Donnerstag, 18. April 2024
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Amoklauf in München

Pressesprecher Polizei München

Der gestrige Amoklauf eines Einzeltäters in München hat 9 Opfer und 16 Verletzte gefordert. Der Täter, ein 18-jähriger Deutsch-Iraner hat sich selbst getötet.
Die Tat hat bundesweit großes Entsetzen ausgelöst. Dank einer gut koordinierten Polizeiarbeit wurde die zunächst unklare „Sonderlage“ in einem Großeinsatz von Münchner Polizei, Bundespolizei und bayrischer Landespolizei aus den Münchner Umland mit über 2.300 eingesetzten Beamten geklärt.

Der Münchner Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins hat die Presse fortlaufend und in mehreren Live-Übertragungen informiert, und so zur Lageberuhigung entscheidend beigetragen. „Einer der Ruhe bewahrt“ – so nennt ihn heute die Stuttgarter Zeitung.

Die Münchner Polizei hat zudem den ersten großen Kriseneinsatz mittels Twitter begleitet und fortlaufend berichtet. Erstmals kam auch der Warndienst KATWARN mit automatischen Warnmeldungen zum Einsatz.

Angst und Trauer – Suche nach den Hintergründen

In München ist die sonst unbeschwerte Atmosphäre der Stadt schlagartig gewichen. Angst, Wut und Trauer zeigten sich in Bildern und Medienberichten, eine große Verunsicherung wurde durch die Tat ausgelöst. Die Newsblogs der großen Zeitungen wie TAGESSPIEGEL und SPIEGEL berichten nun die Einzelheiten.

Aktuell kann nur Trauer und Mitgefühl mit den Opfern gezeigt werden.

Verunsicherung und Angst vor Einzeltätern

Auch wenn die Aufklärung der Motive des Täters noch unklar ist, so tritt doch eine weit reichende Verunsicherung ein, mit der Angst vor Einzeltätern muss neu und vor allem besonnen umgegangen werden. Die offene Diskussion um die sozialpsychologische Dimension von „Amoklauf“ und „Terroranschlag“ muss künftig geführt werden, um die „offene Gesellschaft“ selbst zu schützen, und auch vor falschen Reaktionen zu bewahren, die Probleme noch verschärfen.

Aufklärung – in Tateinheit mit Gastfreundschaft und interkultureller Sensibilität

Im Fall des Täters von München handelt es sich um ein Tatmuster, das individual- und sozialpsychologische Perspektiven vereinigt. Bereits 2007 haben Karin Weis und Andreas Zick versucht, „Annäherungen an eine Psychologie des Terrorismus“ zu beschreiben (Wissenschaft und Frieden 1/2007). Sie unterschieden die „personenbezogene Sicht“ des Täters, und die „Gruppensicht“ von Terrorgruppen.

Um einer fortwährenden allgemeinen Verunsicherung und Angst zu begegnen, muss der sozialpsychologische Mechanismus von „Amokläufern“ und „Terror-Tätern“ klar unterschieden werden.

Individuelle Ausgrenzung, und als Ausgrenzung erlebte Realität scheinen in beiden Perspektiven wesentliche Tatmotive zu liefern.

Alle populistischen Aktionen „gegen Flüchtlinge“ sorgen deshalb für große Gefahren, weil sie sowohl „Amok-Motive“ als auch „Terrorabsichten“ bestärken! Das psychologische und sozialpsychologische Verständnis von „interkulturellen Konfliktlagen“ muss entwickelt werden! Gastfreundschaft und interkulturelle Sensibilität gehören dazu – das sich Hineinversetzen in Menschen, die in Lebenslage und Identiät zutiefts durch Flucht und Krise erschüttert sind!

Mehr Sicherheit durch mehr Verständnis, Begegnung und Identifikation

Offenheit, Gastfreundschaft und Interesse am Dialog un Zusammenleben sorgen sicher auch für mehr Stabilität und Sicherheit in individuellen Zusammenhängen.

In der interkulturellen Begegnung kann jedoch „kulturelle Divergenz“ zur „erlebten Bedrohung“ eigener Identität und Kultur mißgedeutet werden – ein fataler Mechanismus, dem größtes Augenmerk gelten muss. Vor allem junge Männer mit tiefer muslimischer Enkulturation und Prägung erleben manche gut gedachte „Betreuungsmaßnahme“ als Bedrohungsszenario.

Insbesondere unbegleitete männliche Flüchtlinge aus mittelöstlichen Kulturkreisen benötigen auch Alternativen und Angebote zur selbstgewählten Identifikation.

Die Zukunft hängt möglicherweise nicht nur von der Zahl der Betreuungsangebote – sondern auch von den gebotenen Identifikationsmöglichkeiten ab.

Michael Springer