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kritischem Pfad

BER weiter auf
kritischem Pfad

Flughafen BER "from Air" am 7.9.2013 - Foto: Günter Wicker FBB GmbH - Pressefoto

Die Berliner Flughafengesellschaft FBB GmbH benötigt weiteres Geld, um die Baustelle Großflughafen BER fortzuführen. Ob mit weiteren 1,1 Milliarden € überhaupt eine Fertigstellung und Inbetriebnahme sicher gestellt werden kann, ist jedoch noch völlig offen. Auf der nächsten Aufsichtsratssitzung am kommenden Freitag wird es daher um brisante offene Fragen gehen, die einer Inbetriebnahme entgegen stehen.

Brandbrief am Wochenende

Der vor kurzem gekündigte leitende Mitarbeiter der Flughafengesellschaft, Harald Siegle, hat am letzten Wochenende einen 20seitigen Brief unter dem Titel „Auflösung Real Estate – Prognose für das Sprint-Projekt, Handlungsempfehlungen“ an Geschäftsführer Hartmut Mehdorn veröffentlicht, in dem er nicht nur die geplante Auflösung seines Verantwortungsbereiches Real Estate Management moniert, sondern eine große Zahl von offenen Problemen beklagt.

Andreas Otto (MdA Bündnis 90/Grüne), der im Untersuchungsausschuß zur Flughafenaffäre sitzt, äußerte sich zu diesem Vorgang in einer neuen Stellungnahme.

„Wir alle fragen uns, wieso in den fast zwei Jahren seit der Absage des BER-Starts keine Fortschritte bei der Inbetriebnahme zu erkennen sind. Aus heutiger Sicht muss folgendes konstatiert werden:

1. Der Aufsichtsrat und die Spitze der Flughafengesellschaft hatten 2012 weder eine Idee, wie der BER fertig gestellt werden könne, noch die Kraft, überhaupt eine Art Krisenmanagement zu beginnen. Wegen des politischen und öffentlichen Druckes war das Handeln von Herrn Wowereit & Co zuvorderst auf das Retten des eigenen Kopfes ausgerichtet. Das Milliardenprojekt BER wurde für diese Personen nachrangig.

2. Der neue Geschäftsführer Technik, Herr Amann, begann seine Bestandsaufnahme mit der Absetzung weiterer Erfahrungsträger, um eine unbelastete Arbeit machen zu können. Dieser Plan scheiterte an zwei Dingen. Die Baustellenarchäologie brachte außer immer wieder aufgerufenen Zahlen von mal 20.000, mal 60.000 unspezifizierten Mängeln kein Ergebnis, das in eine konkrete Planung und Bautätigkeit mündete. Das zweite Faktum war der Kleinkrieg zwischen Amann und dem später eingestellten Gf. Hartmut Mehdorn, was in der Absetzung Amanns endete.

3. Herr Mehdorn lässt seit einem Jahr ein sogenanntes Sprintteam arbeiten, das offenbar hauptsächlich aus Nichttechnikern und Unternehmensberatern besteht. „Wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin?“ möchte man fast mit Loriot fragen. Wenn es nicht so verdammt schlimm und teuer wäre. Der Erfolg dieses Teams besteht bisher nur in seiner Existenz. Ergebnisse liegen nicht vor. Weder gibt es konkrete Planungsunterlagen, noch eine bauliche Umsetzung von Maßnahmen.

4. Der Brief von Herrn Siegle illustriert das seit spätestens 2012 sichtbare, aber schon viel früher einsetzende Organisationsversagen bei der Flughafengesellschaft. Die von ihm unter Ziffer 10.1 seines Briefes vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen wie Kompetenzregelungen, Terminplanung, Nachtrags- und Änderungsmanagement oder die Erstellung eines Sanierungskonzeptes sind trivial und werfen die Frage auf, weshalb auch nach zwei Jahren Krise nichts davon funktioniert.

Und er wirft die Frage auf, wer Interesse hat, dass nichts vorangeht. Zumindest alle, die statt Werk- Dienstverträge haben und nach Stundensatz bezahlt werden, sind nicht böse über weitere Jahre am BER.

Jeder Tag Flughafen-Chaos kostet ca. 1 Mio Euro. Dazu kommt der Schaden am Ruf für den Flughafen, für Berlin und für ganz Deutschland. Verantwortlich dafür sind Gesellschafter und Aufsichtsrat, die unser aller Geld verschwenden und sich um nichts kümmern,“´äußerte Andreas Otto gegenüber der Redaktion.

Fehlende Verantwortung, fehlendes System aus Haftung und Verantwortung

Die inzwischen weiter bekannt gewordene Fakten ergeben ein bedrohliches Gesamtbild, das sich aus finanziellen Risiken, Planungsrisiken und grundsätzlichen technischen und baurechtlichen Risiken zusammensetzt:

1. Finanzbedarf: weitere 1,1 Mrd. Euro
Der Flughafengesellschaft geht das Geld aus, dabei hat der Umbau auf der Baustelle noch gar nicht richtig begonnen. Doch die Geschäftsführung von Hartmut Mehdorn verfügt derzeit noch über keinerlei Kostensicherheit und kann viele Bau- und Planungsrisiken kaum verläßlich abschätzen. So läuft etwa die Baugenehmigung ab 2016 aus, wenn der Terminal bis dahin nicht bestimmungsgemäß in Betrieb genommen ist.
Das größte Finanzierungsrisiko liegt in einem möglichen EU-Beihilfeverfahren. Wenn die EU hier gegen die weitere Unterstützung der Flughafengesellschaft entscheidet, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Planinsolvenz oder Privatisierung.

2. Planungsrisiken
Die bisherige Brandschutztechnik und die Anlage zur Brandentrauchung wird inzwischen als „Monster“ tituliert. Hier soll nun eine Entflechtung der „wildwüchsig“ ausgebauten Anlage helfen, und eine Rauchentlüftung unter Dach. Dabei sollen neue, große regelbare Ventilatoren zum Einsatz kommen. Doch ob die Anlage genehmigungsfähig ist, ist unsicher, weil im Brandfall eine leistungsgesteigerte Abluft natürlich auch sauerstoffreiche Zuluftströme schafft, die ein Feuer weiter anfachen würden.
Die mit der Sanierung und dem Umbau der Anlagen beauftrage SIEMENS Building Technologies hat auch gar keine Gesamtverantwortung für die Anlage übernommen, sondern zeichnet nur für Teil-Lose verantwortlich, wie die Zuluftzufuhr. Ob eine technische Lösung mit „Schornsteinen“ überhaupt genehmigungsfähig ist, ist noch offen. Auch bei dieser Lösung wird Rauch durch Röhren eingesogen, und zentral gesammelt, nur eben über Dach entlüftet.

3. Grundlegende technische Risiken
Das Terminal BER ist sehr komplex gebaut und kann ohne eine komplexe Haus- und Leittechnik überhaupt nicht betrieben werden. Es ist auch fraglich, ob erforderliche Revisions- und Prüfvorgänge jeweils ohne Stillegung des Terminals durchgeführt werden können. Damit unterliegt der gesamte Terminalbereich einem hohen technischen Betriebsrisiko, das schon durch Ausfall eines einzigen Mikroprozessors oder eines zentralen Schaltelements eintreten kann. Techniker von SIEMENS sollen daher „dauerhaft“ auf dem Flughafen anwesend sein.

4. Baurechtliche Risiken
Im Jahr 2016 laufen die Baugenehmigungen für den Terminal aus. Dabei ist noch gar nicht berücksichtig, ob alle Umbauten und Veränderungen, die bisher „noch nicht genehmigungsrechtlich erfaßt sind“ überhaupt bis dahin entdeckt werden. Offen ist auch, ob der Umbau der Brandschutzanlage der bisherigen Baugenehmigung entspricht.

Dieses Gesamtbild ist entstanden, weil seit Kündigung der Haustechnikplaner im Frühjahr 2010, vor dem Richtfest des Terminal, kein durchgängiges System von Planung, Haftung und Verantwortung auf dem Flughafen BER mehr existiert.

Alle Versuche von einzelnen Köpfen, ein neues System von Planung, Haftung und Verantwortung zu etablieren, wurden desavouiert – und durch „Management-Strukturen“ ersetzt. Ingenieurleistungen wurden und werden zeitweise von Unternehmensberatern ausgeführt, weil es inzwischen in Berlin-Brandenburg mehr „von der FBB gekündigte Fachingenieure“ gibt, als Fachingeniere, die noch bereit sind, überhaupt für die FBB zu arbeiten.

Fehlende Transparenz und Kontrolle

Besonders gravierend: es gibt auch unter Hartmut Mehdorn kein ausgewogenes System von „Checks and Balances“, das durch ein funktionierendes Projektcontrolling hergestellt und ausgeübt wird.
Von falschen Ampel-Angaben und umgefärbten „Projektampeln“ bis hin zur Geheimniskrämerei war am Flughafen BER unter dem gefeuerten Geschäftsführer Schwarz alles möglich.

Hartmut Mehdorn probiert nun eine neue Variante aus: Selbstkontrolle und Projektsteuerung in Personalunion: Der neue Leiter Technik Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Großmann kontrolliert sich heute quasi selbst, und ist als Inhaber und Geschäftsführer der Fa. GICON aus Dresden auch noch mit der Projektsteuerung beauftragt. m/s

m/s