Von Michael Springer
Am 24. Februar 2022 begann Russland einen großangelegten Überfall auf die Ukraine, der inzwischen bis hin zu massiven, geplanten Kriegsverbrechen und zum geplanten Genozid geführt wird.
Putins Drohung in seiner Rede am 24. Februar „Wer auch immer versucht, uns zu behindern, […] muss wissen, dass die Antwort Russlands […] zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben,“ wurde insbesondere als Warnung an die NATO vor dem möglichen Einsatz russischer Nuklearwaffen verstanden
Laut dem Historiker Andreas Rödder zerstörte Putin damit bewußt die bisher geltende „regelbasierte internationale Ordnung, die auf der Herrschaft des Rechts statt auf dem Recht des Stärkeren beruht.“
Herwig Münkler nannte deshalb den Angriff eine Zeitenwende: Vertrauen in eine regelgebundene und wertegestützte völkerrechtliche Weltordnung könnte fast nur mit der sehr unwahrscheinlichen Aburteilung Putins vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen des Führens eines Angriffskrieges wiederhergestellt werden.
Die Ukraine wird nun Opfer eines Verzichts auf jene Nuklearwaffen, die noch als Überbleibsel der ehemaligen Sowjetunion im Land verblieben waren. Geregelt wurde der Atomwaffen-Verzicht durch das Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994, in Budapest im Rahmen einer KSZE-Konferenz unterzeichnet wurde.
Russlands Nichteinhaltung des Budapester Memorandums und insbesondere die Annexion der Krim haben die Konzepte zur zukünftige Nichtverbreitung und Abrüstung von Kernwaffen in Frage gestellt.
Kriegsverbrechen und Menschenverachtung haben nun die russische „imperiale Strategie des Bösen“ offenbart.
Zweifel sind nun konkret, wie verlässlich überhaupt noch die Sicherheitsgarantien von Großmächten gegenüber Staaten mit Atomwaffen sind. Die auf Anerkennung einer internationalen regelbasierten Ordnung gegründete Abrüstungspolitik ist nun obsolet.
Alle Zweifel an der Verlässlichkeit internationaler vertragliche Zusagen sind nun berechtigt, können neue Anreize schaffen, eigene Kernwaffen zu behalten, und neue Kernwaffenprogramme in Gang zu setzen.
Da im Budapester Memorandum die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wiederholt wird, wirft Russland selbst nun grundsätzliche Fragen über die Zukunft der internationalen Ordnung auf. — Die aktuellen Drohungen mit Atomwaffen mehren sich, und die Anzeichen für einen russischen Atomwaffen-Einsatz verdichten sich.
„Gebt Selenskyj ein Atomkommando!“ — Die Ukraine braucht eine nukleare Option!
Die Einlassungen des russischen Vordenkers und Putin-Bersaters Sergej Karaganow: „Die Demokratie in ihrer jetzigen Form wird im Großteil Europas nicht überleben,“ die er im Tagesspiegel-Interview am 6. April 2022 zum Besten gab, lassen keine Zweifel aufkommen: „Dieser Krieg ist eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und dem Rest der Welt – Russland ist, wie es in der Geschichte der Fall war, die Spitze „des Rests“ – für eine zukünftige Weltordnung. Der Einsatz der russischen Elite ist sehr hoch – für sie ist es ein existenzieller Krieg.“
Karaganow ist damit auf einer geistigen Väter des Ukraine-Krieges und liefert die nationalistischen Narrative, die heute Putins-Handeln mitbestimmen.
Zusammen mit Putins Rede vom 24. Februar 2022 ist damit eine Machtposition formuliert, die auf einer zeitweiligen vermeintlichen Eskalationsdominanz Russlands bei strategischen Waffen beruht.
Die Spekulation, ob die USA mit nuklearen Waffen verteidigen werden, treibt die Radikalität der russischen Kriegführung an, denn man will bedarfsweise auch mit eigenen Nuklearwaffen eskalieren.
Um den für die Ukraine und Europa bedrohlichen Teufelskreis zu durchbrechen, ist ein Aufbrechen der bisherigen Nuklear-Doktrinen und ein disruptive neue „Nukleare Option“ vorzuschlagen:
„Gebt Selenskyj ein Atomkommando!“ — Die Ukraine braucht eine nukleare Option!
Die US-Regierung sollte den Anfang machen, und ein ukrainisches Offiziersteam an Bord eines ihrer Atom-U-Boote nehmen. Die ukrainischen Offiziere bekommen eine „limitierte Zweitschlags-Option“ und dürfen bei einem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine selbst einen Zweitschlag kommandieren.
St. Petersburg, Sewastopol, Krasnodar, Rostow am Don und Wolgograd wären legitime Erst-Ziele für einen ukrainischen Zweitschlag. — Im Falle größerer Nuklearschläge — etwa gegen Kiev — sollte auch Moskau mit einem Zweitschlag angegriffen werden können.
Um die nukleare Option für die Ukraine auch mit taktischen Atomwaffen zu ermöglichen, könnten auch ukrainische Waffenoffiziere an Bord von B-52 Bombern eingesetzt werden.
Diese Bomber können aus sicherer Entfernung Langstrecken-Marschflugkörper AGM-129 Advanced Cruise Missile einsetzen, die bis zu 3.000 Kilometer weit entfernte Ziele erreichen.
Putin stünde damit vor einem Dilemma: Eskalationsdominanz ist bekommt einen hohen Preis! — Der gesicherte und zugesichterte ukrainische Zweitschlag gegen russische Städte ist ein guter Faustpfand, um noch zu Verhandlungen zu kommen.
Die Vereinigten Staaten, Frankreich und das Großbritannien sollten die „nukleare Selenskyj-Option“ ernsthaft prüfen. Die Deutsche Bundesregierung könnte nachziehen, und ukrainische Piloten und Waffenoffiziere für die deutschen Tornado-Kampfbomber ausbilden. Die beim Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel in der Eifel.aktiven Atomwaffenträger sind die mögliche deutsch-ukrainische Option, um einen Dritten Weltkrieg mit wirksamen und abschreckenden Mitteln zu verhindern.