2015 jährt sich die Ordination von Regina Jonas (1902 – 1944) zum 80. Mal. Ihr Rabbinatsdiplom markiert den Anfang der Gleichberechtigung jüdischer Frauen auch im geistlichen Amt, die allerdings mit der Schoa ein jähes Ende nahm. Als 1972 in den USA Sally Priesand ordiniert wurde, galt diese für lange Zeit als erste Rabbinerin der Welt. Doch bereits 1935 erlangte eine Absolventin der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums diesen Status. Dies wurde erst in den 1990er Jahren wieder bekannt.
Heute sind weltweit etwa 1.000 Rabbinerinnen tätig; das Abraham Geiger Kolleg hat im Jahr 2010 mit Rabbinerin Alina Treiger erstmals eine Frau ordiniert.
Das Abraham Geiger Kolleg und die School of Jewish Theology nehmen den Jahrestag zum Anlass, vom 17. – 19. November mit der interdisziplinär ausgerichteten Konferenz „The Role of Women’s Leadership in Faith Communities“ die erfolgreiche Emanzipationsgeschichte jüdischer Frauen in Deutschland ins öffentliche Gedächtnis zurückrufen.
17. – 19. November 2015 in Berlin & Potsdam
“The Role of Women’s Leadership in Faith Communities. Marking 80 Years of Women in the Rabbinate”
(Eröffnung in Berlin – Tagung auf den Uni-Campus Potsdam)
Der Vergleich mit Reformprozessen in den Kirchen zeigt dabei die Nähe von Judentum und Christentum in ihrer jeweiligen Auseinandersetzung mit Tradition und Erneuerung. Die Konferenz soll auch dazu beitragen, die jüdische theologische Frauenforschung zu verstetigen.
Den Festvortrag zur Eröffnung im Berliner Centrum Judaicum, “The Presence and Absence of Women in the Intellectual History of the Jewish Community”, hält Prof. Dr. Rachel Elior (Hebrew University of Jerusalem).
Die nachfolgede Tagung findet am Mittwoch und Donnerstag auf dem Campus der Universität Potsdam Am Neuen Palais statt. Den Auftakt macht Prof. Dr. Pamela S. Nadell (American University, Washington D.C.) mit “Women Who Would Be Rabbis. A History of Women’s Ordination, 1889 – 2010”; den Abschlussvortrag in der Potsdamer Nikolaikirche hält die Präsidentin der Central Conference of American Rabbis, Rabbinerin Denise L. Eger (Los Angeles).
Die englischsprachige Tagung, wird zum Großteil von der Kulturstiftung des Bundes finanziert und ist öffentlich.
Prominente Gäste und Tagungsteilnehmer
Unter den weiteren Referenten und Referentinnen aus Europa, Israel und den USA sind viele prominente internationale Vertreter und RabbinerInnen jüdischer Glaubensgemeinschaften:
Rita Abramsen (N) – Prof. Dr. Katajun Amirpur (D) – Rabbiner Dr. Bradley Shavit Artson (USA) – Botschafterin Anna Azari (IL/PL) – Susann Bass (USA) – Prof. Dr. Angela Berlis (CH) – Dina Brawer (GB) – Franca Coen (I) – Katarzyna Czerwonogóra (PL/IL) – Prof. Dr. Kathy Ehrensperger (GB/D) – Rabbinerin Gesa Ederberg (D) – Rabbinerin Jacqueline Koch Ellenson (USA) – Prof. Dr. Irmtraud Fischer (A) – Prof. Dr. Charlotte E. Fonrobert (US) – Rabbinerin Elyse Frishman (USA) – Prof. Dr. Judith Frishman (NL) – Dr. Edyta Gawron (PL) – Rabbinerin Laura Geller (USA) – Prof. Dr. Karla Goldmann (USA) – Diana Groó (H) – Dr. Louise Hecht (CR) – Rabbinerin Delphine Horvilleur (F) – Rabbinerin Drs. Margaret Jacobi (GB) – Prof. Dr. Renate Jost (D) – Rabbinerin Dr. Deborah Kahn-Harris (GB) – Rabbinerin Dr. Elisa Klapheck (D) – Dr. Yael Kupferberg (D) – Prof. Dr. Chia Longman (BE) – Dr. Gail Twersky Reimer (USA) – Rabbinerin Sandy Eisenberg Sasso (USA) – Prof. Dr. Shuly Rubin Schwartz (US) – Dr. Esther Seidel (GB) – Rabbinerin Dr. Kinneret Shiryon (IL) Dr. Stefanie Sinclair (GB) – Rabbinerin Ute Steyer (SE) – Dr. Katarzyna Tempczyk (PL) – Prof. Dr. Katharina von Kellenbach (US) – Prof. Dr. Marie-Theres Wacker (D).
Bereits im Sommer 2014 hatte das Abraham Geiger Kolleg vier bahnbrechende amerikanische Rabbinerinnen – jeweils die erste in ihrer Denomination – zusammen mit den Rabbinerinnen Jackie Tabick (GB) und Alina Treiger (D) bei einer bemerkenswerten Diskussion zur Erinnerung an Rabbinerin Regina Jonas in Berlin zu Gast. Das Titelfoto zeigt das Podium der Tagung.
Über das Abraham Geiger Kolleg
1942 schlossen die Nationalsozialisten die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin – das Ende einer Ära, die mit Abraham Geiger ihren Anfang genommen hatte. 1836 hatte dieser die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät gefordert, um sich im Geist akademischer Freiheit der jüdischen Tradition zu widmen.
Das Abraham Geiger Kolleg an der Universität Potsdam ist die erste Rabbiner- und Kantorenausbildungsstätte in Mitteleuropa nach der Schoa. Das Kolleg wird getragen durch den Bund, das Land Brandenburg und die Kultusministerkonferenz, den Zentralrat der Juden in Deutschland und die Leo Baeck Foundation. Es bietet eine akademische Rabbinerausbildung im Rahmen einer staatlichen Universität. Ziel ist das Verständnis des Judentums in einem pluralistischen Zusammenhang. Seit 2007 bildet das Abraham Geiger Kolleg auch Kantoren aus.
Drei Säulen der Ausbildung
Die Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg an der Universität Potsdam hat drei Säulen:
1. Hohes akademisches Niveau durch eine breite Kursauswahl in Potsdam und Berlin. Das Studium mündet in einen Bachelor- oder Masterabschluss in Jüdischer Theologie mit einem der Schwerpunkte Rabbinat oder Kantorat an der Universität Potsdam.
2. Professionelle Begleitung, Mentoring und Supervision der Studenten in ihrer praktischen Ausbildung.
3. Coaching der seelsorgerischen Praxis durch ein rabbinisches Mentorensystem.
Rabbinische und kantorale Studien sind in dem umfassenden Lehrplan der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam verankert und so in das große Umfeld einer Universität eingebettet. Dies fördert das Verständnis des Judentums in einem pluralistischen Zusammenhang. Das Abraham Geiger Kolleg ist Mitglied der Weltunion für progressives Judentum (WUPJ) und durch die Central Conference of American Rabbis akkreditiert. – Text: Hartmut Bornhoff.
Weitere Informationen:
Kontakt und Anmeldung:
albrecht.dreissig@uni-potsdam.de