Die Heinrich-Mann-Stra0e in Pankow wird durch eine wunderschöne Kastanienallee auf dem Mittelstreifen geprägt. Doch die Bäume sind in Gefahr. Mit fuchtbarer Regelmäßigkeit treiben hier Zuwanderer aus engen Tälern des südlichen Balkan ihr Unwesen: die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella), auch Balkan-Miniermotte genannt, vermehrt sich hier, mit bis zu fünf Generationen im Jahr. Die Kastanienminiermotte ist ein Kleinschmetterling aus der Familie der Gracillariidae. Ihre Raupen und Puppen entwickeln sich fast ausschließlich in den Blättern der weißblühenden Gewöhnlichen Rosskastanie (Aesculus hippocastanum).
Die Insekten haben lange in den natürlichen Verbreitungsgebieten Rosskastanien in engen Tälern in Mazedonien, Albanien und Nordgriechenland überlebt. Entomologen entdecken Cameraria ohridella erstmals 1984 in Mazedonien in der Nähe des Ohridsees. Danach wurden sie 1989 in Österreich erstmals nachgewiesen. Hier gab es eine erste Massenvermehrung in den Jahren 1990/91. Seitdem hat sich die neue in ganz Mitteleuropa verbreitet. Das Fehlen von natürlichen Feinden und Fressfeinden hat die Ausbreitung begünstigt.
Lebenszyklus und Ansatzpunkte für eine Bekämpfung
Der kleine Falter ist nur etwa 2,28 bis 3,04 mm groß. Die Flügelspannweite beträgt im Mittel 6,63 mm. Damit ist das Insekt für den Menschen nur in Nahaufnahme und Nahblick sichtbar. Dosskastanienminiermotte bildet in Mitteleuropa meistens drei aufeinanderfolgende Generationen pro Jahr aus, die im April/Mai, Juli und Mitte August bis Ende September fliegen. Unter den günstigen Bedingungen des Sommers 2018 sind sogar bis zu fünf sich überlappende Generationen zu erwarten. Sind Kastanien jedoch abgefressen, bildet sich schon die vierte Generation nur noch unvollständig aus.
Im Jahreszyklus gibt es mehrere Möglichkeiten, die Miniermotten in Schach zuhalten: die ersten Falter schlüpfen nach der Winterdiapause in Berlin ab etwa Mitte April. Die Falter der Frühjahrsgeneration halten sich überwiegend im Unterwuchs und unteren Kronenbereich und am Stamm auf der Kastanienbäume auf. Als wärmeliebendes Insekt bevorzugen sie windabgewandte und besonnte Stellen. Sie sitzen in der Regel mit dem Kopf nach oben gerichtet auf Blättern und Zweigen.
Um die erste Generation zu bekämpfen, können Leimringe am Stamm helfen, den Aufstieg zu verhindern. Die wirksamste Maßnahme wäre wohl ein Aufsaugen der Miniermotten mit Staubsaugern, was jedoch zu aufwändig ist. Da die Aktivität temperaturabhängig ist, kann auch ein Wassser-Sprühnebel und Sprengen mit scharfen Wasserstrahl den Aufstieg und die Entwicklung bremsen. Ideal wäre natürlicher Nachtfrost, der die Miniermotten abtötet.
Im weiteren Jahresverlauf dringen die Weibchen zur Eiablage auch in die oberen Kronenbereiche vor. Vor allem die Falter der Sommer- und Herbstgeneration halten sich eher im Kronenbereich auf, besonders wenn die Blätter des unteren Kronenbereichs durch die Frühjahrsgeneration schon stark abgefressen sind. Die Falter sind tagaktiv mit Aktivitätsmaxima in der Mitte des Vormittags und etwa der Mitte des Nachmittags. Sie sind am aktivsten bei mäßig warmen Temperaturen von 20 bis 24 °.
Im Kronenbereich der Bäume kann man die Miniermotten daher kaum noch bekämpfen, die Kosten steigen mit dem Kronendurchmesser.
Pheromone als Waffe
Die Miniermotten-Weibchen locken die Männchen mit Hilfe von Pheromonen an, die von einer Duftdrüse am Hinterende produziert werden. Die Kopulation folgt innerhalb weniger Tage nach dem Schlupf. Oft sind schon kurz nach dem Schlüpfen erste Paare bei der Kopulation zu beobachten. Im Gartenfachhandel gibt es Pheromonfallen, die Männchen anlocken, und so einen großen Teil der Vermehrung verhindern.
Gift aus Afrika und Impfung der Bäume
Ein wirksames Insektizd ist in Deutschland nicht mehr zugelassen, das Präparat Dimilin (Wirkstoff: Diflubenzuron). Es ist ein Mittel das als Chitininhibitor wirkt und das Absterben der Larven bewirkt, oder das Schlüpfen der Larven verhindert. Das Mittel ist für Menschen, Haustiere, Vögel und Nutzinsekten (Bienen, Florfliegen) ungefährlich. Der beste Zeitpunkt für eine Spritzung mit Dimilin wäre im April/Mai, kurz vor der Rosskastanienblüte.
Erlaubt ist ein ähnlich wirkendes Mittel, das ursprünglich aus dem Öl des Niembaumes gewonnen wurde. Mit den Wirkstoffen Azadirachtin sowie Methoxyfenozid worgt der insektizide Wirkstoff für eine teilsystemische Wirkung. Das Mitteln wird von den behandelten Pflanzenteilen aufgenommen und erreicht so auch versteckt lebende bzw. minierende Schädlinge.
Neben der Fraßstoppwirkung greift das Mittel in das hormonelle Gleichgewicht der Miniermottenlarven ein, es stört die Häutung, Metamorphose und blockiert die Vermehrung der behandelten Schädlinge.
Da die Rosskastanien zu den beliebtesten und schönsten Bäumen zählen, haben Wissenschaftler und Pflanzenliebhaber nach weiteren Methoden geforscht. In der Schweiz ist der Wirkstoff Revive® von Syngenta zugelassen, der wie ein Impfstoff fubktioniert. Das Mittel wir unter kleinem Druck in den Baum injiziert, es lagert sich in den neuen Blättern ein und wirkt als Fraßgift, das über mehrere Jahre die Entwicklung der Miniermottenraupen unterdrückt.
Einsammeln des Kastanienlaubes und Heißkompostierung
Das Laub der Rosskastanie muss ganzjährig gesammelt und vernichtet werden, damit die Puppen nicht überwintern können. Denn schon nach 2–3 Tagen verkriechen sich die Larven aus heruntergefallenen Blättern in den Boden, wo sie überwintern. Die über das ganze Jahr gebildeten Dauerstadien sind sehr widerstandsfähig und überleben auch in normalen Fallaubt und einfachen Gartenkompost.
Um die Dauerstadien abzutöten ist eine Heißkompostierung mit Temperaturen von rund 60° Celsius nötig. Alternativ kann das gesammelte Kastanienlaub in der Müllverbrennung entsprgt werden.
Kastanien in Berlin retten?
Durch Sparmaßnahmen in den Grünflächenämtern gibt es nicht genug Personal, um eine flächendeckende „Miniermotten-Bekämpfung“ in Berlin durchzuführen. Doch der Klimawandel begünstigt die Miniermotten. Es muss etwas getan werden, wenn man nicht zu Motorsägen als letzten Waffen greifen möchte. Das Pflanzenschutzamt Berlin rät schon seit Jahren dazu, das Kastanienlaub einzusammeln. Der Befall des nächsten Frühjahrs kann demnach um 2/3 reduziert werden. Die üblichen BSR-Laubsäcke sollten aber auch getrennt entsorgt werden.
Das in den Jahren vom 01.03.2003 bis zum 15.12.2006 durchgeführte Projekt „BerlinCam“, das durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wurde, hat wichtige Erkenntnisse zur Miniermottenbekämpfung gebracht. Inzwischen sind 12 Jahre vergangen, und viele Kastanienbestände in Berlin sind in einem bedrohlichen Zustand.
In der „Cameraria-Ohridella-Allee“ in Pankow könnte ein Neuanfang gewagt werden, der auf eine Kombination von Laubsammlung, Leimringen, Pheromon-Fallen und Baumimpfung setzt. Die Mittel für die Haushaltsplanung 2019 müssten schon ab März bereit stehen, wenn man im nächsten Jahr wieder eine sommergrüne Kastanienallee in der Heinrich-Mann-Straße sehen möchte.
Leseraktion: „Helfen Sie mit bei der Miniermottenbekämpfung!“ – BSR-Laubsäcke, Harke, Besen und Schaufel und Ihr Engagement können helfen, einen grüneren Kastaniensoller 2019 zu retten!“
Bitte senden Sie uns Ihre Fotos von den Laubsammelaktionen! Mail bitte an: info@pankower-allgemeine-zeitung.de