Am 24. November 2016 waren rund 400 Feuerwehrleute zum Molkenmarkt gezogen, um vor dem Gebäude der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres für die Belange der Berliner Feuerwehr zu demonstrieren. Aufgerufen hatte auch die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG). Deren Sprecher hatte in der Einladung Druck gemacht: „Die Koalitionsverhandlungen sind gelaufen, jedoch ist noch nichts unterschrieben. Die Berliner Feuerwehr ist bei den aktuellen Verhandlungen nicht gut weggekommen.“ Die Demonstration ist ein wenig in der Berliner Presselandschaft untergegangen – doch das Thema ist viel zu wichtig für das Allgemeinwohl.
Nun hat auch Landesbranddirektor Wilfried Gräfling im RBB Position bezogen.: Er fordert für die Berliner Feuerwehr eine Investition in „dreistelliger Millionenhöhe“ um sie für die Zukunft gut aufstellen zu können. Nach Gräfling gibt es in Berlin zu wenig Personal und Löschfahrzeuge – und die Standorte sind veraltet.
Unter den Feuerwehrleuten geht die Sorge um, sie seien im Entwurf des Koalitionsvertrages nicht ausreichend berücksichtigt worden, denn die Berliner Feuerwehr wurde darin mit nur einem eignen Absatz, bestehend aus 11 Sätzen, gewürdigt.
Micha Quäker, 1. stellv. Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft und Pressesprecher in Berlin beanstandete, dass die Politik die Probleme der Feuerwehr nicht genügend erkannt habe und verwies auf den Koalitonsvertrags-Entwurf:
„… die Sorgen und Nöte der Polizei, und die daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen sind auf insgesamt 4 ½ Seiten festgehalten. Dies zeigt einmal mehr, dass auch die neue Koalition die Problemstellung bei der Berliner Feuerwehr nicht erkannt hat. Ein Umstand der uns sehr verwundert. Denn die innenpolitischen Sprecher der zukünftig regierenden Parteien haben auf den Personalversammlungen der Berliner Feuerwehr deutlich gemacht, dass sie sich für eine erhebliche Verbesserung der Personal- und Arbeitssituation einsetzen wollen.“
Drängende Probleme bei der Berliner Feuerwehr
In seiner Rede sprach Quäker die drängendsten Probleme der Berliner Feuerwehr an. Ihm waren die Ansätze im Koalitionsvertrag zu knapp, und so äußerte er Unverständnis, denn die Politik muss genau Bescheid wissen:
„Die innenpolitischen Sprecher der zukünftigen Regierungsparteien waren in den letzten Jahren immer wieder auf den Personalversammlungen des Personalrates anwesend. Dort wurden die Probleme transparent erläutert. Die einzelnen Parteien hatten sogar Maßnahmenkataloge erstellt, um die Berliner Feuerwehr zu ertüchtigen.“
Quäker verwies auch auf das Thema Besoldung und Beförderungsstau, das im Koalitionsvertrag nur für die Polizei behandelt wurde. Quäker beklagt: Auch in Berlin liegt die Besoldung unter dem Durchschnitt aller Länder.
„Auch wir haben einen massiven Beförderungsstau bei der Berliner Feuerwehr. Es gibt z.B. Brandmeister und Oberbrandmeister die seit über 20 Jahren nicht befördert wurden! Und wieso scheint die Vereinbarkeit von Beruf und Familie innerhalb der Feuerwehr nicht so wichtig? Sind wir der Politik weniger wert?“
Feuerwehr:Längste Arbeitszeiten aller Landesbeschäftigten
Quäker sprach auch die drängende Arbeitszeitproblematik an:
„Die Planbarkeit der Arbeitszeiten das ich nicht lache. Wir haben die höchste Arbeitszeit aller Landesbeschäftigten. Wir arbeiten mehr als alle anderen pro Woche, bekommen aber nur eine 40 Stunden Woche bezahlt. Obwohl wir schon die höchste Wochenarbeitszeit haben werden wir täglich dazu genötigt, freiwillig Überstunden über die 48 Stunden hinaus zu machen, um den Laden am Laufen zu halten. Das alles muss endlich aufhören!“
Quäker wurde dabei auch laut und deutlich:
„Warum müssen wir Feuerwehrleute mehr Wochenarbeitsstunden erbringen als unsere Kollegen der Polizei? Bei uns steigen die Einsatzzahlen stetig. Die 48-Stunden-Woche ist nicht mehr zeitgemäß.“
Der Pressesprecher der Feuerwehrgewerkschaft machte auch eine Zahl deutlich, damit die Berliner Feuerwehr mit der wachsenen Stadt mithalten kann:
„… einzig im Bereich der Polizei wird der Koalitionsvertrag deutlich und garantiert einen Personalzuwachs von 1600 Mitarbeitern innerhalb der nächsten Jahre.“ – „Bei uns heißt es nur lapidar – AUCH DIE FEUERWEHR MUSS MIT DER WACHSENDEN STADT MITWACHSEN, was das allerdings bedeutet wird nicht erklärt. Unsere Forderung lautet 600 neue Stellen, so sieht in unseren Augen eine wachsende Stadt aus!“
Schwere strukturelle Mängel bringen Leben in Gefahr
Quäker sprach auch die Unterbesetzung der Feuerwehr an:
„Derzeitig ist es bei der Berliner Feuerwehr keine Seltenheit, dass 30 Funktionen pro Schicht unbesetzt sind. 30 Funktionen entsprechen 5 LHF oder 15 RTW. Das liegt zum einen am fehlenden Personal und zum anderen an dem hohen Krankenstand von derzeit 12,5 %. Der Krankenstand lässt sich leicht mit den vorhandenen 350.000 Überstunden erklären! Hier wird nicht nur mit der Gesundheit der Feuerwehrkollegen/innen gespielt sondern auch mit der Sicherheit der Berliner Bevölkerung.“
Dazu muss nach Auffassung von Quäker auch die Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst Akademie (BFRA) ertüchtigt werden:
„Es kann nicht sein, dass von den Beschäftigten der BFRA verlangt wird ständig massiv Überstunden zu leisten! Die Leitung der BFRA ist teilweise so verzweifelt, dass sie pauschal für die nächsten Jahre tausende von Überstunden beim Personalrat beantragt! Das muss aufhören liebe Politik! Kommen sie gerade in diesem Punkt endlich ihrer Fürsorgepflicht nach.“
Auch die technische Ausstattung der BFRA ist mangelhaft:
„Es kann nicht sein das Ausbildungsinhalte ausfallen müssen, nur weil die BFRA keine Fahrzeuge hat, da diese alle im Einsatzdienst gebraucht werden!!
Feuerwachen: Sanierungsstau und Gesundheitsgefahren
Quäker forderte auch auf, die Sanierung der Feuerwachen auf die Agenda zu nehmen:
„Wir haben einen erheblichen Rückstau bei den Sanierungen. Auch unsere Arbeitsplätze sind es wert saniert zu werden. Absauganlagen in den Fahrzeughallen? Auf den meisten Wachen, Fehlanzeige!“
Die Gesundheitsgefahren durch Dieselabgase sind heute nicht mehr von der Hand zu weisen und so sollten auch rund 25 Mio. € investiert werden, um den Gesundheitsschutz in den Feuerwachen sicher zu stellen:
„Liebe Politiker: Es kann nicht euer ernst sein dass hier nicht die 25 Millionen in die Hand genommen werden, um uns vor diesen gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Ist euch die Gesundheit von 3500 Kollegen der Feuerwehr etwa nicht 25 Millionen wert?“
Neue Löschfahrzeuge gefordert
Der Sprecher der Feuerwehrgewerkschaft wies auch die Probleme im Fuhrpark hin:
„Die finanziellen Mittel für die Beschaffung neuer Fahrzeuge ist den letzten Jahren, gegenüber dem eigentlichen Bedarf, stets und stetig drastisch eingekürzt worden. Derzeitig werden nur neue RTW in kleiner Anzahl beschafft. Von neuen Löschfahrzeugen ist keine Rede! Ist es etwa erklärter Wille, dass wir zukünftig die Bevölkerung Berlins mit Oldtimern retten. Denken sie über Folgendes nach: Alte Fahrzeuge haben trotz guter Pflege hohe Ausfallzeiten! Wollen sie es wirklich verantworten, dass wir zu spät kommen nur weil unsere Fahrzeuge defekt waren?“
Tarifangleichung und Beendigung der Ungleichbehandlung von Feuerwehr und Polizei
Quäker machte auch geltend, dass auch im Bereich der Berliner Feuerwehr die geplante perspektivische Tarifangleichung für tarifbeschäftigte Kollegen/innen bei den beiden öffentlichen Tarifsystemen TVöD / VKA und TV-L / TdL durchgeführt wird; sowohl im Einsatzdienst wie auch in der Verwaltung.
Bestehende Ungleichgewichte bei Notfallsanitätern und Leitstellendisponenten sollten dabei auch durch neue Tarifeinstufungen behoben werden.
Ebenso wird gefordert, die Ungleichbehandlung zwischen Polizei und Feuerwehr zu beenden:
„Wieso wird die Feuerwehr permanent schlechter gestellt als unsere Kollegen der Polizei. Warum sitzt am Notruf 110 der gehobene Dienst und bei uns bei der Feuerwehr, der mittlere Dienst? Ist das nicht die gleiche Tätigkeit?“
Quäker weiter: „Die Feuerwehrzulage ist strikt an den Einsatzdienst gekoppelt, bei der Polizei an die Laufbahn. Wieso wird das nicht für uns gleichgezogen? Gerade auch bei den C-, B- und A-Diensten ist diese Gleichbehandlung zwingend erforderlich. Denn wenn uns die tragischen Ereignisse bei der Werkfeuerwehr BASF eines deutlich gezeigt haben, dann dass auch Einsatzleiter an Einsatzstellen tödlich verunglücken können. Auch deshalb muss es das erklärte Ziel sein, die Feuerwehrzulage wie auch in anderen Bundesländern, ruhegehaltsfähig zu machen, um die Hinterbliebenen entsprechend abzusichern.
Brisantes Thema: Heraufsetzung des Pensionsalters
Besonders ärgert Micha Quäker das Thema Pensionsalter.
„Es wird eine stufenweise Heraufsetzung des Pensionsalters für alle Berliner Beamte geprüft, sobald die Heranführung der Beamtenbesoldung an den Durchschnitt der Bundesländer erreicht ist.
Na endlich ist die Katze aus dem Sack. Es ist keine 4 Monate her, da wurden diese Aussagen noch dementiert! Wir Berliner Beamte haben ja nur über 25 Jahre darauf gewartet endlich dem Bundegebiet angepasst zu werden. Als Dankeschön für unser geduldiges Warten soll dann die Lebensarbeitszeit angehoben werden! Glauben sie wirklich, dass ein Feuerwehrmann/frau mit 62 Jahren noch ins Feuer gehen kann? Allein der Gedanke ist schon eine unverschämte Frechheit. Vielen Dank dafür!“
Welche Wut und welcher Ärger sich bei Berlins Feuerwehrleuten angestaut hat, ist auch im nachfolgenden Video zu sehen, das am 14. Oktober 2016 unter dem Pseudonym „Drei Affen Produktion“ veröffentlicht wurde.
Forderungen an die rot-rot-grüne Koalition
Die von Micha Quäker und seinem Gewerkschaftskollegen Lars-Peter Wieg ausgearbeitete Rede endete mit einer ganzen Reihe von Forderungen, die praktisch die gesammelten Mißstände bei der Berliner Feuerwehr beheben sollen:
„Im Koalitionsvertrag muss verbindlich festgeschrieben werden, dass die Berliner Feuerwehr bis zum Ende der Legislaturperiode mindestens zusätzliche 600 Stellen erhält, um den steigenden Einsatzaufkommen gerecht zu werden und die BFRA personell zu verstärken. Das sind nur 120 Stellen pro Jahr mehr. Das können wir schaffen!“
„Die Ungleichheiten bei den tarifbeschäftigten Kollegen/innen müssen beseitigt werden. Wir fordern die Notfallsanitäterzulage auch für unsere Tarifbeschäftigten.“
„Die Feuerwehrzulage muss ruhegehaltsfähig und laufbahngebunden sein.“
„Der Fuhrpark der Berliner Feuerwehr muss dringend modernisiert werden – Der Sanierungsstau auf den Feuerwachen muss beseitig werden.
„Der Gesundheitsschutz auf den Feuerwachen muss umgehend verbessert werden.“
“ Die Überstunden müssen drastisch reduziert werden. – Aufgrund der hohen Einsatzzahlen muss die Wochenarbeitszeit abgesenkt werden!“
„Wir fordern ein Personalentwicklungskonzept mit einer zweigeteilten Laufbahn, wie bei den Kollegen/innen der Polizei.“
Micha Quäker verwies abschließend auf die Planungen für einen Nachtragshaushalt für 2017, der u.a. mehr Personal in den Bezirken in Höhe von 50 Millionen € vorsieht, und erinnerte an die offene Position Feuerwehr:
„Da darf man uns nicht vergessen!“
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