Montag, 09. Dezember 2024
Home > Bauvorhaben > Brauchen Schulstadträte Helm & Bauvorlageberechtigung?

Brauchen Schulstadträte Helm & Bauvorlageberechtigung?

Planung und Projektsteuerung nach HOAI

/// Kommmentar /// – In Berlin sollen gewaltige 5.5 Mrd. € in Schulbauten und Bildungsinfrastruktur fließen. Je Bezirk sollen gleichzeitig Dutzende neue Vorhaben geplant, abgestimmt, ausgeschrieben und gebaut werden. Dazu muss auch noch ein effektives Baukosten- und Mängelmanagement funktionieren, das verhindert, neue Schulbauten zum Abenteuer für Politik und Steuerzahler werden zu lassen.

Vor allem aber wird auch eine gerichtsfeste Dokumentation und Baudokumentation benötigt, um spätere Haftungsfragen, Mängel und Baustreitigkeiten beherrschen zu können.

Nachdem nun in Berlin die Grunsatzentscheidung gefallen ist, größere Schulbau- und Sanierungsvorhaben vom Senat abwickeln zu lassen, und in den Bezirken unter Eigenregie Projekte durchzuführen, muss eine ernste Frage gestellt werden:

Wer trägt die Bauherren-Verantwortung? Wer etabliert ein System von Haftung, Qualität und Verantwortung – und vor allem Kostenverantwortung in seinem Bezirk, das bis auf die Schulbaustelle reicht?

Kurz und salopp: „Brauchen Schulstadträte Helm & Bauvorlageberechtigung?“

In Pankow sollen über 400 Mio. € für 69 Schulen ausgegeben werden. Der zuständige Stadtrat Dr. Torsten Kühne (CDU) hat sich jüngst „gramgebeugt“ (TAGESSPIEGEL 14.8.2017) zur Liste mit dem Gebäude-Scan geäußert, und schon „Kostenbedenken“ angeführt, ohne eine einzigen Architekten beauftragt zu haben, oder etwa konkrete Baukostenschätzungen nach DIN 276 vorliegen zu haben.

Schlimmer noch: er beklagte dass er in „seinen“ Schulen mitunter auf Mikroskope und Landkarten trifft, die er noch aus seiner eigenen Schulzeit (1982-1995) kennt. Die Frage muss erlaubt sein, ob ein verantwortlicher Kommunalpolitiker einer Volkspartei CDU, die seit Dekaden mitregiert, hier eine völlig falsche Dimension und Prioritätensicht zeigt?

Geschäftsstelle Schulbau Ost-Bezirke?

Nun kommt die neueste Idee ins Spiel: die vier Bezirke Lichtenberg, Pankow, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf wollen ein eigenes Kooperationsmodell aufbauen (Berliner Zeitung | 15.8.2017).

Zitat: „Die gemeinsame Geschäftsstelle soll beispielsweise gleichartige Leistungen wie die Ausschreibung vom Bau- und Honorarleistungen bündeln, ein gemeinsame Projektmanagement für alle Bauvorhaben entwickeln und Vergabeverfahren zentral durchführen – dies unter Mitwirkung der bezirklichen Vergabestellen. Es soll eine gemeinsame Förderprogrammkoordination geben und einen Austausch vom Fachexperten. Für bestimmte Bautypen ist eine gemeinsame Planung vorgesehen, wodurch bestimmte Planungsschritte entfallen können.“

Das klingt alles nach Neuerfindung des Baumanagement am Terminal des BER, denn nirgends ist das Wort „Bauherrenverantwortung“ und „Haushaltsverantwortung“ oder gar „verantwortliche Architekten“ zu lesen. Von einer Einbindung der Baukammer und Architektenkammer ist auch nichts zu finden.

In Pankow, Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf droht nun das Szenario „Architecture without Architects“ und vorhersehbar unauflösbare Dilemmata in den Haushalten der Bezirke.

Man muss es sich nur konkret genug vorstellen: eine Baufirma reicht einen Kostennachtrag ein, der zuständige Sachbearbeiter des Bezirks ist gerade auf Urlaub oder Weiterbildung, und der „Claim“ wird zu spät an den eigentlich zuständigen Bezirk weiter gereicht. Wegen Fristablauf und Nichteingreifen erlangt der kostenbewehrte Claim konkludente Wirksamkeit.

Zusätzlich zu den Planungskosten kann man schon einmal einen Etat für Baujuristen und „IT-Experten für gerichtsfeste Baudokumentationen“ bilden.

Bauherrenverantwortung und Aufbau von Bauorganisationen ohne Bauvorlage?

In Pankow droht nun ein Szenario, das den künftigen Schülergenerationen wieder den Frontalunterricht vorsetzt. Mangels Baukompetenzen und mangels Bauvorlageberechtigungen wird eine „Architektur-Mangel“-Organisation aufgebaut, die den Schulbau an „Systembau- und Modulbau-Firmen“ ausliefert. Der ehemalige SPD-Stadtentwicklungs-Senator Geisel hat die „Notarchitektur“ der „modularen Ergänzungsbauten“ eingeführt und mit roten und grüngemusterten Fassaden rot-grüne Bildungspolitiker „farbenblind“ gemacht!

Baupolitisch sind in Berlin alle Baufachleute, Architektenkammer und Wirtschaftsverbände aufgefordert, dem Treiben der „Bezirksstadträte ohne Bauvorlageberechtigung“ ein Ende zu machen – notfalls durch berufsrechtliche Klage.

Die verantwortliche Bauherren-Funktion muss in die Hände von ausgebildeten und fachlich bewährten Architekten und Projektsteuerern gelegt werden, die für den Bezirk und Steuerzahler als vertraglich gebundene Sachwalter und Treuhänder einstehen (übrigens mit Berufshaftpflicht-Versicherung!).

Weitere Informationen:

Moderne und leistungsfähige Schulbauten | 20.6.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung

m/s