Dienstag, 19. März 2024
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Feinstaub und NOx – das Gesundheitsrisiko minimieren

NOx-Messung im Fahrbetrieb

Die Luftverschmutzung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Trotz europaweit geltender Richtlinien und dem höchstrichterlich bestätigten Recht auf saubere Luft, werden Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid (NO2) oder Feinstaub (PM10) in vielen Städten und Ballungsräumen regelmäßig überschritten. Dies belastet die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und schadet unserer Umwelt und dem Klima. Auch Berlin zählt zu diesen Städten, auch Pankow ist betroffen. Nicht nur an Hauptverkehrsstraßen, sondern sogar an Schulstandorten mitten in Prenzlauer Berg sind Jahresmittelwerte der Stickoxidbelastung überschritten. Insgesamt werden in Berlin zu hohe Feinstaubwerte verzeichnet.

Doch die Werte der Stickoxidbelastung und Feinstaubwerte schwanken stark, sie sind nicht nur vom Verkehrsaufkommen, sondern vor allem vom Wetter und vom Luftaustausch abhängig. Vereinfacht: je mehr Wind und Regen herrschen, desto besser ist die Luftqualität.

Doch der Abgas-Betrug der deutschen Automobil-Hersteller sorgt noch für eine weitere Variable: je kälter es wird, desto mehr Dieselabgase werden von den Motorsteuerungen und Abschaltautomatiken in die Umwelt entlassen. Die Faustregel: unterhalb von 10°C Außentemperatur werden Abschaltautomatiken aktiv, und noch größere Abgaswerte werden emittiert.

Folgen für Stadtbewohner, Radfahrer und Fahrer

Diesel-Abgase töten! – Unter diesem Motto hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Unterstützung aus EU-Mitteln eine Kampagne und Meßkampagne gestartet, um den Abgasbetrug der Automobilhersteller zu bekämpfen:

DUH: „Der Abgas-Skandal vom September 2015 hat die Autowelt auf den Kopf gestellt und klar gemacht, dass der viel zu lange als fortschrittlich und umweltfreundlich beworbene Diesel eine gewaltige Mogelpackung ist. So gut wie alle Autohersteller tricksen, täuschen und betrügen, um ihre Fahrzeuge als sauber darzustellen. Tatsache ist jedoch: Selbst moderne Euro-6-Fahrzeuge verursachen so viele Schadstoffe, dass sie nach geltendem Recht eigentlich gar nicht auf unseren Straßen fahren dürften.“

Die Abgas- und Feinstaubwerte sind vor allem für jene Gruppen gesundheitsschädlich, die sich an kühlen und kalten Tagen durch di Innenstadt und durch den Verkehrsstau bewegen. Fußgänger, Kinder – aber auch Radfahrende und Autofahrer setzen sich erhöhten Stickoxid-Konzentrationen und Feinstaubkonzentrationen aus. Aber auch Busfahrer, Kurier- und LKW-Fahrer atmen in ihren Fahrerkabinen erhebliche Schadstoff-Konzentrationen ein, die zehnfach höher sind, als die mittlere Konzentration in der Außenluft. Individuelle Vorsorgemaßnahmen sind daher gefragt – und eine bessere Umwelt-Information.

Feinstaubvorhersage (PM10) Aktuelle Feinstaubvorhersage für Deutschland und Europa

Die Pankower Allgemeine Zeitung hat einen neuen „Touchpoint-Luftqualität“ eingeführt, der den Blick auf die „Aktuelle Feinstaubvorhersage für Deutschland und Europa“ des Rheinischen Institut für Umweltforschung (RIU) an der Universität Köln öffnet. Die Feinstaubvorhersage wird kontinuierlich nach dem „Europäischen Ausbreitungs- und Depositionsmodell“ EURAD ermittelt und prognostiziert.
Die Feinstaub-Prognose und der jeweils für jeweils 3 Tage prognostizierte maximaler 24h Mittelwert geben einen guten Hinweis, um sich rechtzeitig auf kommende Inversionswwetterlagen und besondere Wetterlagen mit verringerten Luftaustausch vorzubereiten.

Passive Schutzmaßnahmen zum Schutz der Atemwege

Wer die Prognosen nutzt, kann sich bis zu einem gewissen Maß durch Verhaltensanpassung schützen, indem etwa Termine, Aktivitäten und Aufenthaltsdauer variiert werden. Verabredungen können etwa an den Stadtrand gelegt werden. Die Vereinbarung von Treffpunkten an dicht befahrenen Hauptverkehrsstraßen kann eine starke Atemwegsexposition vermeiden.

Für Feinstaub, der kleiner ist als zehn Mikrometer, wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein maximaler Grenzwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter als Jahresbelastung nahegelegt.

Bei längerer Atemwegs-Exposition kann auch eine Feinstaubfiltermaske aus dem Baumarkt hilfreich sein. Doch die Feinstaubpartikel sind sehr klein. Zwischen 2,5 und 10 Mikrometern filtern normale Feinstaubfiltermasken nicht ausreichend.

Partikel dringen tief in das Lungengewebe ein. Von hier dringen sie in die Blutbahn und lösen Entzündungsprozesse aus. Auch Folgeerscheinungen wie lokalen Reizungen der Schleimhäute, Atemwege und Bronchien bis hin zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und Lungenkrebs sind als Wirkungen nachgewiesen.

Am besten geeignet sind Feinstaub-Körbchenmasken (FFP3 Norm EN149), die mit Ausatemventil erhältlich sind. Feinstaubfiltermasken mit Ausatemventil sind komfortabler, denn das Ventil verhindert, dass sich Feuchtigkeit unter der Maske ansammelt. Masken mit Ventil sind daher auch besser für Brillenträger und für längere Tragezeiten geeignet.

Masken nach FFP3 Norm EN149 filtern Partikel bis zur Größe von 0,15 Mikrometern. Im Handel erhältlich sind etwa die Masken des Herstellers 3M: „Aura Atemschutzmasken Mit Ventil FFP3 Norm EN149. 10 Stück kosten etwa 125 €. Aus hygienischen Gründen sollten die Masken öfter gewechselt werden und deshalb in ausreichender Zahl gekauft werden.

Abgasmessung der DUH : Mercedes B-Klasse 180 d
Abgasmessung der DUH : Mercedes B-Klasse 180 d:
Das schmutzigste jemals gemessene Dieselfahrzeug aus deutscher Produktion – eine Mercedes B-Klasse 180 d mit durchschnittlich 1.039 mg/km NOx. 13 mal höher als der Grenzwert. Fahrzeug-Erstzulassung August 2016. – Foto: © DUH

Tempo 30 und Dieselfahrverbote

Im Kampf um saubere Luft hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einer Entscheidung die Auffassung bestätigt, dass die Gesundheit der Menschen wichtiger ist als die finanziellen Interessen der Auto-Konzerne.

In einem bahnbrechenden Urteil stellte das Gericht klar, dass die Stadt nicht auf die Einführung der Blauen Plakette auf Bundesebene warten darf. Die Anordnung von Fahrverboten für Diesel ist demnach schon heute mit den verfügbaren Verkehrszeichen möglich. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärte jüng, dastss in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München auch Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge aufgenommen werden können. Zuletzt stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart klar, dass ganzjährige Diesel-Fahrverbote ab 1. Januar 2018 in der Stuttgarter Umweltzone unausweichlich und schon jetzt rechtlich zulässig sind.

Die neue Rechtsprechung stärkt auch die Positionen für die Einführung einer Umweltplakette und für Dieselfahrverbote in Berlin.

Das Recht auf saubere Luft in Berlin

Die Redaktion setzt mit dem neuen „Touchpoint-Luftqualität“ ein Zeichen, und tritt für das „International: Right to Clean Air“ ein, das von der Deutschen Umwelthilfe eingefordert wird. Die Berichterstattung zu den Themen Umwelt, Luftreinhaltung und Gesundheitschutz wird in den nächsten Monaten ausgebaut. Eine „wachsene Stadt mit immer schlechterer Luft“ ist keine Zukunftsperspektive.

Auch der Arbeitsschutz und strategische Versäumnisse bei besonders exponierten Berufsgruppen werden in den Blick genommen, etwa bei Berufskraftfahrern.

Politik und Kommunalpolitik müssen an ihre eingegangenen Verpflichtungen und Selbstverpflichtungen erinnert werden. So hat die EU-Kommission bereits zahlreiche Vertragsverletzungsverfahren aufgrund anhaltender Überschreitung von Luftqualitätsgrenzwerten für Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2 ) gegen Mitgliedsstaaten, auch gegen Deutschland in Gang gesetzt.

Vor 21 Jahren fand die erste internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung in Ottawa statt, aus der das Netzwerk Gesunde Städte hervorgegangen ist. Auch Berlin und der Bezirk Pankow sind Mitglieder dieses Netzwerkes, und haben das 9-Punkte Programm zum Beitritt unterschrieben.

Im Sinne der Ottawa-Charta setzen sich Kommunen für einen proaktiven Gesundheitsschutz ein:

„Ein guter Gesundheitszustand ist eine wesentliche Bedingung für soziale, ökonomische und persönliche Entwicklung und ein entscheidender Bestandteil der Lebensqualität. Politische, ökonomische, soziale, kulturelle, biologische sowie Umwelt- und Verhaltensfaktoren können alle entweder der Gesundheit zuträglich sein oder auch sie schädigen. Gesundheitsförderndes Handeln zielt darauf ab, durch aktives, anwaltschaftliches Eintreten diese Faktoren positiv zu beeinflussen und der Gesundheit zuträglich zu machen.“

m/s