Samstag, 21. September 2024
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Zensus aus Pankower Perspektive eine Zäsur

Eberswalderstrasse im Regen

/// Kommentar /// Die neuen Ergebnisse der Volkszählung, Mikrozensus genannt, betreffen auch den Bezirk Pankow und seine 13 Ortsteile. Die Daten der Einwohnerzahl von 381.602 vom letzten 30. Nov. 2012 stimmen nicht. Nach den Ergebnsissen das Mikrozensus lebten 2011 nur 355.361 Einwohner im Bezirk – „statistisch“ eine Schrumpfung von rund 5.4 % gegenüber den bisherigen Zahlen.

Eberswalderstrasse im Regen
Zukunftsaussichten in Pankow eingetrübt: Eberswalder Strasse im Regen

Für die Zukunft wirken sich diese neuen Zahlen erheblich aus: Pankow ist statistisch geschrumpft und muß darum künftig auch kräftig sparen.

Hiobsbotschaft für ganz Berlin

Berlins CDU-Fraktionschef Florian Graf hat bereits die Ergebnisse der Volkszählung als „absolute Hiobsbotschaft für Berlin“ bezeichnet.
Die Zahlen sind insgesamt erschreckend: zum Stichtag der Volkszählung am 9.Mai 2011 lebten in Berlin 179.391 Menschen weniger, als bisher angenommen. Statt 3,47 Mio. Berlinern waren statistisch nur 3,29 Mio. Berliner verzeichnet.

Die gesamte Haushaltsplanung für den nächsten Doppelhaushalt 2014/2015 wird bereits mit beträchtlichen Einschnitten rechnen müssen. Berlin bekommt insgesamt jährlich rund 470 Mio. € weniger aus dem Finanzausgleich – und muß rund 940 Mio. € für die zurückliegenden Jahre 2012 und 2013 in den Finanzausgleich zurückerstatten.

Zusätzlich fallen mindestens 440 Mio. € Mehrkosten für den Flughafen BER an. Es fehlen nun plötzlich mehrere Milliarden € in der Finanzplanung, die eigentlich bis 2016 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen sollte.
Ausgeglichen – das heißt: keine neuen Schulden aufnehmen, zusätzlich zu den bestehenden noch rund 62 Mrd. € Altschulden, für die jährlich rund 2,5 Mrd. € Zinsen zu zahlen sind.

Was kommt auf Pankow zu?

Für Pankow sind die Zahlen des Mikrozensus ebenso eine Katastrophe, weil sie für die Neubemessung der finanziellen Zuweisungen des Landes Berlin an den Bezirk herangezogen werden müssen. Bei einer Schrumpfung der Bevölkerung von 5.4 % kommen damit zweistellige Millionen-Sparbeträge auf den Bezirk zu und müssen auf niedrigeren Niveau fortgeschrieben werden.

Im Verhältnis zur gesamten finanziellen Last Berlins, wird Pankow praktisch in der Dimension etwa 10% der Kürzungen des Land Berlin tragen müssen. Das sind voraussichtlich jährlich rund 47 Mio. € weniger an Zuweisungen, und zugleich eine Rückzahlung von 94 Mio. € aus den Jahren 2012 und 2013 – wenn eine Rückzahlungspflicht tatsächlich eintreffen sollte. Pankow wäre auf Jahre hinaus handlungsunfähig und praktisch pleite.

Für Bürgermeisters Mathias Köhne und seine Bezirksverwaltung ist das ebenso ein Riesenschock, weil man eigentlich seit 2011 eine ganz erfolgreiche Neuordnung im Bezirksetat begonnen hatte, und durch Steuer-Mehreinnahmen und abgeschlossenen Stellenabau wieder neuen Handlungsspielraum erarbeitet hatte. Die Schulden des Bezirks verringerten sich auf 20 Mio. €.

Und nun muß praktisch eine Last von kalkulatorisch 94 Mio. € abgetragen, und eine jährliche Kürzung von 47 Mio. € verdaut werden.

Politik und Verwaltung müssen die neuen Zahlen erst einmal verarbeiten – und auf den Bezirkshaushalt herunterrechnen. Es wird ein anstrengender Akt, weil mehrere Schritte ineinander greifen müssen, um zu neuen Zahlen zu kommen:

  • die Bestandsdaten müssen korrigiert werden
  • die Zahlen des Mikrozensus vom 9.Mai 2011 müssen zugrundegelegt werden
  • die aktuellen Zahlen 2013 mit Einwohnerzuwächsen gegenüber 2011 müssen ermittelt werden
  • der alte Planbedarf von 2011-2013 muss korrigiert werden (Kitas, Schulen, Personal, KLR usw.)
  • die Neuplanung muss vorbereitet und in einen neuen Haushaltsplanansatz verwandelt werden.

Grundsatzfragen für Berlin und Pankow

Für ganz Berlin und für den Bezirk Pankow stellen sich eine ganze Reihe von Grundsatzfragen, weil die geforderte Höhe der Einsparungen auch wichtige Großprojekte in Frage stellt, und Attraktivität und Ausstattung von Berlin und seinen Bezirken berührt. Auch die Kulturförderung steht vor strukturellen Einsparmaßnahmen – obwohl sie zum Hauptstadtboom ganz enorm beiträgt.

Zugleich sind die Spielräume für eine Neu- und Umverteilung gering – und es wird an einigen Stelle sehr tiefe Einschnitte geben müssen. Praktisch müssen alle Projekte und Politikbereiche durchgeforstet werden.

Andererseits ist Berlin eine wachsende Stadt, in einigen wichtigen Branchen sogar „Boomtown“ – und es ist womöglich gar kein nachhaltiger Pessimus, sondern kreatives Sparen & Gestalten und ein „Durchstarten der Hauptstadtregion“ anzustreben.

Berlin sucht deshalb genau wie der Bezirk Pankow nach vernünftigen und kreativen Möglichkeiten, wie gespart, gestaltet und neu entwickelt werden kann. Querdenken hilft womöglich weiter!

Auch der Länderfinanzausgleich gehört auf neu den Prüfstand!

Die Bedingungem des Länderfinanzausgleich beruhen auf Zensusdaten von 2011. In Realität ist Berlin seit diesem Datum aber gewachsen, und hat mehr Einwohner, mehr Firmenansiedlungen und mehr Steuereinnahmen erzielt. Die errechnete Finanzbasis nach den Zensus-Daten 2011 stimmt nicht mit der Realität 2013 überein. Es gibt einen „statistischen Time-Lag“.

Es ist für Berlin und für Pankow wirtschaftspolitisch und psychologisch wichtig, diese realen Zuwächse anhand fortgeschriebener Daten für 31.12.2013 bei der Neuberechnung der Finanzzuweisungen ab 2014 mit zu berücksichtigen.

Die Regierungskoalition im Berliner Abgeordnetenhaus sollte hier ein klares Zeichen setzen, damit in Berlin nicht ein zweites Mal ein tiefer struktureller Sparschock eintritt, wie in der Diepgen-Ära, als die Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Kohl kurzerhand und ohne Anpassungszeit die „Berlinförderung“ wegfallen ließ.
Tatsächlich hat sich Berlin, und insbesondere Berlin-West nicht von diesem Schock erholt, und zahlte und zahlt deshalb hohe Sozialausgaben für frühzeitig arbeitslos gewordene Industriearbeiter. Ein Großteil der Schuldenlast Berlins rührt aus dieser Zeit her. Auch Ost-Berlin hat in der Wendezeit sehr viele Industriearbeitsplätze verloren.
Bis heute hat Berlin diesen Verluste noch nicht aufgeholt – und zahlt einem hohen Anteil für Arbeitslosigkeit und Sozialkosten.

Der künftige Länderfinanzausgleich sollte daher künftig an Realindikatoren gemessen werden, die man nun basierend auf den Zensusdaten von 2011 aktuell bis zum Stichtag 31.12. 2013 neu aufbauen kann.

Den süddeutschen Einzahlern in den Länderfinanzausgleich muß dabei klar gemacht werden: ein erklecklicher Teil ihrer eigenen Steuereinnahmen wird durch jahrelange Kredit- und Investitionspolitik ihrer Landeskinder im Land Berlin erzielt, weil sie in Immobilien und Geschäfte investiert haben, jedoch weiter in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen Steuern zahlen.
Zudem sind beträchtliche Mehrausgaben am Flughafen BER direkt an süddeutsche Unternehmen geflossen, die hier in Schönefeld durch das Versagen eines süddeutschen Projektmanagers noch nicht einmal Garantie leisten müssen.

Es muß auch bedacht werden: Bayern und Baden-Württemberg profitieren überdurchschnittlich, weil es einige wenige Unternehmen gibt, die von bundesweit finanzierten Rüstungsprojekten und Wehrausgaben des Bundes profitieren.
Zudem profitiert Bayern von hohen Umlagen für Solarstrom und von billig aus China beschafften Solarmodulen – während praktisch die gesamte in Brandenburg beheimatete Solarindustrie in den letzten drei Jahren pleite gegangen ist.

Hauptstadtregion Berlin auf dem Prüfstand

In Berlin-Brandenburg muss der Länderzusammenschluß zu einen Bundesland konkret neu auf die politische Agenda gesetzt werden. Die nächste Bundesregierung muss dabei auch eine völlige Neuordnung aller Bundesländer ins Auge fassen, weil es ungeheuer teure Disparitäten gibt:

Das Bundesland NRW hat z.B. ca. 8,4 Mio. Haushalte – und kommt mit nur einer Ministerpräsidentin aus. Die gesamten ostdeutschen Bundesländer haben ca. 8,6 Mio. Haushalte – und werden von 5 Ministerpräsidenten und 1 Regierenden Bürgermeister mit ihren jeweiligen Verwaltungsapparaten regiert. Gleichzeitig müssen immer mehr Geld in Verwaltungskosten und Pensionen gesteckt werden – statt in notwendige Zukunftsinvestitionen.

Das größte Hindernis für einen Länderzusammenschluß ist dabei Mathias Platzeck, der in seiner Amtszeit praktisch kein einziges nachhaltiges zukunfsweisendes Strukturprojekt aufgelegt hat und praktisch nur noch Kostgänger der positiven Berliner Gesamt-Entwicklung ist.

Cargo-Lifter, Mikrochipfabrik, Solarindustrie, versagende Strukturpolitik in der Lausitz, leerstehende Finanz- und Arbeitsämter, sogar Schulen, schrumnpfendende Bevölkerung und eine Zukunftsprognose, die nur bis zum 77. Geburtstag des Ministerpräsidenten reicht.
Platzeck hat zudem die gesamte Hauptstadt-Region um Chancen betrogen, weil er in der Flughafenplanung einen Länderzusammenschlu0 vereinbart hat – in der realen Politik aber bodenständigen ostdeutschen Regionalismus und Autarkismus verfolgt hat.

Klaus Wowereit hat sich dabei über den Tisch ziehen lassen – und versenkt hunderte Millionen in Schönefeld – ohne die fiskalishen und investitionspolitischen Folgen für ganz Berlin zu Ende zu denken.

Wenn es auf absehbare Zeit keinen Länderzusammenschluß gibt, ist es auch eine verfassungspolitische Frage, wenn Berlin weiter Geld in einem anderen Bundesland versenkt, und noch nicht einmal den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft hat.

BER Vorfeld als Simulation :
BER Vorfeld als Simulation : Foto: gmp Architekten, JSK International, Björn Rolle, Flughafen Berlin Brandenburg

Sparen, Gestalten und Durchstarten

Um das finanzielle Desaster am Flughafen BER nicht vollends auf die Bürger und die öffentlichen Haushalte durchschlagen zu lassen, muß eine Teilprivatisierung des Flughafens BER und eine strukturelle Verkleinerung der Flughafengesellschaft ins Auge gefasst werden. Gleichzeitig benötigt die Hauptstadtregion eine völlig neue Flughafenplanung, die im Hinblick auf eine weltweite Vernetzung der wichtigen Schlüsselbranchen der Hauptstadt optimiert ist.

Eine Offenhaltung des Flughafen Tegel für den Geschäftsreiseverkehr ist erforderlich, damit dort ein zukunftsweisender und wirtschaftlich gewinnbringender Gewerbepark neu entstehen kann.

Es wäre ein nachhaltiger Gewinn, für Tegel zwei-drei große Konzerninvestitionen zu akquirieren, die in einer wirtschaftlichen Größenordnung der Steuereinnahmen liegen, wie der einstige Wegzug von SIEMENS nach München verursacht hat.

Wer künftig „Urban Technologies“ von Berlin aus verkaufen will, kann nicht gleichzeitig auf den Schlüsselbereich „Flughafen“ verzichten, oder Managern im Stau auf der Stadtautobahn nach BER-Schönefeld die „Termine verrecken“ lassen.

Fiskalpolitisch macht es auch keinen Sinn, Berliner Steuergelder in Schönefeld zu versenken, wenn kein Länderzusammenschluß. kommt. Der politische „Planungsbetrug“ von Mathias Platzeck in der Flughafenplanung gehört daher auf die politische Tagesordnung!

Großprojekte: Landesbibliothek und Kongreßzentrum

Die geplante Landesbibliothek gehört auf die Streichliste. 230 Mio. € und jährliche zweistellige Kosten für die Bibliothek können hier gespart werden. Zukunftsweisend wäre es, wenn man stattdessen eine Verfügbarkeit von Büchern in digitalen Medien und im Internet verbessern würde. Die Investition von Microsoft in „Researchgate“ weist einen Weg, wie man mit Hilfe privater Investoren zu einem strategischen Ansatz kommen kann, der „Wissen, Dokumente und Bücher“ digital allseits verfügbar macht.

Die Sanierung des ICC-Berlin muß ebenfalls in Frage gestellt werden. Hier kommt praktisch nur noch eine Privatisierung in Frage, weil es keine Aussicht auf einen betriebswirtschaftlich gewinnbringenden Betrieb seitens der Messe Berlin mehr gibt (obwohl es sich volkswirtschaftlich noch durchaus für Berlin lohnt). Sicher passt hier kein Einkaufszentrum hin, wohl aber eine exklusive Nutzung mit Hotel, Wellness- und Kongre0zentrum und hochwertigen Showrooms – wenn möglich mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach.
Vielleicht holt man aber auch eine internationale Organisation nach Berlin, die das ICC wie das UN-Hauptquartier in New York nutzen kann?

Schneller Bauen in Pankow: Kräne über dem Florakiez
Schneller Bauen in Pankow: Kräne über dem Florakiez

Sparen und Gestalten in Pankow

In Finanzfragen gibt es in Pankow bisher keine ausreichende Offenheit für die Bürger. Haushaltspläne sind zwar öffentlich im Netz einsehbar. Aber der erreichte Ist-Stand und tendenzielle aktuelle Daten sind für den Bürger nicht erkennbar.
Die bisherige Tendenz, die Haushaltszahlen vorwiegend nichtöffentlich zu behandeln, und die über 536 Seiten umfassende Haushaltsplanung in nur einigen wenigen Worten und Andeutungen in der BVV zu behandeln, muss noch erst überwunden werden.

Bürgermeister Mathias Köhne kann die brisante Lage nun für eine Vorwärts-Verteidigung nutzen, und die Haushaltsplanung öffentlich machen, damit die Bürger auch selbst auf Basis transparenter Informationen Vorschläge entwickeln können. Eigentlich ist der Weg in die Bürgerkommune längst geplant – und es sollte möglich sein, die wichtigsten Haushaltsplanzahlen und Ist-Zahlen in ein paar „Powerpoint-Charts“ zusammen zu fassen.

Haushaltsrisiko Belforter Strasse

So sind z.B. die entstehenden Kosten aus dem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Bezirk Pankow und dem Investor Bahr bezüglich des Streits um die Erhaltungssatzung am Vorhaben Belforter Strasse bislang nicht öffentlich bekannt – obwohl es im Rechtsstreit um eine mögliche Schadenshöhe von bis zu 15 Mio. € für den „Planungsschaden“ ging. Die konkrete Zahl wird wohl erst öffentlich, wenn der Vergleich rechtskräftig wird (ein gesonderter Beitrag zu diesem Thema folgt).

Chance Einwohnerzuwachs, Wohnen & Arbeiten

Die bisherige Planung des STEP Wohnen sieht beträchtliche Zuwächse für den Wohnungsbau in Pankow vor. Die Ergebnisse des Zensus legen nun nahe: schneller Bauen und schnellere Einwohnerzuwächse werden zur finanzpolitisch lohnenden Strategie.
Die genehmigten 6 neuen Mitarbeiter in der Abt. Stadtentwicklung müssen daher schnellstens eingestellt und eingearbeitet werden.

Die Planungssystematik des STEP Wohnen hat allerdings den Blick zu sehr auf „das Wohnen“ fokussiert. Richtiger ist es, stärker als bisher in der Stadtentwicklung auf die neue Integration von Wohnen & Arbeiten und auf zeitgemäße Bau- und Wohnformen zu achten, die auch Kleingewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen ansiedeln.
Der Bezirk Pankow benötigt eine „wertorientierte Ansiedlungspolitik“, die verstärkt Investoren, Gründer und privates Kapital anzieht, um die finanzpolitische Einnahmelücke auszugleichen.

Pankow braucht ein Gründer-Zentrum

Wenn man in Berlin-Buch z.B. rund 5.000 neue Wohnungen bauen will, dann entstehen auch etwa 1.500 Arbeitsplätze, die entweder im Home-Office, als Dienstleistungs- und Teilzeitarbeit oder als chemisch-technische Fachkraft oder Wissenschaftler – oder aber als Freiberufler oder Unternehmer enstehen können.
Der größte Wertzuwachs kann ermöglicht werden, wenn sich neue Unternehmer ansiedeln, die selbst neue Arbeitsplätze schaffen. Noch mehr Wert und Finanzkraft würde entstehen, wenn man in Pankow endlich ein eigenes Gründerzentrum schafft und in weitere Zukunftsfelder hinein investiert. Deshalb wird eine qualitative und wertorientierte Ansiedlungspolitik notwendig.

Sowohl in den Bereichen Kultur- und Kreativwirtschaft (mit 11 Branchen), als auch im Bereich „Design, Art & Industrie 4.0“ hat Pankow bereits heute immense Potentiale, die mit nur wenigen verfügbaren Fördermitteln angestoßen werden müssen.

Auch im Bereich Verkehrs- und Bahntechnik (STADLER) und im Bereich Medizin, Biotechnologie und Biotechnik (Campus-Buch) gibt es Riesenchancen, die durch ein Gründerzentrum verstärkt werden können.

Im Bereich Internet-Wirtschaft ist man in Pankow leider nicht gut aufgestellt: man bietet Raum, Startchancen und eine gute Vernetzung. Aber die Wachstums-Investitionen wandern aus Prenzlauer Berg in die Nachbarbezirke Mitte, Kreuzberg und Friedrichsthain ab – weil man sich nicht ausreichend um Risikoinvestoren kümmert.
Bei ZALANDO hat man z.B. jahrelang den Start mit Verlustabschreibungen dulden müssen – in Friedrichshain kann nach dem Umzug bald von der künftigen Gewinnphasee profitiert werden.

Die Abteilung Wirtschaft im Bezirksamt braucht daher eine personelle Verstärkung und einen Zukunftsplan für die Entwicklung und Vernetzung des Wirtschaftsstandortes Pankow.

Die Vernetzung mit den klassischen Berliner Institutionen wie IHK, Technologieförderung und für Gründerförderung muß dabei erheblich verstärkt werden, weil man vorhandene Potentiale nicht genügend ausnutzt.

Neuorientierung der Bezirkspolitik

Die Bezirkspolitik muß sich viel stärker auf die Zukunftsentwicklung ausrichten, und lokale „Mikro-Themen“ wie „Pfandflaschenhalter“, „Nachbarschaftstreffs“ und „Zahnrettungsboxen“ stärker mit tragenden Zukunftsthemen ergänzen. Neben einer alljährlichen „Senioren-BVV“ sollte es auch eine „Chancen-BVV“ geben, die vielleicht auch einmal im Campus Buch tagt, oder in einem anderen der 52 Technologiezentren der Hauptstadtregion – oder sogar einmal im BETAHAUS in Kreuzberg.

Dazu gehört auch eine grundlegende Aufgabenkritik und möglicherweise eine Reform der bezirklichen Verwaltungsstruktur und eine Neujustierung von freiwilligen Ausgaben und schwer steuerbaren sozialen „Pflichtausgaben“.

Neuen Spielraum wird es nur geben, wenn man grundsätzlich neue Ziele und Strukturen bedenkt!

Quergedacht: neue Gesamtzuständigkeit für Jugend, Schule, Kulturelle Bildung und Sport

Der größte finanzielle Last für die öffentlichen Haushalte entsteht in den Bereichen Jugend, Schule, Bildung und Arbeits & Soziales. Hier hat Berlin beständig kaum beherrschbare Haushaltsrisiken: individuelle Antragsleistungen und Pflichtleistungen für Sozialhilfe, Pflege, Jugendhilfe und Hartz 4 entziehen sich praktisch einer Steuerung. Der Staat reagiert – statt zu agieren.

Was wäre, wenn man diese Bereiche grundsätzlich neu ordnet – um zukunftsweisende, präventive Synergien zu schaffen?

Braucht die „Creative City“ in diesem Bereich vielleicht eine „postindustrielle“ auf Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtete Struktur des Sozialstaats?

Der Problemkreis:

  • Kann Berlin (und Pankow) sich Schulabgänger ohne Abschluß leisten, die danach Hartz 4 beantragen, womöglich lebenslang?
  • Mündet staatliche Jugendhilfe nicht zu oft in „Betreuung“, statt in aktivierender Hilfe zur Selbsthilfe?
  • Mutiert Hartz 4 inzwischen zur alleinigen Hilfe zum Lebensunterhalt, statt zur aktivierenden Arbeítsförderung, und lässt Berlin dabei in gewaltigen Ausmaß Bundes-Fördermittel verfallen, neue Arnmutskarrieren entstehen, und langjährige kommunale Sozial- und Folgekosten-Pflichten?
  • Ist Jugendarbeitslosigkeit ein Ergebnis unserer bisherigen Bildungs- und Sozialhilfe-Politik, die in Zuständigkeiten und Betreuungskategorien denkt?

Sollen junge Menschen vielleicht künftig früher Verantwortung übertragen bekommen, und kommunale, soziale, kulturelle Aufgaben und Aufgaben im Sport übernehmen – und sich dabei ein soziales Chancenumfeld schaffen können? Können wir dabei vielleicht auf erfolgreiche Modelle aus Europa zurückgreifen?

Neuer finanzieller Gestaltungsspielraum

Der größte Handlungsspielraum würde entstehen, wenn man die bislang getrennten Bereiche Schule, Kulturelle Bildung, Jugend und Sport künftig unter einer Zuständigkeit eines Stadtrates bündelt – der hierfür eine Haushalts-Gesamtverantwortung trägt.
Die Finanzmittel in diesem Bereichen werden nicht mehr in Konkurrenz, sondern in Synergie eingesetzt.

Statt defensiver, betreuender Ausgabenpolitik eine „entwickelnde“ und aufbauende Politik, die das „soziale Kapital des Einzelnen“ und der individuell gewählten Gemeinschaften in Kommune, Kultur, Sport und Ausbildung stärkt – und niemand mehr ohne Bildungsabschluß entlässt.

Die Nachhaltigkeit kultureller Bildung und die „Selbstverantwortungskultur“ wird dabei zum elementaren Maßstab:

Inwieweit tragen junge Menschen für sich und andere Verantwortung und engagieren sich auch für einen eigenen Bildungsabschluß?

Und wie integrieren sie sich in soziale Verantwortungs- und Hilfe-Netze, und schaffen sich ein eigenes soziales und kulturelles Umfeld?

Können dabei auch „Verantwortung“ und „Aufgaben“ verteilt werden, bei der Wartung von Sportplätzen, Schulhöfen, Grünanlagen, kulturellen Einrichtungen und bei Vereinen und Initiativen?

Der künftige „Stadtrat für Jugend, Schule, Kulturelle Bildung und Sport“ hätte eine Zuständigkeit bis zum 24. Lebensjahr – und würde seine Haushaltsmittel danach richten, um Abschlüsse, Berufsfähigkeit, Eigenverantworztung und soziale Integration im gesamten Sozialraum des Bezirks zu fördern.

Anstelle der hohen Kosten einer Heimunterbringung Einzelner in Höhe von jährlich 70.000 € müssten Alternativen zur Integration abgewogen werden können: Lehre, Bildungsabschluß, betreute Arbeit, Gemeinschaftsprojekte und projektbezogene Lohnaufstockkung für 1.300 €-Jobs.

Erfolgskriterium sind nicht mehr die Zahl der Sozialarbeiter, sondern erfolgreiche Starts junger Menschen in die Gesellschaft!

Die politische Leitschnur wird damit grundsätzlich verändert:

Wie müssen künftig Strukturen, Institutionen und Projekte ausgestaltet werden, damit NIEMAND mehr im 24. Lebensjahr ohne Abschluß und Arbeit ist? Wie kann Bildung und der Einstieg in Gesellschaft und Beruf organisiert werden, um die Sozialhilfeausgaben Schritt für Schritt, Fall für Fall auf Dauer minimieren zu können?

Kultur, Senioren und Facility-Management

Auch in einem zweiten Bereich sollte es eine Neuordnung der Zuständigkeiten geben:

Kultur, Senioren und Facility-Management sollten künftig in einer gemeinsamen Zuständigkeit liegen. Der Grund ist statistisch offensichtlich: wir haben einen wachsenden Anteil Senioren, die geburtenstarken Jahrgänge kommen in die Jahre. Die geplante Senioren-BVV wird wieder neue Bedarfsmeldungen hervorbringen – die aber viel Geld kosten – das gar nicht da ist.

Um die Senioren nicht auf St. Nimmerlein zu vertrösten – braucht es also schon eine etwas revolutionäre Idee!

Was könnte ein Stadtrat für Kultur, Senioren und Facility-Management besser machen? Er könnte auf die grandiose Idee kommen:

Kultureinrichtungen werden überwiegend abends genutzt und haben tagsüber freie Raumkapazitäten.

Anstatt also entsprechend dem wachsenden Bedarf neue Senioreneinrichtungen zu bauen, und diese Altersgruppe gesellschaftlich zu seggregieren, könnte man SeniorInnen integrieren und bestehenden Kultureinrichtungen sogar aktivieren, besser ausstatten, aufwerten und sichern. Auch ist eine aktivierende Seniorenpolitik ein guter Weg, die Generationen zu integrieren – und der heraufzieheden Altersarmut und Einsamkeit alter Menschen entgegen zu wirken!

Tosca : Cie Toula Limnaios Foto: Alfredo Pastor
Erfolgreicher Kulturexport: Tosca von Cie. Toula Limnaios Foto: Alfredo Pastor

Wirtschaft, Arbeit, Kulturwirtschaft & Tourismus

Auch im Bereich Wirtschaft, Arbeit, Kulturwirtschaft & Tourismus gibt es Handlungsbedarf, Chancen und neue Synergien. Die bezirkliche Wirtschaftsförderung, Arbeitsförderung, Kulturwirtschaft & Tourismus bergen immense Potentiale speziell für kleine Unternehmen, für Kreative, Künstler und Agenturen.

Was würde zum Beispiel mit dem Kulturstandort Thälmannpark passieren, wenn es dort ein Literatur-Café mit Pizza-Ofen gibt? Würde das Energiekosten im Kultur-Etat sparen?

Was könnte ein BETAHAUS-Kultur mit einem 400 Personen-Saal daneben bewirken? Könnte das THEATER UNTERM DACH dort auch den Saal für größere Aufführungen nutzen?

Und was würde ein Artist-Hotel in unmittelbarer Nähe zur WABE bewirken? Könnten dann mehr Gastspiele stattfinden?

Was könnte eine Agentur für „Kulturexport“ bewirken, die EU-weit Konzerte, Auftritte und Ausstellungen organisiert?

Sparen, Gestalten und Durchstarten

Die Politik in Berlin ist erst einmal geschockt – mit Recht! Der Zensus ist auch aus Pankower Perspektive eine harte Zäsur!
Aber Berlin und Pankow – und auch die anderen Bezirke – haben viele Potentiale, wenn man sich nur recht besinnt!

Berlin ist eine kreative Stadt, und Pankow ist als Bezirk auch „Creative City“.

Was zeichnet eine Creative City eigentlich aus?

Ist es nicht die Fähigkeit, die eigene Zukunft zu erdenken, zu bedenken, zu durchdenken – um danach die neuen Anforderungen für veränderte Politik, konkretes Tun und neues Regierungshandeln zu entwickeln?

Lassen sich Sparzwang und Gestaltungsdrang vielleicht sogar mit Kreativiät und Spardrang in ein neues Gleichgewicht bringen?

Es wäre ein neues Modell: Berlin mit Charme – Sexy & Innovativ! m/s

m/s

One thought on “Zensus aus Pankower Perspektive eine Zäsur

  1. Usually I do not read article on blogs, but I wish to say that this write-up very compelled me to take a look at and do it! Your writing taste has been surprised me. Thank you, quite great article.

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