Im nächsten Jahr steht das große Reformationsjubiläum im Kalender: 500 Jahre sind vergangen, seitdem Martin Luther mit seinen 95 Thesen einen großen Umbruch ausgelöst hat, die er als „Doctor Theologiae“ an der Universität Wittenberg entwickelt und am 31. Oktober 1517 am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen hatte.
Der zu den Augustiner-Eremiten gehörende Martin Luther entdeckte Gottes Gnadenzusage im Neuen Testament wieder, und orientierte sich fortan ausschließlich an Jesus Christus als dem „fleischgewordenen Wort Gottes“.
Seine Betonung des gnädigen Gottes, seine Predigten und Schriften und seine Bibelübersetzung, die Lutherbibel, veränderten die von der römisch-katholischen Kirche dominierte Gesellschaft in der frühen Neuzeit nachhaltig. Luther wollte Fehlentwicklungen der Christentumsgeschichte und in der Kirche seiner Zeit überwinden – doch er legte die Grundlage für unser modernes Freiheitsverständnis und für ein neues Verständnis von Gerechtigkeit aus der Gnade Gottes.
Wenn heute um Glaubensfragen und Religion gestritten wird, muss man die lutherische Wende verstehen, denn Luther hat auch das Verhältnis des Einzelnen zu Gott fundamental erneuert.
„Zwischen Gott und den Menschen steht nicht mehr immer ein professioneller kirchlicher Glaubensverkünder, der den vermeintlich richtigen Weg vorgibt, sondern das Priestertum aller Gläubigen hat den Weg zu Gott für Protestanten merklich verkürzt, wenn auch nicht unbedingt vereinfacht“, schreibt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates in seinem EDITORIAL zum Dossier »Reformationsjubiläum Nr. 1«“ der Reihe Politik und Kultur. Politik & Kultur Dossiers erscheinen als Beilage zu Politik & Kultur, das von Olaf Zimmermann und Theo Geißler herausgegeben wird.
In der Schrift »Martin Luther Superstar 500 Jahre Reformation« geht Kulturstaatsministerin Dr. Monika Grütters der Geschichte nach: „Reformation und Staat – eine Spurensuche“.
Heinrich Bedford-Strohm, seit 2011 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und seit 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland überblickt die „Kultur in der Reformationsdekade“.
In dem Dossier werden nicht nur die 95 Thesen dokumentiert, sondern viele bedeutsame Aspekte von Luthers Wirken dokumentiert. Das Dezimalsystem nutzen, die lutherische Messe – Dichtkunst und Theologie und Angewandte Reformation.
Stefan Dorgerloh, bis April 2016 Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt, versucht den Bogen in die heutige Zeit zu ziehen:
„Die Erinnerung an die Reformation ist gerade in diesen Zeiten ein Glücksfall. Mitten in der Debatte um Werte und das christliche Abendland, Integration und Leitkultur sind wir gezwungen, uns mit unserer eigenen Geschichte zu beschäftigen. Wir müssen unsere Herkunft, unsere Maßstäbe für gelingendes Leben und Miteinander reflektieren. Was wissen wir über unsere eigene Geschichte und die Wurzeln unserer Kultur, ihre Bräuche und Riten? Wie können wir andere in einen Kulturkreis integrieren, wenn wir selber oft nicht wissen, worauf sich unsere Kultur und Werte gründen. Was wir anderen an Werten und Kultur nahebringen wollen, müssen wir zunächst selber neu wahrnehmen wollen. Das Reformationsjubiläum als Entdeckungsraum und Selbstvergewisserungsfest bietet eine willkommene Gelegenheit das eigene Fundament gesellschaftlichen Miteinanders zu ergründen.“
Die Debatten dürften noch spannend werden, denn Luther schuf auch die geistigen Grundlagen für individuelle Freiheit und unser modernes Selbstverständnis. Aktuelle Fragen der „Wohnort- und Zugehörigkeits-Geografie“ führen uns heute womöglich in die Irre.
Viel spannender sind Fragen nach der inneren Verfaßtheit von Glauben, Religion und Philosophie – und das daraus erwachsende Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und notwendiger Toleranz.
„1. Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: »Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen«, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“
„95. Und so dürfen sie darauf vertrauen, eher durch viele Trübsale hindurch in den Himmel einzugehen als durch die Sicherheit eines Friedens.“
Die 96. These steht auf der Rückseite der Schrift, und dürfte auch heute in der modernen Zeit der Power-Point-Präsentationen eine universelle Gültigkeit haben:
Ihr könnt predigen,
über was ihr wollt,
aber predigt niemals
über 40 Minuten.
Martin Luther
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