Die islamische Republik Pakistan gehört seit 55 Jahren zu den deutschen Entwicklungspartnern – ein Anlaß für einen besonderen Einblick auf das sechstgrößte Land der Erde und die gleichzeitig zweitgrößte islamische Nation mit rund 190 Millionen Einwohnern. 1956 rief sich Pakistan zur ersten Islamischen Republik der Welt aus. Das Land begeht daher in diesem Jahr auch ein besonderes Jubiläum als Nation. Der deutsche Blick nach Pakistan wird heute durch den hoch aufragenden Hindukusch und dessen Konflikte verstellt. Pakistan und seine Wirtschaft und Kultur bieten heute jedoch wertvolle Inspirationen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Besondere diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen
Schon 1951 nahmen die Bundesrepublik Deutschland und Pakistan diplomatische Beziehungen auf. 1959 wurde das erste deutsch-pakistanische Investitionsabkommen abgeschlossen. Im Jahr 1961 stieg Deutschland in die Reihe der Partnerländer ein, die Pakistan mit Entwicklungshilfe unterstützen. Aktuell werden 93,6 Millionen Euro (2015 und 2016) staatliche Mittel der Deutschen Entwicklungsarbeit ausgereicht, die sich auf die nordwestlichen Regionen Khyber-Pakhtunkhwa und den Stammesgebieten in der Nähe der afganischen Grenze konzentriert, in der auch die UN-Flüchtlingshilfe unterstützt wird.
Zwischen Armut und Modernisierung – Textilwirtschaft als Schlüssel
Rund ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung lebt, unterhalb der Armutsgrenze. Jährlich drängen sechs Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt, und finden keine angemessenen Ausbildungsplätze.
Pakistan hat deshalb ambitionierte Modernisierungspläne, die Textilindustrie und Mode zu einer Schlüsselbranche machen. Dr. Jauhar Saleem, Botschafter der pakistanischen Botschaft in Berlin sieht auch einen „Symbiotic link“ zwischen Textilproduktion und Fashion, denn Textilien machen 56 Prozent der pakistanischen Exporte aus. Deutschland ist traditionell einer der großen Textilimporteure und wichtiger Kooperations- und Handelspartner.
Es liegt dabei im Interesse beider Seiten, die Wertschöpfungsketten zu verbessern, und die Problematik der „Billigtextilien“ zu überwinden.
Korrespondierende Entwicklungsziele
Die Modernisierungspläne der pakistanischen Regierung und die wirtschaftlichen Ziele zur Etablierung hochwertiger Wertschöpfungsketten, korrespondieren mit den weltweiten UN-Nachhaltigkeitszielen und den vom deutschen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im „Textilbündnis“ vorgelegten Ziele und Strategien. Für die bilaterale Zusammenarbeit, für Investitionen und Handel besteht damit eine „Long-Wave“ korrespondierender Entwicklungsziele, die eine ideale Basis für erfolgreiche private Investitionen sind.
Vereinfacht: gelingt es mehr höherwertige Textilien nachhaltig und umweltfreundlich zu produzieren, kann auch stärker in nachhaltige Produktionsmethoden und Umwelttechnik investiert werden. Die Basis langfristiger kooperativer und komparativer Kostenvorteile ist da, die bilateral und weltweit für künftiges Wohlstandswachstum und Armuts-Bekämpfung sorgen kann.
Verlässt man die wirtschaftliche Betrachtungsebene, so eröffnen sich faszinierende Aussichten für eine der bedeutendsten Branchen, die augenscheinlich und hautnah eine friedliche Entwicklung voranbringen können: Mode, Design, Fashion und Kultur.
Erfolgreicher Blickwechsel: Pakistanische Mode in Berlin
Einen Blickwechsel versuchte das pakistanische Konsulat aus Anlass des Zuckerfestes, dem großen Fastenbrechen nach dem Ramadan, selbst anzuregen. Eine große kulturelle Fashion Show Extravaganza im Maritime Hotel in Berlin am 5 Juli 2016 war ein gelungener Versuch, eine neue Brücke zu bauen, und den technokratischen Blick von Wirtschaftsexperten auf pakistanische Textil-Exporte, Lederwaren, Schmuckwaren und Basmati-Reis zu überwinden.
Es war eine besondere Inspiration und wichtige kulturelle Anregung für die Zukunft, die jedoch in der Medienlandschaft Berlins fast unterging. Leider haben der Anschlag von Nizza und die anhaltende politisierte Diskussion um „textile Bekleidungsfragen von Frauen“ unterschiedlicher kultureller Herkünfte das allgemeine Klima belastet.
Extravaganza – Mode aus Pakistan
Die große kulturelle Fashion Show Extravaganza im Maritime Hotel gab den Blick auf das moderne Pakistan frei, das sich als Partner und weltoffene Kultur präsentiert. Pakistan hat selbst auch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen, die nur mit mehr Dialog, Handel, Kulturaustausch und mehr industrielle Wertschöpfung lösbar werden. Als großer Baumwoll-Produzent sieht Pakistan in der Weiterentwicklung der Textilindustrie und dem Ausbau hochwertiger Textilmode eine wichtige Zukunftschance. Wie weit man inzwischen in der designorienterten Mode mitspielen kann, das zeigte die Fashion Show Extravaganza in Berlin.
Der Sprecher der pakistanischen Nationalversammlung, HE Sardar Aya Said, war Hauptgast des Abends. Unter den rund 600 Gästen befanden sich Parlamentarier, Diplomaten, hochrangige Beamte, prominente Geschäftsleute, Mode Designer, Künstler, Wissenschaftler und Mitglieder der pakistanische Diaspora in Berlin.
Der pakistanische Botschafter, Januar Saleem, begrüßte die Gäste und lud ein, die Geschichte und Kultur Pakistans besser kennen zu lernen. Botschafter Saleem benannte die Probleme der neuen pakistanischen Jugend, die Schwierigkeiten haben, von den westlichen Ländern in ihrer Identität und ihren Persönlichkeiten verstanden zu werden.
Für den Beobachter war dies auch als Bitte zu verstehen, sich für mehr Dialog auf Augenhöhe zwischen Deutschland und Pakistan einzusetzen. Es ist auch der Wunsch, mehr Unterstützung im Kampf gegen Armut und Instabilität zu finden.
Hauptattraktion des Abends war die Präsentation der pakistanischen Haute Couture von aktuellen Top Designern wie Hasan Sheheryar Yasin, Fajad Hussayn, and Mahlen Khan (Gulabo). Auf dem Laufsteg präsentierten die „Super Models“ Mehreen Syed, Sozia Aman, Alyzeh Gabol, Hira Shah, Rachel und Zille Huma mit wunderbarer Leichtigkeit und Eleganz aktuelle Kollektionen aus Pakistan. Auf dem Laufsteg waren Urwa Hocane und Mara Hocane besondere Stars des Abends.
Besondere Schönheit, Anmut und Sanftheit der modernen, eleganten und hochwertigen Modepräsentation zeigten sich in wunderbaren Bildern, die Frauen weltweit besonders inspirieren werden und ein ganz eigenständiges, modernes Frauenbild zeigen.
Interkulturelle Traditionen und modernes pakistanisches Modedesign
Pakistan hat schon seit alten Zeiten eine hoch entwickelte Textilkunst und mit hohen handwerklichen Fähigkeiten. Das Ergebnis sind hochwertig gewebte Stoffe, traumhaft schön bestickte Röcke und Mäntel, wie sie schon in den bunten traditionellen und „Shalwar Kameez“ und auch verwendet werden.
Die Tradition der dreiteiligen „Shalwar Kameez“, die aus Salwar (Hose), Kamiz (Hemd( und Dupatta (breiter Schal) bestehen bezieht arabische, persische und indische Spielarten in Stil, Farben, Mustern und Länge im Textildesign ein.
Die Dupatta wird dabei von Frauen als ein langer, breiter Schal, über eine Schulter, um den Hals oder über den Kopf gelegt, und betont so Anmut und Schönheit und Gesicht.
Das traditionelle Gegenstück für Männer ist der Tahband oder Longhi – ein einfacher großer Schal, der um die Hüften gewickelt wird, jedoch eher in ländlichen Gebieten im Alltag zu sehen ist.
Der traditionelle Sari wurde durch die vielfäligeren Formen des „Shalwar Kameez“ aus dem Alltag verdrängt, die auch im Online-Handel als „three piece suits“ bezeichnet werden.
Die bauchfreien Varianten des Saris entsprechen nicht den islamischen Anforderungen an alltägliche Kleidungsstücke von Frauen. Doch für Hochzeiten und besondere gelegenheiten werden weiter kunstvolle Saris angefertigt, reich bestickt – und oft auch zusätzlich mit kleinen Perlen und Spiegelchen verziert sind. Diese Art von Sari ist meist aus sehr hochwertigen Stoffen gefertigt.
Klimaangepaßte Kleidung und Stoffauswahl nach Jahreszeiten
Traditionen der Bekleidung, Anpassung der Stoffe an Klima, zwischen Hitze und Kälte – und die bequeme Trageweise beim Übergang von Sommerhitze in kühlende Gebäude sind wichtige Merkmale, um die bis heute wirkende Verbindung von Tradition und modernen Modedesign zu verstehen.
Die Stoffe für den Salwar Kameez unterscheiden sich je nach Jahreszeit. Im Sommer wird hauptsächlich Lawn getragen, ein sehr dünner und feiner Baumwollstoff, der manchmal leicht transparent ist. Bei durchsichtigen Stoffen, wird unter dem Kameez ein zusätzliches dünnes Unterhemd, zumeist kurzärmlig, getragen, das man als Shameez bezeichnet.
Im Herbst und Winter werden dickere Baumwollstoffe, reine Wolle, Mischgewebe oder Velvet(Pannesamt) getragen.
Pakistanische Modedesigner mit klangvollen Namen
Die modernen pakistanischen Designer haben ihre aktuellen Designkreationen entwickelt, ohne die alten Textiltradiionen zu verleugnen. Sie begeben sich damit auf einen Weg, der für den modernen interkulturellen Weltmarkt neue ästhetische Impulse zu setzen versteht, und dabei sehr eigenständige Akzente setzt, die Individualität und Eigenständigkeit der Frau betonen.
Die neue pakistanische Mode ist auf besondere Weise modern, spricht einen interkulturellen Markt an, der sich heute von Europa, und Nordafrika, über arabische Staaten bis nach Indonesien entfaltet.
Die Fashion Show Extravaganza eröffnete auch eine Vision, wohin die islamische Republik Pakistan sich gern in Zukunft hinwenden möchte. Die Gäste waren beeindruckt und begeistert. Pakistanische Küche, ein reich gedecktes Bufett machten den Abend zu einem gelungenen Ereignis, das das Bild einer pakistanischen Nation mit einem modernen und sanften Image „hervorzauberte“.
Die Modedesigner präsentierten auch ihre Visionen eines modernen Frauenbildes, das Individualität, Würde und Anmut mit Schönheit vereint.
Weitere Informatonen:
Botschaft der islamischen Republik Pakistan in Berlin – www.pakemb.de
Hasan Sheheryar Yasin – www.hsystudio.com
Fajad Hussayn – www.fahadhussayncouture.com
Mahlen Khan (Gulabo) – www.gulabo.pk
26.-29. April 2017 – Karachi Expo Centre
IGATEX Pakistan 2017 – www.igatex.pk
The 10th Garment, Textile & Leather Machinery & Accessoires Exhibition & Conference
Danksagung:
Herr Doygu Budancamanak von der Jacobs University Bremen (International Politics and History ’17) hat großen Anteil am Zustandekommen dieses Beitrags, der ganz besonders von über 80 Fotos der Fashion Show inspiriert wurde.
Erfolgsstory: Bündnis für Nachhaltige Textilien | 5.8.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung