In einer Metropole wie Berlin kann eine Diskussion um das Thema „Leitkultur“ leicht ausufern. Es geht dabei immer um Ansichten, Herkünfte, Besitz und Ansprüche und um Politik. Politik soll zukünftige Ansprüche absichern, was auf verständlichen Motiven beruhen kann, aber auch auf ausufernden und unangemessenen Motiven und Ansprüchen.
Wie soll eine Zeitung damit umgehen?
Soll der Begriff Leitkultur auf lustige Weise ad absurdum geführt werden? Etwa indem auf die Frage „Was ist eine Leitkultur?“ geantwortet wird, eine Kultur, in der „Einer ein großes Geweih auf dem Kopf hat, und sagt wo es entlang gehen soll!“
Oder gibt es einen ernsthaften, zukunftsicheren und tragenden Weg, mit Kultur und Vielfalt unzugehen?
Der Begriff der Leitkultur wurde von einem syrischen Einwanderer 1998 geprägt. Bassam Tibi, am 4. April 1944 in Damaskus geboren, ist heute deutscher Politikwissenschaftler und war Professor für Internationale Beziehungen an der Georg-August-Universität Göttingen. Tibi hat schon 1991 den Begriff des Euro-Islams mit geprägt.
Tibi kritisierte auch die deutsche Flüchtlingspolitik als konzeptlos, er sprach sich nicht grundsätzlich dagegen aus, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt, sondern kritisierte, dass es ihnen „außer Unterbringung, Alimentierung und Sprachkursen nichts anzubieten“ habe.
Alles Leitkultur – oder was?
Tibi sprach sch für eine verbindliche europäische Leitkultur aus, die einen Kulturpluralismus ermöglicht und als „kulturelle Moderne“ ( ein Begriff von Jürgen Habermas) in Aufklärung, Säkularisierung und Toleranz verwurzelt ist:
– Vorrang der Vernunft vor religiöser Offenbarung,
– Demokratie, die auf der Trennung von Religion und Politik basiert,
– Pluralismus und
– Toleranz.
Im Rahmen der Debatte über Integration von Migranten in Deutschland regte Bassam Tibi an, eine solche Europäische Leitkultur für Deutschland zu entwickeln. Er sprach sich für Kulturpluralismus mit Wertekonsens, gegen wertebeliebigen Multikulturalismus und gegen Parallelgesellschaften aus. Er stellte „Einwanderung“ (gesteuert, geordnet) gegen „Zuwanderung“ (wildwüchsig, einschließlich illegaler Migration und Menschenschmuggels).
Doch in der seitdem geführten Debatte um Kultur, Leitkultur und zeigt sich immer mehr: der Begriff hilft nicht wirklich weiter. Wer mag, kann den Verlauf der Debatte um den Begriff „Leitkultur“ anhand der Hauptstränge aufnehmen, die bei Wikipdia skizziert sind.
Weiter führt das neue Wikipedia-Portal „Interkultureller Dialog und Integration“, das sich vor allem an vZugewanderte, Minderheiten und ihren Nachkommen in deutschsprachigen Staaten im 21. Jahrhundert richtet.
In der Metropole Berlin sind wir längst in einem neuen Zustand der Kultur angekommen, der wohl am Besten mit dem Begriff der „Interkultur“ beschrieben ist, wie der Publizist Mark Terkessidis in seinem Buch Kollaboration beschreibt:
„Eine Gesellschaft der Vielfalt kann nur funktionieren, wenn viele Stimmen gehört werden und unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten.“
Zeitung in der Interkultur
In der Metropole Berlin haben wir längst den Zustand einer globalen Interkultur erreicht, in der viele Herkünfte, Sprachen und Gemeinschaften präsent sind. Die Touristen, Gäste und Botschafter aus aller Welt sind über das Jahr gerechnet in größererer Zahl in der Stadt, als die Zahl der Einwohner. Zuwanderer und Geflüchtete und schon lange ansässige Migranten sind längst eigene Kulturen in der metropolitanen Interkultur. Politik und Kulturpolitik hinken hinterher, und versuchen sich ein Bild zu machen, und kommen nur noch auf abstrakte Begriffe.
Eine wichtige kulturelle Errungenschaft wird daher immer wichtiger, neben Vernunft, Demokratie, Pluralismus und Toleranz. Es ist der Respekt gegenüber anderen Kulturen, der in der UN-Toleranzkonvention der UNESCO gefordert ist, der aber in der Politik ein Schattendasein führt. Wie aber soll Respekt wachsen, wenn es sprachliche Hürden, Mißverständnisse und auch Fremdheitserfahrungen gibt, die „Kollaboration“ behindern? Wie können Sprachgrenzen und kulturelle Grenzen überwunden werden?
Diesem Fragenkomplex soll ab August nachgegangen werden. Gastautoren und Gastautorinnen, Journalistinnen und Journalisten und Übersetzer sind herzlich eingeladen, mit kreativen Ideen und Beiträgen den Themen „Kollaboration“, „Respekt“ und „Interkultur“ nachspüren.
Das tri-linguale journalistische Format
Natürlich braucht es auch eine kreative Herausforderung, die das Projekt innovativ und besonders macht: die Pankower Allgemeine Zeitung wird eine Plattform bieten, für mehrsprachige journalistische Beiträge. Die Grundidee ist einfach: Kommentare, Kolumnen, Berichte und Beiträge werden werden immer in mindestens drei Sprachen verfasst.
Die Wahl der Sprachen obliegt den Autoren und Korrespondenten im Ausland. Englisch sollte als Mittlersprache immer dabei sein. Es können auch mehr als drei Sprachen gewählt werden, wenn die Beiträge nicht zu lang werden.
Es ist zugleich ein zukunftsweisendes Projekt: Journalistinnen und Journalisten können sich für das Projekt einer neuen Zeitung mit internationalen Themen und Rubriken bewerben, das im Herbst startet. Das neue Zeitungsprojekt soll helfen, die Welt in die Zukunft der Post-2030-Agenda hinein zu begleiten und zu neuen Mut und neuen Taten inspirieren.
Nähere Informationen:
Projekt: Zeitungen und Medien der Interkultur & das tri-linguale journalistische Format
Erst-Kontakt: redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de