros legt zu, allerdings mit einem weiterhin hohen Vorvermietungsanteil.

Was können Vermieter gegen Leerstand tun?

Das Pankower Strukturproblem mit nicht barrierefreien Läden sollte näher in den Blick genommen werden. Es gibt vielfach Möglichkeiten, das Niveau anzupassen auszugleichen. Die Qualität einiger Abschnitte der Berliner Straße könnte entscheidend verbessert werden, denn Läden mit Stufen sind „Frequenz-Killer“.
Generell muß über individuelle Mietvertragshöhen nachgedacht und verhandelt werden, denn für innovative Geschäftsideen ist bei hohen Mietpreisen nicht mehr genug Spielraum. Zudem hat sich bei über 80% Filialisierungsgrad im Einzelhandel auch eine physische Grenze aufgebaut: noch mehr Filialisten lassen sich in kleinen Läden nicht konzentrieren.

in jedem Fall sollten Vermieter ihre Preisverhandlungen vor Ort führen, und mit örtlichen Maklern und Geschäftsstraßen-Initiativen abstimmen.
Nichts ist schlimmer, als zu hohe Mieterwartungen, die mit Leerstand verbunden werden, die eine mühsam aufgebaute Attraktivität und Kundenfrequenz bei den Nachbarn wieder konterkarieren.

Ladenleerstand schädigt die mühsam zu verteidigende Qualität der Einkaufsstraßen. Zwischennutzungen und Schaufenster-Ausstellungen helfen, unvermeidbaren Leerstand etwas erträglicher und interessanter zu machen.

Die wichtigste Frage für Immobilienbesitzer lautet: „Möchten Sie gern selbst an Ihren eigenen Ladengeschäften und Häusern vorbeiflanieren?“

KAELBERMARKT Ladenfront
KAELBERMARKT – Zwischennutzung der Ladenfront in der Schönhauser Allee 122 im Frühjahr 2013

Weitere Informationen:

„Orientierungsrahmen für Gewerbemieten“ 2014: www.ihk-berlin.de; Dok.-Nr. 101076.

Liste von Zwischennutzungen und Muster-Zwischennutzungsvertrag:
redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de

m/s