Die zuständige Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat sich auf eine „stärkere Eindämmung drastischer Mieterhöhungen“ geeinigt. In einem „Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen“ haben sich die Verhandlungspartner verständigt. Geplante Änderungen gibt es bei Maklergebühren, Wohngeld, Mietpreisbremse in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten, bei Steuerabschreibungen und energetischer Sanierung.
Maklergebühren
SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold hat sich mit seiner Idee durchgesetzt: „Wer bestellt, zahlt auch!“ – so soll das neue Prinzip lauten. Die Regelung ist auf den ersten Blick „mieterfreundlich“. Doch Vermieter werden diesen Kostenfaktor einfach auf die Mietpreise aufschlagen. Die vorgesehene Regelung bewirkt daher einen weiteren Mietanstieg und schlägt sich nach und nach auch im Mietpreisspiegel nieder.
Mietpreisbremse
In Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten sollen Mieten künftig laut dem geplanten Beschluss bei einem Mieterwechsel maximal um zehn Prozent über das ortsübliche Niveau steigen dürfen.
Für einkommensschwache Mieter ist diese Regelung nicht sonderlich hilfreich, weil sie damit praktisch bei Umzügen nur in unsanierte und schlechte Wohnungslagen ausweichen können. Der Verdrängungseffekt aus attraktiven und begehrten Wohnlagen wird daher ein Dauerthema bleiben.
Weiter ist geplant, das bestehende Mieten in den angespannten Wohnungsmärkten künftig binnen vier Jahren höchstens um 15 Prozent steigen dürfen – bisher gilt dies für eine Frist von drei Jahren.
Dies bedeutet ebenfalls eine Fortsetzung der Verdrängungspolitik, weil das Mietniveau vielfach bereits eine Höhe erreicht hat, das Gehaltsempfänger mit 8,50 € Mindestlohn zu sozialen Härtefällen macht.
Insbesondere in Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten werden daher künftig die Wohngeldzahlungen zunehmen.
Die entsprechend belasteten Kommunen müssen daher steigende Anteile ihres Sozialetats für Wohngeld einkalkulieren – Zahlungen, die praktisch als Subvention an gutverdienende Eigentümer durchgereicht werden.
Wohngeld
Auch beim Wohngeld solle es Nachbesserungen geben. Hierbei wird man sich allerdings mit der Frage auseinandersetzen müssen, das in den Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten immer mehr „Gering- und Normalverdiener“ in die Hilfsbedürftigkeit rutschen.
Anstelle einer Mittelverwendung für die Daseinsvorsorge geraten Kommunen mit hohen Wohngeldzahlungen ebenso wie ihre Mieter in einen Teufelskreis, der durch den Mietpreisanstieg verursacht wird.
Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten
Geplant ist auch, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zur Förderung des Wohnungs-Neubaus wieder einzuführen. Um massenhafte Mitnahmeeffekte zu begrenzen, sollen diese Instrumente sollen zunächst auf fünf Jahre befristet angelegt werden.
Der amtierende Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) will dafür die vor einigen Jahren ausrangierte degressive Abschreibung für Anlagen im Mietwohnungsneubau („degressive Afa“) wieder einführen. „Dies setze wichtige Anreize für Investoren, “ so Ramsauer.
Ramsauer zieht auch verstärktem Wohnungsbau in Deutschland einer Mietpreisbremse vor, um Mieten bezahlbar zu halten.
Die Abschreibungsmöglichkeiten begünstigen natürlich Einkommensteuer-Zahler – denn nur wer Geld verdient, Kredit bekommt, kann auch Investitionen und Abschreibungen realisieren.
Die Fortsetzung der „Reichtums-Subventionierung“ mit Hilfe des „sozialen Wohnungsbaus“ ist damit absehbar.
Landespolitik: Wohnungsbaufonds in Berlin
Ein Wohnungsbaufonds und die landeseigenen Wohngesellschaften sollen nach dem Willen von SPD und CDU für bezahlbare Wohnungen in Berlin sorgen, diese auf Landesebene vereinbarte Regelung setzt Verabredungen vom Mai dieses Jahres um. „Wir wollen, dass Berlin schnell eine große Anzahl neuer und bezahlbarer Wohnungen erhält“, erklärten dazu die Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU).
Die Wohnungsbaugesellschaften danach neue Wohnungen haushaltsneutral 600 Millionen Euro an Fremdkapital aufnehmen. Bei der Suche nach Grundstücken hilft der rot-schwarze Senat. Ein Wohnungsneubaufonds in Höhe von 320 Millionen Euro soll allen städtischen und privaten Bauherren zur Verfügung stehen und den Neubau von Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten unterstützen.
Die Koalitionsfraktionen wollen zudem Prämien für schnelle Baugenehmigungen in den Bezirken einführen. Über Bauvorhaben mit mehr als 500 Wohnungen soll künftig der Senat anstelle des Bezirks entscheiden.
Erfolgsmeldungen aus den Koalitionsverhandlungen
Ramsauer gab auch Erfolgszahlen zum Wohnungsbau bekannt: nach Ministeriumsangaben wurde im Vorjahr der Bau von 239.500 Wohnungen genehmigt – 4,8 Prozent oder 11.000 Wohnungen mehr als im Jahr 2011. Im ersten Halbjahr 2013 sei die Zahl der Baugenehmigungen sogar um fast zehn Prozent gestiegen.
SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold sagte gestern zu den geplanten neuen Regelungen: „Die Rechte der Mieter werden deutlich gestärkt.“
Das Thema Mietrecht und Kündigungsschutz spielte zwischen den Verhandlungspartnern jedochkeine Rolle.
Die erst im Frühjahr 2013 in Kraft getretenen Neuregelungen werden voraussichtlich erst durch laufende Gerichtsurteile und Urteile des Verfassungsgerichtes überprüft. So wird das Thema wohl erst nach weiteren tausenden Zwangsräumungen in 1-2 Jahren wieder auf die Tagesordnung kommen.
Kommentar:
Die SPD hat bisher in der Koalitionsverhandlung an entscheidender Stelle versagt: das Miet- und Kündigungsschutzrecht gehört neu auf die Tagesordnung der Großen Koalition. Das Kündigungsrecht wurde durch die abgewählte schwarz-gelbe Koalition in ein Schwert verwandelt, das von hartgesottenen Eigentümern und Spekulanten ganz progressiv genutzt wird, um Neuvermietungen und Mietsteigerungen sowie Umwandlungen zu beschleunigen.
Auch bei Wohngeld und Hilfen zum Lebensunterhalt können Union und SPD offensichtlich nicht rechnen:
Binnen 15 Jahre erhält ein Hartz4-Empfänger rund 50.000 € Wohnkosten-Zuschuß. Geld das viel besser in preisgünstigen Mietwohnungsbau angelegt wäre, weil rund die Hälfte gespart werden könnte – wenn man z.B. die preisgünstigste Wohnungsgenossenschaft in Prenzlauer Berg mit 3,80 € Miete plus 0,80 € Heizkosten zugrunde legte (bei Einhaltung der ENEV 2011).
Wohnungsnot im Alter
Wohnungsnot im Alter ist scheinbar auch kein Thema von CDU/CSU und SPD. Insbesondere ältere Menschen geraten immer mehr in Gefahr und existenzielle Not, wenn die erkranken und wenn sie einen Lebenspartner verlieren.
Manches Ehepaar wird im hohen Alter getrennt, weil am Wohnort kein kostengünstiger Pflegeplatz verfügbar ist. Der hochbetagte Senior, der mit 90 Jahren jedes Wochenende per PKW zu seiner hochbetagten 89-jährigen Ehefrau von Niederschönhausen nach Neustadt/Dosse fährt, ist kein Einzelfall.
Auch der Fall eine Seniorin in Weißensee, die sich vom 85. Lebensjahr bis zum 91. Lebensjahr mit Kündigungsklagen eines rabiaten Vermieters herumplagen muß, ist kein Einzelfall.
Es ist auch völlig unverständlich, warum sich ausgrechnet die beiden großen Parteien CDU und SPD nicht dem Thema des Älterwerdens angenommen haben. Ist es ein Mangel an Vorstellungskraft? Ein Mangel an Empathie? Oder reicht der politische Sachverstand nicht aus?
Es ist doch deutlich erkennbar: viele Menschen kommen ins „Hochbetagtenalter“- und sind aufgrund ihrer Mobilitätseinschränkungen dringlichst auf „barrierefreie Wohnungen“ angewiesen. Dies hat gravierende wohnungspolitische Folgen. Nicht erst in 5-10 Jahren, sondern ab jetzt – bis zum Jahr 2035, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Hochbetagtenalter kommen.
Weder ein Herr Pronold, noch ein Herr Ramsauer haben daran gedacht, obwohl sie selbst „Betroffene“ sind!
Weder Union noch SPD haben hier ein Konzept, um der Nachfragesteigerung nach Erdgeschoßwohnungen und wohnortnaher Pflege gerecht zu werden. Hier droht sogar ein „Sozialhilfe-Gau“ – wenn man nicht schleunigst Vorsorge trifft. Die Kommunen müssen es dann mit Notprogrammen richten.
Immobilität von Altimmobilien
Ein weiteres gravierendes und volkswirtschaftlich ungemein teures Versäumnis blieb unerkannt:
Weder Union noch SPD schätzen ein, wie viele ältere Menschen in viel zu großen Immobilien und Wohnungen „festsitzen“.
Hauptgrund: sie erhalten keinen Kredit oder Zwischenkredit, um sich in eine kleinere Wohnung umzusiedeln, und ihre Alt-Immobilie, Eigentumswohnung oder zu große Mietwohnung aufgeben zu können.
Ein zielgerichtetes Programm „Wohnen im Hochbetagten-Alter“ könnte sehr schnell viel Wohnraum für neue Nachfrage mobilisieren. Sehr viel gebundenes Eigenkapital aus dem Verkauf alter Immobilien könnte sogar für den Wohnungsneubau freigesetzt werden, überdies eigenkapitalwirksam, zinsgünstig.
Fachleute schätzen, das 1-2 Billionen € privates Eigenkapital „festsitzen“ – und rapide an Wert verlieren, wenn man einfach nur abwartet.
Die geplante große Koalition zweier „sozialdemokratischer Blöcke“ aus Union und SPD lässt deshalb wichtige Zukunftsfragen aus.
Noch können die Koalitionsvereinbarungen zukunftsfest gemacht werden. Es wäre schön, wenn es unter den „Christ-Sozialen“, den „Christsozialdemokraten“ und SPD-Genossen, auch ein paar „soziale Kapitalisten“ und „Wohnungsgenossenschaftler“ gäbe, die über die Koalitionsverhandlung hinaus in die Zukunft denken. m/s