Der im Frühjahr 2014 neu gewählte Rat für die Künste hat sich konstituiert und meldet sich nun mit den neu gewählten Sprechern mit einem Offenen zu Wort. Große Besorgnis richtet sich auf das Thema „Wachsende Stadt“ und die ökonomischen und räumlichem „Überlebensbedingungen“ für Kunst und Kultur. Die Forderung: Insbesondere die Liegenschaftspolitik muss Kultur mitdenken!
Die Redaktion dokumentiert hier den Offenen Brief im vollen Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Wowereit,
mit der Benennung von Tim Renner zum Staatssekretär für Kultur, haben Sie einen mutigen Schritt gewagt. Zu unserer Freude hat Staatssekretär Renner das Handlungsfeld der Liegenschaftspolitik als prioritär für die Sicherung der kulturellen und künstlerischen Infrastruktur und Produktivität Berlins erkannt.
Der Rat für die Künste hat den Niedergang zahlreicher Kulturorte aufgrund einer entfesselten Immobilienwirtschaft nicht selten am eigenen Leibe erlebt. Das Tacheles und die langjährigen Existenzprobleme des CO Berlin im Postfuhramt in Mitte sind allen in Erinnerung – aktuell wird das traditionsreiche Atelierhaus in der Mengernzeile in Treptow von einer verwertungsorientierten Erbengemeinschaft abgewickelt, die Zukunft vieler anderer Atelierstandorte ist ebenfalls ungewiss. Selbst der Verkauf von Kulturgebäuden im öffentlichen Besitz ist geplant.
Ohne ein Gegensteuern durch die Politik führt dieser Prozess unweigerlich dazu, dass die Kultur buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert, also ihre Existenzgrundlagen bedroht sind. Dies schadet nicht nur der Kultur, sondern auch der Berliner Wirtschaft, also der „wachsenden Stadt“. Denn die Künste leisten einen wesentlichen Beitrag zur Anziehungskraft Berlins für alle Kreativbranchen und die wachsende Tourismusindustrie.
Abhilfe könnte die verstärkte Nutzung landeseigener Immobilien für kulturelle Zwecke schaffen. Doch unserem Kenntnisstand nach wird im Rahmen der neuen Liegenschaftspolitik Ihrer Abteilung für Kulturelle Angelegenheiten in der Senatskanzlei kein Sitz weder im Portfolioausschuss, welcher die Clusterung der Grundstücke vornimmt, noch im Steuerungsausschuss des Liegenschaftsfonds eingeräumt, welcher die konkrete Nutzung der Grundstücke beschließt. Eine mögliche Steuerung unter kulturellen Gesichtspunkten wird so behindert.
Wir fordern Sie auf, als Regierender Bürgermeister von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und auf einen Sitz der Kulturverwaltung im Portfolioausschuss und im Steuerungsausschuss des Liegenschaftsfonds hinzuwirken. Nur wenn die Kulturverwaltung, gleichberechtigt gemeinsam mit anderen Senatsverwaltungen passende Grundstücke für Kultur identifizieren und deren Vergabe für kulturelle Nutzungen einleiten kann, sind die Existenzbedingungen der Kunst- und Kulturstadt Berlin und damit einer der wichtigsten Gründe der „wachsenden Stadt“ zu erhalten.
Wir verbleiben in Erwartung Ihrer Antwort
mit freundlichen Grüßen
Rat für die Künste Berlin
Sprecher Andreas Altenhof und Leonie Baumann