Die Elterninitiative des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums war am 30.6.2014 zu Besuch bei Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), um die Forderung nach einer weiteren „Schnelllerner-Klasse“ zu diskutieren. In Pankow braut sich nun ein neuer bildungspolitischer Großkonflikt an, denn Schulstaatssekretär Mark Rackles (SPD) hat erstmals eröffnet, was ihn im Innersten umtreibt.
Die Elterninitiative „Bildung nach Bedarf“ tritt für ihre Kinder für eine dritte Schnelllernerklasse am Rosa-Luxemburg-Gymnasium ein, denn rund 30 Kinder haben erfolgreich die Zugangstests absolviert, und suchen nun nach einer passenden Schule.
Schulsenatorin Scheeres hat die Schaffung einer dritten Schnelllernerklasse bislang verwehrt.
Die Elterninitiative hat ihre Eindrücke vom Gespräch mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres am 30.06.2014 an die Redaktion übermittelt.
Bildungsreisen der dritten Art
Neben Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nahmen auch der Staatssekretär für Bildung, Mark Rackles (SPD) und Frau Körner, die zuständige Referatsleiterin für Schnelllernerzüge und Herr Duweneck, stellvertretender Referatsleiter für Schulrecht teil. Ein weiterer dritter Herr aus der Schulverwaltung hielt sich im Hintergrund, dessen Name und Funktion wurden nicht benannt.
Frau Scheeres hörte sich kurz und höflich die Forderung der Vertreter der Elterninitiative an. Doch war es sofort ersichtlich, dass sie nicht gekommen war um zu diskutieren, sondern den Eltern ihre unverrückbare Meinung mitzuteilen, und ein nicht zur Diskussion stehendes Angebot zu machen.
Ihr Angebot: eine Schnelllerner-Klasse für die Pankower Kinder am Lessing- bzw. Albrecht-Dürer-Gymnasium in Wedding bzw. in Neukölln aufzumachen – nicht aber in Pankow.
Bildungssenatorin Scheeres will nun offensichtlich lieber eine komplette Klasse Pankower Schülerinnen und Schüler täglich nach Neukölln verfrachten, statt die vor Ort im Bezirk Pankow gebotene Lösung zuzulassen.
Doch was steht dahinter? Organisationsfragen? Haushaltsfragen?
Seltsame Argumentationsmuster der Senatorin
Bildungssenatorin Scheeres lehnt für 32 Schüler und Schülerinnen den Erstwunsch zum Wechsel zur 7. Klasse an das Rosa-Luxemburg-Gamnasium ab, und erklärte den Eltern, dass sie den Wunsch „abweisen musste.“
Die Argumentation der Eltern, dass es zur 7. Klasse in Pankow doch trotz allem Mangel vergleichbare Alternativen gibt, die ohne eine Reise quer durch die Stadt möglich sind, ließ Scheeres nicht gelten.
Stattdessen holte Bildungssenatorin weit aus, und stellt einen Vergleich an. Es sei üblich, dass man für Bildungsgänge mit besonderer Prägung in Berlin weite Wege auf sich nehmen würde – z.B. bei sport- und musikbetonten Gymnasien.
Das Argument de Elterninitiative, der Vergleich mit den ein oder zwei von Scheeres benannten Schulen sei unzulässig, weil es bei den genannten sport- und musikbetonten Gymnasien nur zwei Alternativen in Berlin gebe, liess Scheeres nicht gelten.
Im Fall der Schnelllerner-Klassen liegt die spezialisierte Schule direkt im Bezirk Pankow – und es ist nicht ersichtlich, warum das Rosa-Luxemburg Gymnasium eine Schulplatzbeschränkung hat.
Den Eltern erschloß sich auch nicht, warum man sich nicht an den tatsächlichen demografischen Gegebenheiten in Pankow orientiert.
Senatorin Scheeres argumentierte nun mit den Kapazitätsgrenzen des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums. Doch den Eltern wurde längst signalisiert, dass auch eine weitere Schnelllerner-Klasse eingerichtet werden könnte. Doch die Senatorin blieb hart, und wich mit neuen Argumenten aus. So müsste dann aus ihrer Sicht auch eine dritte siebte Klasse eröffnet werden.
Die Eltern blieben deshalb unzufrieden bis konsterniert über soviel ausweichende Argumentationen.
Schnellerner – ein neues Elitenproblem für die SPD?
Die „Katze aus dem Sack“ wurde ausgerechnet von Schulstaatssekretär Mark Rackles (SPD) freigelassen. Seine wirklich denkwürdige und verblüffende Argumentation:
„Eine reine Schnelllernschule, ein zweites Salem in Pankow – das wollen Sie doch sicher auch nicht.“
Die Vertreter der Elterninitiative waren nun sehr ungehalten: „Nein, wir Eltern verbitten uns diesen Vergleich mit der Klientel der Privatschule Schloss Salem, bekannt als das Elite-Internat Deutschlands. Wir sind schlicht Pankower Bürgerinnen und Bürger mit schulpflichtigen Kindern, die eine gymnasiale Empfehlung zur fünften Klasse und einen staatlichen Eignungstest bestanden haben, und die ein entsprechendes schulisches Angebot im Bezirk einfordern. Das ist doch nicht zu viel verlangt.“
Die Schuldebatte in Pankow bekommt nun eine ganz besondere politische Brisanz: Schulstaatssekretär Mark Rackles (SPD) ist zugleich stellvertretender Landesvorsitzender der SPD und hat hier ein neues „Elitenproblem“ der SPD offenbart.
Schülerexport verärgert Pankow Eltern
Die Vertreter der Elterinitiative finden diesen Vorschlag eines „Schülerexportes in andere Bezirke“ geradezu grotesk.
Ein Vater: „Also, das ist ja jetzt der Gipfel der Absurdität! Die Idee, dass eine ganze Klasse Pankower Kinder täglich in den Wedding reist, fand ich noch nie plausibel – und jetzt schlägt die Senatorin genau das vor. Unglaublich!“
Sabine Hurt, Mutter einer betroffenen Schülerin war empört : „Herr Duveneck, zuständig für Schulrecht, sah es nicht als problematisch an, dass unsere Kinder einen Schulweg von über einer Stunde absolvieren würden.“
Christine Weiß, Mutter: „Aufgrund ihrer frühen Einschulung wird ein großer Teil der Kinder zu Beginn des kommenden Schuljahrs noch keine zehn Jahre alt sein. Dass wir neunjährige Mädchen und Jungen Tag für Tag stundenlang unbegleitet quer durch die Stadt schicken sollen, im Winter hin und zurück im Dunkeln – das ist eine unnötige Zumutung für Kinder und Eltern. Ich sehe nicht, wie ich so meiner Aufsichtspflicht nachkommen soll, ohne meinen Job zu kündigen. Und einen Taxi-Shuttle kann ich mir nicht leisten. Vereinbarkeit von Familie, Schulpflicht und Beruf sieht anders aus. “
Abgründe Berliner Schulpolitik
In der Elterninitiative war man mit dem Ablauf des Gespräch nicht zufrieden. Die Eltern vermuten noch ganz andere Gründe hinter der harten Haltung der Senatorin:
In Berlin bekommt man durch bezirksübergreifende Schüler-Zuweisungen auch die weniger nachgefragten Schulen voll. Außerdem überholen die Schnelllerner-Klassen ihre Altersgenossen – innerhalb der bestehenden Schule bekommt man einen großen Teil der Konkurrenz zur siebten Klasse elegant wegorganisiert, wenn die Schüler in andere Bezirke reisen müssen.
Außerdem scheint es einen Mangel an ausreichenden Schulkapazitäten zu geben, weil das starke Wachstum der Stadt die bisher auf Einwohnerstatistiken gestützten Schulplanungen überholt.
Im Bezirk Reinickendorf wird dieses „Outsourcing“ schon an der Bertha von Suttner Oberschule betrieben, deren Schülerschaft zu ca. 50% aus Pankower Schülern besteht. Würde der Nachbarbezirk Reinickendorf nicht so großzügig aushelfen, müßten auch diese Schüler spätestens zur siebten Klasse in Pankow um die Mangelware Schulplatz kämpfen.
Thomas Merkel fasste die Bedenken der Eltern zusammen:
„Am erstaunlichsten aber finden wir, dass die Senatorin nicht davor zurückschreckt, Eltern zu instrumentalisieren und gegeneinander aufzubringen, um von diesem Mangel abzulenken. Es kann nicht das Problem der Eltern sein, zu begründen, warum eine fünfte Klasse aufgemacht wird und eine siebente nicht. Es geht nicht darum, wer am meisten von der Mangelware bekommt, sondern um die Pflicht von Politik und Verwaltung, genügend Schulplätze bedarfsgerecht anzubieten.“
Merkel weiter: “ Wir haben in Pankow ein Problem von Wachstum, Knappheit und mangelnder Bildungsgerechtigkeit. Viel zu lange wird der Streit darüber auf dem Rücken der schulpflichtigen Kinder ausgetragen. Alle Kinder haben einen Anspruch auf angemessene Bildung, verbunden mit einem zumutbaren Aufwand.“
CDU-Pankow reagiert
Die Fraktion der CDU in der Pankower BVV hat bereits reagiert und reicht zur heutigen 24. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin eine Vorlage ein:
„Drucksache – VII-0781 – Zusätzliche Schnelllernerklassen im Rosa Luxemburg Gymnasium für das Schuljahr 2014/15 einrichten“
Das Bezirksamt wird ersucht: Sich für zusätzliche Schnelllernerklassen im Rosa Luxemburg Gymnasium bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft einzusetzen, im Rosa Luxemburg Gymnasium die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Überdurchschnittlich viele Schülerinnen und Schüler haben die Aufnahmevoraussetzungen für das Rosa Luxemburg Gymnasium in Schnelllernerklassen mit Höchstpunktzahl im Eignungstest (10 von 10 möglichen Punkten) erfüllt, so dass mindestens eine weitere Klasse eröffnet werden könnte. 14 Klassen sind berlinweit vorgesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt werden aber nur 12 Klassen berlinweit eröffnet. Da in Pankow aufgrund demografischer Gegebenheiten (kinderreichster Bezirk) offensichtlich ein hoher Bedarf vorhanden ist und das Rosa Luxemburg Gymnasium auch organisatorisch in der Lage ist eine dritte Klasse zu eröffnen, sollte die Schulverwaltung diesen Schülerinnen und Schülern entsprechend ihrer Begabung die Möglichkeit der ihnen zugedachten Förderung geben. m/s