Knallrot, anthrazitfarben abgesetzte Fenster-Bänder, der neue „Modulare Schulergänzungsbau“ auf dem Grundstück der Mendelschule in Pankow wurde am 20.8.2014 von Schulsenatorin Sandra Scheeres, Stadträtin Zürn-Kastantowicz und Schuldirektorin Petra Burkert eingeweiht. Mit dabei: Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin.
Der Schulergänzungsbau in der Mendel-Grundschule in Pankow wurde von ihr euphorisch begrüßt:
„Ich freue mich sehr, dass trotz der engen zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen wie geplant die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer zum Schulbeginn ihre neuen Räume beziehen können. Dass wir das erreicht haben, ist vor allem der engagierten Leistung aller an der Planung und am Bau Beteiligten zu verdanken, die trotz einer sehr standardisierten Bauaufgabe mit äußerst engen Gestaltungs- und Funktionsvorgaben jedem der modularen Ergänzungsbauten ein eigenes, unverwechselbares und farbenfrohes Gesicht gegeben haben“, so Regula Lüscher in der offizeillen Mitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.
Schulbaupolitik von der Hand in den Mund
Die Schulbaupolitik versucht derzeit, dem rasanten Stadt- und Einwohnerwachstum Rechnung zu tragen. Die Bevölkerungsprognose für 2030 zeigt ein Wachstum insbesondere in den Altersgruppen der 6 bis unter 18-Jährigen – das sind fast 20% für ganz Berlin.
Diese Zahlen machen eine Erweiterung der vorhandenen Schulraumkapazitäten erforderlich.
Die „modularen Schulergänzungsbauten“ sollen nun die kurzfristig erkannte Bedarfslücke decken helfen, die vor allem im Bereich
der Grundschulen besteht.
Die Schulerweiterung ist nach Dringlichkeit festgelegt und richtet sich nach den von den Bezirken gemeldeten Bedarfszahlen.
Doch die Bezirke haben auch viel zu tun, um die ganze Bandbreite des Schulanlagensanierungsprogramms zu realisieren und die bestehenden Mängel im Brandschutz und sanierungsbedrürftigen Sanitäranlagen zu beseitigen. Darüber hinaus stehen bei vielen Schulgebäuden die Sanierung der Dächer, der Fassaden und Fenster sowie der Sanitär- und Heizungsanlagen an. Auch die Klassen- und Fachräumen oder Schulsportanlagen müssen instandgesetzt werden.
Sanierungsstau 864 Mio. € – Modulare Schulergänzungsbauten 25,7 Mio. €
Laut einer aktuellen Vorlage der Bildungsverwaltung für das Abgeordnetenhaus liegt der Sanierungsstau bei den Schulen in bezirklicher Trägerschaft bei 864 Millionen Euro. Das Land will in den kommenden Jahren zwar etwa 580 Millionen Euro für Sanierung und Neubau von Schulen ausgeben.
Ein großer Teil des Geldes muss allerdings in die Schaffung neuer Schulplätze investiert werden, da die Schülerzahlen steigen. Bis 2015 sind allein 25,7Millionen Euro für ein Containerprogramm eingeplant, um auf diese Weise dringend nötige Schulplätze zu schaffen. „Im Schuljahr 2014/15 errichten wir in sechs Bezirken modulare Ergänzungsbauten“, sagte Senatorin Sandra Scheeres.
Vor allem in den Bezirken Pankow, Lichtenberg und Reinickendorf ist der Bedarf an weiteren Grundschulkapazitäten besonders hoch. Zum Schuljahresbeginn werden in den drei Bezirken insgesamt sieben Schulergänzungsbauten neu in Betrieb gehen.
Modulare Schulergänzungsbauten
Die Kultusbürokratie benötigt für neue Programme immer wieder neue, scheinbar griffige Begriffe, um planen, finanzieren und investieren zu können. Wer sich letztlich den Begriff „Modulare Schulergänzungsbauten ausgedacht hat, ist offen. Immerhin hat man sich von den aus früheren Zeiten gebauten „Container-Schulbauten“ verabschiedet. Die Bauindustrie hat auch mit neuen und durchaus ästhetisch ansprechenden Konzepten reagiert.
Die „modularen Schulergänzungsbauten“ wurden in enger Zusammenarbeit zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt entwickelt.
Die Schulergänzungsbauten wurden mit 12 bzw. 24 Unterrichtsräumen als Schnellbaumaßnahme entwickelt. Die Gebäude enthalten jeweils Klassen- und Gruppenräume, Lehreraufenthaltsbereiche, sanitäre Anlagen, Abstellräume, Hausanschlussraum und je einen Aufzug.
Errichtet wurden die neuen Bauten jeeils auf vorhandenen Schulgrundstücken in unmittelbarer Nähe der Bestandsgebäude. Die neuen Ergänzungsbauten sind freistehend, nicht unterkellert, und dreigeschossig. ZUdem sind die Gebäude barrierefrei zugänglich entsprechen einem modernen energetischen Standard.
Systembau mit schnellen Planungs- und Bauzeiten
Das Planung und Ausschreibung über einen Generalunternehmer und Systembau-Anbieter ermöglichte eine schnelle Planung aus Baufertigstellung. Nach weniger als 15 Monaten wurden die ersten 7 Standorte planmäßig fertiggestellt und zum Schuljahresbeginn 2014 / 2015 schlüsselfertig und eingerichtet übergeben. In 8 Monaten Bauzeit entstanden parallel sieben parallel Projekte mit Baukosten von insgesamt 21,3 Millionen Euro.
Weitere acht Schulergänzungsbauten mit 6 bzw. 21 Unterrichtsräumen in sechs Stadtbezirken Berlins sind für den Schulbeginn 2015/ 2016 in Planung.
In Pankow haben nun drei Grundschulen Erweiterungsbauten bekommen:
– Grundschule am Wasserturm, Berliner Str. 66, 13089 Berlin-Pankow
– Mendel Grundschule, Stiftsweg 3, 13187 Berlin-Pankow
– Grundschule Wilhelmsruh, Lessingstr. 44, 13158 Berlin-Pankow
Diese wurden vom Generalunternehmer Goldbeck Ost GmbH errichtet. Das Farbkonzept stammt nicht etwa aus dem politischen Raum, sondern von Hentschel / Oestereich Architekten BDA.
Kurzfristdenken in der Schulbau-Politik
Das eilige Bauprogramm der „modularen Schulergänzungsbauten“ ist eine berlintypische Maßnahme der Verwaltung, die aufgrund einer verspäteten Planung in Gang gesetzt wurde. Auch wenn die von der Fa Goldbeck errichteten Neubauten modernen Ansprüchen durchaus genügen, bleibt doch zu fragen, ob sie als „identitätsstiftende Schulbauten“ wirklich gut geeignet sind.
Schon nach wenigen Jahren entwachsen Grundschüler ihren Schulbauten – und besuchen höhere Schulen, die Bauten müssen ggf. völlig umgenutzt werden.
Um kommunale Gebäude mit einem intelligenten Bestandsmanagement zu bewirtschaften, fordert etwa die Architektenkammer NRW den Typus „Multifunktionale Schulgebäude“, der im Idealfall zur Nutzungsanpassung in der Lage ist,
Beispielsweise könnten vorübergehende Funktionen einer Kindertagesstätte, Schule, einer Einrichtung zur Erwachsenenbildung, und möglicherweise auch die Funktion eines Bürogebäudes etabliert werden.
Wann bekommen Schulpädagogen das Sagen bei Schulneubauten?
Die Anforderungen an eine moderne Schule wandeln sich. Moderne Pädagogik setzt auf individuelle Förderung, auf flexible Unterrichtsformen. Dazu will die Pädagogik den Anforderungen durch Inklusion und Ganztagsschule gerecht werden.
Dafür braucht es spezifische räumliche Konzepte für Schulen, multifunktionale, flexible Unterrichtsräume, die solche neuen Lernformen ermöglichen.
„Guter Schulbau als Standard!“, lautet die Forderung der Montag Stiftung Urbane Räume und der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, die gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architekten BDA und mit Unterstützung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) im November 2013 die „Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland“ veröffentlicht haben. Ein Blick lohnt – denn nicht nur in Pankow, sondern in ganz Berlin muß eine Langfristpolitik im Schulbau aufgebaut werden.
Ein Blick über den Berliner Stadtrand weist auf auf völlig neue, sehr innovative Konzepte, wie sie etwa im Konzept „Fraktale Schule“ angewendet werden, die Schulen vom „Haus der Belehrung“ zum „Haus des Lernens“ umdenken – und eine veränderte Schul- und Lernkultur „by Design“ unterstützen.
Die Schule muß die gleichen Schlüsselqualifikationen fördern, die in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft gefragt sind: Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Kooperationsbereitschaft. Dies erfordert veränderte Formen des Lernens.
In Berlin sollte daher nicht nur „kultusbürokratisches Reparaturdenken“ verfolgt werden – sondern über eine von Schulpädagogen und Architekten konzipierte „Schule der Zukunft“ neu nachgedacht werden.