Die S-Bahn ist nach dem erneuten Wintereinbruch vom Wochenende aus dem Takt geraten. Sorgen bereitet die Baureihe 485, die mehrere konsruktionssbedingte Schwachstellen aufweist. Von derzeit 515 einsetzbaren Viertelzügen waren am Montagmorgen nur etwa 500 betriebsbereit. Für einen normalen Fahrplan werden jedoch 562 Viertelzüge benötigt. Die S-Bahn legte daher die S45 still und dünnte den Verkehr auf mehreren Linien aus. Weichenstörungen in Westend störten auch den Betriebverlauf auf der Ring-Bahn.
Die letzte Meldung der S-Bahn-Berlin GmbH zum „abweichenden Betriebsablauf“ stammt von 17:23 Uhr:
Aktuelle Abweichungen im Betriebsablauf (Aktualisiert am 11.03. um 17:23 Uhr, weiterhin gültig)
Sehr geehrte Fahrgäste,
nach einer Weichenstörung in Westend verkehren die Linien S41 und S42 nur noch im 10-Minuten-Takt.
Die Linie S 45 verkehrt derzeit nicht.
Bitte nutzen Sie zwischen Schöneweide und Hermannstraße die Linie S 46 sowie zwischen Flughafen Schönefeld und Schöneweide die Linie S 9.
Die Linie S 46 verkehrt derzeit nur zwischen Königs Wusterhausen und Hermannstraße.
Bitte nutzen Sie zwischen Hermannstraße und Westend die Züge der Linien S 41 und S 42.
Die Linie S 47 verkehrt derzeit nur zwischen Spindlersfeld und Schöneweide.
Bitte nutzen Sie zwischen Schöneweide und Hermannstraße die Linie S 46.
Die zusätzlichen Züge der Linie S 5 zwischen Mahlsdorf und Ostbahnhof
(Mahlsdorf ab 01, 21, 41 nach Ostbahnhof, sowie Ostbahnhof ab 12, 32, 52 nach Mahlsdorf) entfallen in der Hauptverkehrszeit.
Die regulären Züge der Linie S 5 zwischen Strausberg Nord / Strausberg / Hoppegarten und Spandau fahren nach gültigem Fahrplan.
Die Linie S75 verkehrt derzeit nur im 20-Minuten-Takt.
Wir bitten um Entschuldigung.
(Update: dieser Hinweis ist auch um 22:00 noch weiter gültig).
Damit setzten sich die Behinderungen im abendlichen Berufsverkehr bis in die Nacht fort. Kleinere Verspätungen auf anderen Linien werden nur über die Fahrrichtungsanzeigetafeln angezeigt – und tauchen in den Störungsmeldungen nicht auf.
Wie viele S-Bahn-Fahrzeuge gibt es?
Die S-Bahn Berlin verfügt über insgesamt 650 Viertelzüge. Diese teilen sich auf die drei Baureihen BR 481 (500 Viertelzüge) Spitzname „Taucher“ , BR 480 (70 Viertelzüge) Spitzname „Toaster“ und BR 485 (80 Viertelzüge) Spitzname „Cola Dose“ auf.
Der Spitzname Taucher wurde wegen des großen Frontfensters der BR 481 vergeben – das an eine Taucherbrille erinnert. Der Spitzname „Toaster“ bezieht sich auf eine ehemalige Baureihe 480 von SIEMENS-Haushaltstoastern. Und die Züge der Baureihe 270 hatte der VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf seit Ende der 1970er Jahre gebaut. Das Äußere der Fahrzeuge wurde von der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle entworfen – mit einer rein roten Farbe, die an das Rot der Cola-Dosen erinnerte. Bei Übernahme durch die DB AG nach der Wende, wurde die Baureihe in BR 485 umgetauft.
Von den insgessamt 650 Viertelzügen waren in den Jahren der offenen S-Bahnkrise zwischen Anfang 2009 und Anfang 2012 nur eine drastisch verminderte, wechselnde Anzahl von S-Bahn-Zügen unterwegs: zwischen 430 Viertelzügen und im ungünstigsten Fall nur 155 Viertelzügen.
Zur Kompensation technischer und betrieblicher Einschränkungen hält ein Verkehrsunternehmen normalerweise Reserven bereit: Bei der S-Bahn Berlin sind das 70 Viertelzüge. Unter normalen Bedingungen stehen damit der S-Bahn für den Betrieb planmäßig 580 Viertelzüge von insgesamt 650 Viertelzügen zur Verfügung. Dieses entspricht einer Quote der technischen Flottenverfügbarkeit von gut 89 Prozent und einer Betriebsund Instandhaltungsreserve von rund 11 Prozent.
Seit Beginn der S-Bahn-Krise im Jahr 2009 wurde diese hohe Flottenverfügbarkeit nicht mehr erreicht. Bei jedem größeren Schnee-Ereignis fallen Züge aus den unterschiedlichsten Gründen aus. Zudem vereisen Weichen und müssen manuell von Eis befreit werden.
Technische Schwachpunkte der S-Bahn bei Schneefall
Am heutigen Tage gab es trotz Weichenheizungen zwei Weichenstörungen, früh am Ostkreuz und Mittags am Bahnhof Westend – die zu weitreichenden Störungen führten. Diese Störungen entstehen, wenn sich dicke Schneepakete zwischen die Weichenzungen festbacken und vereisen. Hier hilft nur eine manuelle Eisbeseitigung wie zu alten Zeiten.
Große Probleme gibt es mit dem Zügen der Baureihe 481, die von AEG/Adtranz/Bombardier Hennigsdorf und DWA/Bombardier Halle gefertigt wurden.
Die Baureihe 481 wurde 1996 bei der S-Bahn eingeführt und bis zum 30. September 2004 wurden 500 Viertelzüge übergeben. Die völlig neu konzipierte Baureihe war anfangs sehr zuverlässig – doch im Laufe der Zeit stellten sich viele Schwachpunkte für den Winterbetrieb heraus:
Die wichtigsten Schwachpunkte bei der Baureihe 481 liegen in der Bremstechnik: die Besandungsanlage fror regelmässig ein – ein vorschriftsmäßige Bremssicherheit war damit bei Schnee und Falllaub auf den Gleisen nicht mehr gegeben. Erst eine aufwändige Nachrüstung der Besandungsanlagen wird das Problem nach und nach, Viertelzug für Viertelzug lösen können.
Auch Flugschnee ist auf den stadtauswärts führenden längeren Strecken ein Problem: der durch den Fahrtwind aufgewirbelte Flugschnee verklebt die frei unter dem Wagenboden befindlichen Motoren. Im August 2011 gab die S-Bahn Berlin bekannt, dass die durch Flugschnee hervorgerufenen Problemen mit den Fahrmotoren zwar durch Motorentausch reduziert werden könnten, der Ausfall der Elektronik durch Ansaugen von Flugschnee aber bauartbedingt sei und noch keine Lösung hierfür existiere.
Ein weiterer Schwachpunkt sind die barrierefrei angelegten Türschwellen: der an Schuhen anhaftende Schnee setzt die Türschienen zu, die Türlaufrollen bleiben stecken – und Türen schließen nicht richtig. Dabei verhindert die automatische Türsicherung eine Weiterfahrt des Zuges. In der Not behilft man sich mit dem Verschließen der Wagentüren – und fährt zum Teil mit S-Bahn-Zügen, in denen einer von zwei Viertelzügen verschlossen bleibt.
Zwar kann man die Türschwellen manuell reinigen – aber das würde an jedem Bahnhof mehrere Hilfskräfte binden. Abhilfe kann hier nur eine andere Türkonstruktion bei einer noch neu zu entwickelnden neuen S-Bahn-Baureihe schaffen.
Das alljährliche Schneechaos bei der S-Bahn ist eng mit der unzureichenden Technik dieser Baureihe 481 verbunden. Die Motoren-Probleme und die Bremsprobleme werden durch Wartung und Nachrüstung beseitigt. Danach sind die Fahrzeuge noch durchschnittlich etwa 29 Jahre nutzbar. Die Türprobleme werden aber werden bei dieser Baureihe bleiben. m/s
Update am 12. März 2013 – 7:00 Uhr
Die S-Bahn meldet für heute neue Störungen:
„Wegen eines Schienenbruch im Bereich Potsdamer Platz kommt es auf den Linien S 1, S 2 und S 25 zu Verspätungen, die Linie S 45 verkehrt derzeit nicht. Bitte nutzen Sie zwischen Schöneweide und Hermannstraße die Linie S 46 sowie zwischen Flughafen Schönefeld und Schöneweide die Linie S 9.“
„Die Linie S 46 verkehrt derzeit nur zwischen Königs Wusterhausen und Südkreuz. Bitte nutzen Sie zwischen Südkreuz und Westend die Züge der Linien S 41 und S 42.
Auf der Linie S 5 entfallen am Vormittag (ca. 06:00 Uhr bis 09:00 Uhr) die zusätzlichen Züge von Mahlsdorf (ab 01, 21, 41) nach Ostbahnhof bzw. von Ostbahnhof (ab 12, 32, 52) nach Mahlsdorf.
Viele Zugausfälle wurden auch bei modernisierten Fahrzeugen der Baureihe BR 485 verursacht – die auf Türstörungen und Motorstörungen und Ausfälle zurückzuführen sind.
Update am 19.03.2013 7:00 Uhr
Ein erneuter Kälteeinbruch mit mäßigen bis starken Schneefall hat berlin erfaßt. Die S-Bahn kämpft erneut gegen den Schnee an. Um 5:55 Uhr wurde die Störungsmeldung der S-Bahn GmbH veröffentlicht:
„Nach einem Schadzug in Westkreuz kommt es auf den Linien S 41, S 42 und S 46 zu Verspätungen und einzelnen Ausfällen.“