Samstag, 18. Januar 2025
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Gesetzwidrige Wahlbeeinflussung in Pankow gefährdet grüne Basisdemokratie

Ätz-Stelle“ in Berlin

Von Michael Springer

Stefan Gelbhaar, bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Berlin-Pankow, steht unter Beschuss. Im Vorfeld der Bundestagswahl gibt es mediale und sozialmediale Aktivitäten, um seine erneute Kandidatur zu verhindern.
Der Fall wird inzwischen medienwirksam verbreitet. Und es anhand medialer und digitaler Spuren wird auch längst ein Muster, eine Regie hinter der Kulisse erkennbar.

Die Spuren weisen Verbindungen zur Bundeszentrale von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin-Mitte und bis in den Bezirk Neukölln.

Die veröffentlichten Vorwürfe sind bisher anonym und bizarr, in einem Fall sogar fünf Jahre alt.

Stefan Gelbhaar wehrt sich in dem Fall zur Sache, und bestreitet alle Vorwürfe in der Sache und auch mit Gegenbeweisen. Inzwischen läuft ein Ombudsverfahren.

Gelbhaar sagte gegenüber dem rbb: „Das Ziel ist, mich massiv zu diskreditieren, überdies Teile der Partei in Aufruhr zu versetzen, und der Partei zu schaden.“

Verfassungsrelevant und eine Gefahr für grüne Basisdemokratie

Die Beeinflussung der Bundestagswahl durch parteiinterne Kandidatenaufstellungen ist der große Schwachpunkt der Verfassungsdemokratie, der bisher nicht im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Dabei beginnt die „Zombifizierung“ der Demokratie genau in dieser Vorwahlphase.
Bisher werden die Vorschriften des Parteiengesetzes (PartG) und die selbst gegebenen Parteistatuten nur formal betrachtet und per Selbstkontrollgremien überprüft.

Mit der alltäglichen parteiinternen Social-Media-Kommunikation werden aber stille auch Absprachen, Kurzschlüsse und Überbrückungen hergestellt, die die nach § 7 Parteiengesetz vorgesehene Autonomie der Ortsgruppen aushebeln. Wenn etwa aus dem Wahlkreis Neukölln Einfluss auf den Wahlkreis Pankow ausgeübt wird, widerspricht das den Prinzipien des Parteiengesetz und den Idealen der Basisdemokratie.

Wenn eine Parteizentrale auf Kandidatenaufstellungen Einfluss ausübt, so ist das ein Zeichen eines bereits pervertierten Parteiensystems, das sich per „Top-Down-Lobbyismus“ zur Staatspartei aufschwingt.

Das neue Vielfaltsstatut (Statut für eine vielfältige Partei) ist bereits das Einfalltor für Manipulation und personenbezogenen Lobbyismus:

„Wir stellen uns Diskriminierung auch innerhalb unserer Partei entschlossen entgegen.
Durch kritische Selbstreflexion auf allen Ebenen wollen wir Wissen und Bewusstsein
über bestehende oder mögliche Diskriminierungsmechanismen – gerade auch
mehrdimensional wirkende – in unserer Partei verankern und diese Mechanismen
abbauen. Diskriminierungsfälle innerhalb grüner Strukturen werden wir aktiv bearbeiten
und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus schützen. Dafür sind wir auf die
Erfahrungen und Expertise der Parteimitglieder, die eigene
Diskriminierungserfahrungen haben, angewiesen.“

In Verbindung mit SocialMedia-Kommunikation entsteht ein „metademokratischer Raum“, der wie ein geheimes Zentralkommitee agieren kann:

„Wir etablieren und stärken innerhalb unserer Strukturen Räume, in denen gerade
Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sich in geschütztem Rahmen austauschen,
vernetzen und gegenseitig stärken können, und stellen dafür Ressourcen zur Verfügung.“

Bündnis 90/Die Grünen geben damit die Ideen der Basisdemokratie auf, die auch auf Bewährungsaufstieg und Kompetenzaufstieg in Spitzenämter aufbaut. Und sie verstoßen damit systematisch gegen §7 PartG.
Wer sich mit dem Thema näher befasst, wird so auch ein „Ortsgruppen-Hopping“ vor Wahlen erklären können. — Darum prüfe sich jeder selbst, wer sich mit Mitgliedschaften in Parteien und bei kommenden Wahlentscheidungen bindet.
In jedem Fall verändert sich bei Bündnis 90/Die Grünen die nach dem Parteiengesetz vorgesehene innerparteiliche Demokratie nach dem „bottom-up-Prinzip“ des § 7 PartG. Der Status einer Kaderpartei und eine ideologische Top-Down-Politik sind offenbar programmatisch bereits seit 2020 festgelegt.

Stefan Gelbhaar kandidiert weiter als Direktkandidat

Der Kreisverband Pankow hatte Stefan Gelbhaar am Freitag aufgefordert, seine Direktkandidatur für den Wahlkreis 75 aufzugeben. Das teilte der Kreisverband in einer Mail an seine Mitglieder mit. Die Grüne Bundespartei will nun auch, dass sich Stefan Gelbhaar als Direktkandidat für die Bundestagswahl zurückzieht. Die Parteivorsitzenden der Grünen, Franziska Brantner und Felix Banaszak, erklären gegenüber dem rbb auf Nachfrage: „Wir haben großes Vertrauen in die Entscheidung des Kreisvorstands und unterstützen diese.“
Gelbhaar, der auch als Bundestagsabgeordneter im Ausschuss Digitales sitzt, wird nun offenbar Opfer einer auf unkontrollierbare Soziale Medien aufbauenden Digitalpolitik.
Am 8. Januar werden die Grünen vom Kreisverband Pankow erneut über die Direktkandidatur entscheiden.
Die Umstände der Kampagne gegen Gelbhaar sind mehr als dubios: denn bisher ist Gelbhaar der miz hohem Vertrauen gewählte Direktkandidat seiner Partei in Pankow. Er war erst im November mit 98,4 Prozent von seinem Kreisverband dazu gewählt worden.

Gelbhaar hatte vertrauensvoll auf parteiinterne Klärung gehofft, und zog wegen der parteiinternen Vorwürfe der sexuellen Belästigung am 13. Dezember 2024 seine Kandidatur für die Landesliste der Partei für die Bundestagswahl zurück.

Am 31.12.2024 veröffentlichte Gelbhaar seine Stellungnahme „Zu Falschbehauptungen und Meldungen.“

Es ist die richtige Entscheidung, an der Kandidatur festzuhalten. Das Risiko einer Wahlanfechtung steht nun auch im Raum.

m/s