Donnerstag, 10. Oktober 2024
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Ein freies Land mit freien Bürgern braucht ein Lobby-Register!

Lobbyregister

/// Kolumne /// – In den GroKo-Verhandlungen sind zwei wichtige politische Themen unter den Tisch gefallen: die Einführung eines Lobby-Registers, und das Tabak-Werbeverbot. Das Lobby-Register könnte mit einer entsprechenden Datenbank die Identität von Lobbyisten, ihre Auftraggeber und ihre Finanzierung offenlegen. Schon beim Thema Tabakwerbeverbot wird offenbar, wie wichtig das ist! Wer hat hier inteveniert? War es etwa Olaf Scholz, der hier als Tabak-Industrie-Lobbyist aufgetreten ist? Oder hat hier der Hamburger Bürgermeister die Interessen der Hamburger Werbewirtschaft vertreten? – Es wäre für freie Bürger sehr wichtig, zu wissen, wer welche Interessen wahrnimmt und vertritt. Obendrein: der größte Tabakproduzent Philip Morris plant den Ausstieg aus der herkömmlichen Zigarettenproduktion.

Das Lobbyregister ist überfällig!

Wir erinnern uns: bis in den Herbst 2015 hatten mehr Lobbyisten Zugang und Besuchsausweise im Deutschen Bundestag, als es dort Abgeordnete gibt. Dier Skandal wurde offenbar, vor allem Dank Abgeordnetenwatch und Lobbycontrol. Die Bundestagsverwaltung musste die Ausgabe von Besucherausweisen strenger regulieren.

Doch die hochbezahlten Lobbyisten tun weiter ihr Werk. In Brüssel gibt allein die deutsche Autoindustrie jährlich über 30 Millionen € für Lobbyarbeit aus. In der Debatte um den Schadstoffausstoß von Autos war immer wieder eine zu große Nähe der Politik zur Autoindustrie beklagt worden. Kritisiert wurde dabei auch, dass Deutschland in Brüssel die geplanten Abgasvorschriften oft abgeschwächt habe. Nun ist ein Strafverfahren der EU in Gang gesetzt, das am Ende hohe Strafzahlungen nach sich ziehen kann, die die Summe der Lobby-Ausgaben in Brüssel übersteigen können!
Der Skandal im Autoabgase zeigt auf, wie wichtig eine Lobby-Kontrolle ist, weil der gesamte Industriestandort Deutschland davon mit betroffen ist.

Lobby-Register im Medienmarkt

Die Medienmacht und die Einflußmacht des Medienkonzern Bertelsmann SE & Co. KGaA mit rund 80.000 Beschäftigten in rund 50 Ländern ist längst eng mit Politik, politischer Beratung und Meinungsmacht verflochten. Für freie Bürgerinnen und Bürger ist längst nicht mehr erkennbar, was im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse, was im Lobby-Interesse, was im Gemeinwohl-Interesse und was im Sinne von steuerbegünstigten Zwecken nach Kriterien der Gemeinnützigkeit liegt.

Der Autor Josef Kraus („Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“), hat sich bei Tichyseinblick (Josef Kraus | 10.2.2018) näher mit dem Bertelsmann Konglomerat befasst:

Der Konzernverbund mit RTL Group samt RTL, RTL 2, Super RTL, Vox, dazu der Verlagsgruppe Penguin Random House ( 120
Einzelverlage mit jährlich ca. 11.000 Neuerscheinungen und 500 Millionen verkauften Büchern sind längst eine weltweite Medienmacht. Im Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr sin ca. 300 Magazintitel beheimatet, zum Beispiel art, Brigitte, Capital, Eltern, Gala, die Geo-Magazine, PM, Schöner wohnen, Stern u.v.a.m. Zu Gruner + Jahr gehört auch der Vertrieb der Wochenzeitung „Die Zeit“. Das Musikunternehmen BMG, die Bertelsmann Printing Group, die Bertelsmann Education Group sowie das internationale Fonds-Netzwerk Bertelsmann Investments gehören zu dem Konglomerat. Die Bertelsmann Stiftung thront darüber als „selbsternannte „Reformwerkstatt“ und „Denkfabrik.“ Die 1977 gegründete Stiftung hält sie seit 1993 rund 77 Prozent der Aktien der Bertelsmann SE & Co. KGa. Die steuerbegünstigte Verflechtung erlaubt der Stiftung die Beschäftigung von hunderten Mitarbeitern, die ganz ohne parlamentarische Kontrolle „Politik erfinden, beraten und medial verkaufen“.

Während jeder deutsche Verein für alle Bürger offen sein muss, um Gemeinnützigkeit zu erlangen, kann die Bertelsmann Stiftung völlig unangetastet selbst im eigenen Interesse steuerbegünstigt operativ tätig werden, ohne Fördergelder zu vergeben – und dabei mit mehr „Manpower“ Politik gestalten, als der Bundestag Abgeordnete hat.

Die „arvato AG“ nimmt dabei eine ganz besondere zentrale Rolle, weil sie weltweit Kundendaten zusammenführen kann, auch Bonitätsdaten und Scoring als Geschäfte betreibt, sowie im Bereich „Government Services“ in den öffentlichen Sektor vordringt. I-Tüpfelchen ist die Tätigkeit als „Lösch- und Zensurdienstleister“ für soziale Netzwerke. Damit kann tiefes Wissen über Personen, Meinungen und wirtschaftliche Personenprofile zusammengeführt werden. Die konzerngelenkte Demokratie mit „Karriereförderung“ ist damit möglich. Der Großkonflikt zwischen „arvato AG“ und der EU-Datenschutz-Grundverordnung wird noch zum Mega-Thema werden.

Im GroKo-Vertrag wurde das Lobby-Register gestrichen

Die Situation ist kurios: die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm ein verbindliches Lobbyregister versprochen. Die Union war in den letzten Monaten von ihrer Blockadehaltung abgerückt. Im Jamaika-Sondierungspapier zwischen CDU/CSU, Bündnis 90/Grüne und FDP gab es sogar eine Einigung für ein Lobby-Register. Im GroKo-Vertragt aber ist nichts davon zu finden! Die SPD hat damit ein weiteres wichtiges Wahlversprechen gebrochen. Und CDU/CSU wollen offensichtlich keine Lehren aus dem Abgas-Desaster der Automobil-Inustrie ziehen.
Frankreich hat gerade ein verpflichtendes Lobbyregister eingeführt. Und eine lebendige und transparente Demokratie benötigt eine
Lobbyregulierung als „elementare Voraussetzung“, um der Verfassung und den Bürgerfreiheiten entsprechen zu können.

Abgeordnetenwatch stellt sich hinter die Formulierung aus dem Jamaika-Verhandlungen:

„Wir wollen mit einem verpflichtenden Lobby-Register Transparenz schaffen ohne wirksames Regierungshandeln oder die freie Ausübung des parlamentarischen Mandats einzuschränken.“ (Stand 05.02.2018)

Vor allem muss ein Land das aus Innovation und Export setzt über ein Lobby-Register verfügen, weil große weltweie Konzerne heute versuchen, den Wettbewerb durch Informations-Strategien in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Auch Lobbycontrol beklagt die Leerstelle Lobbyismus und sieht in einem Lobby-Register eine Stärkung der Demokratie.

Ein freies Land mit freien Bürgern braucht ein Lobby-Register!

Ein freies Land braucht freie Bürgerinnen und Bürger – und genau deshalb auch ein Lobby-Register! Parteien, die verdeckt mit Lobbies paktieren bremsen den Fortschritt, und engen wichtige Zukunftsoptionen für die Gesellschaft ein!

Mit einem Lobby-Register wird auch nicht das „industrie- und lobby-politische Kind mit dem Bade ausgeschüttet“. In einer komplexen technologieabhängigen Gesellschaft sind Fachverbände und Interessenvereinigungen völlig legitim und auch existenznotwendig.

Ein Lobby-Register sorgt für mehr Transparenz! Die politisch sinnvolle Lösung für Konflikte und Zukunftsprogramme muss im Parlament gefunden werden. Das Instrument einer „verpflichtenden öffentlichen Lobby-Anhörung“ vor parlamentarischen Schlußberatungen könnte den Weg weisen, und die Entscheidungfreiheit der Bundestagsabgeordneten stärken!

Die GroKo braucht auch eine „große Lösung für die Lobby-Kontrolle!“.