Seit Anfang August läuft das integrierte Werkstattverfahren zur städtebaulichen Neugestaltung der Fläche des ehemaligen Rangier- und Güterbahnhofs Pankow. Die „blühende Brachlandschaft“ soll künftig zu einem „lebendigen Stadtteil“ verwandelt werden. Das Investionsvorhaben der KGG zur Neuansiedlung eines großen HÖFFNER-Möbelhauses, eines SCONTO-Marktes und eines neuen Einzelhandelszentrums hat bislang alle Planungsabsichten vorangetrieben.
Rangierbahnhof Pankow: Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2003 Quelle: Veauthier Mayer Architekten www.av-a.com
Die rote Info-Box am Bahnhof Pankow kündete auch schon von einem nahen Baubeginn – und die veröffentlichten Pläne versprachen schnelle Machbarkeit. Die Dimension des Vorhabens stellte sich bislang allein als „Bebauung des Rangierbahnhofs“ dar. Der Name „Pankower Tor“, der vom Investor Kurt Krieger gewählt wurde, deutete auf ein übliches zukunftsweisendes städtebauliches Vorhaben.
Tatsächlich ist die geplante Bebauung aber viel mehr: in der baulichen Dimension sollen bis zu 5 Hektar neue Handelsflächen entstehen. Das geplante neue Möbelhaus und der SCONTO-Markt sind dabei weitgehend unstrittig – jedoch ruft die Dimension eines vom Investor Krieger gewünschten Einzelhandelszentrums mit rund 15.000 Quadratmetern Fläche erhebliche Bedenken auf den Plan.
Ferner können auf der 27 Hektar großen Fläche bis zu 10.000 neue Einwohner angesiedelt werden.
Die Attraktivität des geplanten Möbelhauses mit Einkaufszentrum verwandelt auch die bisherigen Verkehrsströme in Pankow und wird den Verkehr auf den Zufahrtsstraßen erheblich verstärken. Auch wird der Einzelhandels-Umsatz von jährlich rund 560 Mio. € im Einzugsgebiet neu verteilt werden – und weiter wachsen. Die Verlagerung des Möbelhauses von der Weddinger Pankstrasse nach Pankow wird auch einen beachtlichen Umsatzzuwachs mit sich bringen.
Für den Investor Kurz Krieger, der bundesweit rund 45 große Standorte mit seinen Möbelhäusern und Skonto-Märkten entwickelt hat, ist das Vorhaben in seinem Heimatbezirk Pankow nicht nur gutes Geschäft – sondern auch ein persönliches Anliegen. Er will hier im Zentrum von Pankow Vorbildliches schaffen.
Auch der öffentliche Personen-Nahverkehr muß neu geordnet werden – eine Umschwenkung der Straßenbahnlinie 50 vor dem S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf in die Prenzlauer Promenade ist auch angedacht. Die Debatte über neue Strassenführungen ist auch längst im Gange, und ein Neubau der „Schwarzen Brücke“ am S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf hat gute Chancen auf Realisierung. Schwierig wird jedoch die Anbindung am engen Verkehrknotenpunkt Bahnhof-Pankow.
Experten erwarten auch eine neue Zentren-Entwicklung, weil die bisherige in den letzte 20 Jahren geförderte Entwicklung der Breite Strasse zum Pankower Zentrum konterkariert wird. Faktisch wird sich zwischen Regionalbahntrasse und Granitz-Strasse ein flächenmässig gleich großes neues Zentrum entwickeln.
Stadtplaner sprechen von der Herausbildung eines „bipolaren Zentrums“ – das sich wegen möglicher wirtschaftlicher Schaukel-Effekte als sehr problematisch erweisen kann. Ein neues Zentrum mit ebenerdigen Parkplätzen zieht beispielsweise zuerst die automobilen Käufer an – bestehende Handelsflächen mit Parkhäusern geraten dagegen ins Hintertreffen. Umgekehrt zieht die gute Anbindung an Tram, S-Bahn und U-Bahn den Fußgängerverkehr an – und lenkt Fußgänger in Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität.
Problematisch für das bisherige Zentrum in der Breite Strasse: Der Investor für das Gelände der ehemaligen Kaufhalle hat bislang noch kein vernünftiges Konzept vorgelegt, das hier eine neue städtebauliche Qualität schafft und dem alten Pankower Zentrum in der Breite Strasse neue Impulse verleiht. Einige Alt-Pankower Immobilien-Enwtwickler sehen hier ein Potential vor allem für Kultur, hochwertige Gastronomie sowie für Mode, Konfektion und Fachhandel – sowie Büros und Wohnen.
Die ANH-Grundbesitz hat dabei noch einen knapp einjährigen Planungsvorsprung, der genutzt werden kann, um ein eigenes Nutzungskonzeot und Handelssortiment aufzubauen. Wenn man erst auf die fertige Planung am Pankower Tor wartet – könnte es mit der Aufwertung des alten Pankower Zentrums zu spät sein.
Die städtebaulichen Auswirkungen und die Umverteilungseffekte in der Einzelhandels-Entwicklung durch das Vorhaben „Pankower Tor“ werden weite Teile Pankows betreffen – es ist daher berechtigt, von einem geplanten „Umbau Nordost“ zu sprechen.
Zudem hat das Vorhaben Auswirkungen auf den Einzelhandel auch im angrenzenden Landkreis Barnim, dessen Pendler künftig ihre Kaufkraft zwischen Wohn- und Arbeitsort neu aufteilen.
Das Planungsverfahren ist daher kein einfaches Bebauungsplan-Verfahren. Stattdessen ist sogar eine Flächennutzungsplan-Änderung auf einer Teilfläche erforderlich. Dies macht auch eine Abstimmung mit dem Land Brandenburg in der Zuständigkeit der gemeinsamen „Landesplanungsbehörde Berlin-Brandenburg“ für die Einzelhandelszentren-Planung notwendig.
Die Entscheidung der Pankower BVV, ein integriertes Planungsverfahren auf den Weg zu bringen, war daher sehr vorausschauend.
Das Werkstattverfahren mit den Baubeteiligten, Gutachtern und dem Bezirksamt Pankow begann Anfang August 2012.
Ein erster öffentlicher Termin zum „Werkstattverfahren Pankower Tor“ war die „1.Akteursrunde am 07.09.2012“.
Als Moderatorin wurde Frau Prof. Dipl.-Ing. Elke Pahl-Weber berufen, eine namhafte Stadtplanerin von der TU-Berlin. Sie wies auf die Notwendigkeit der Moderation des Verfahrens hin, weil es sich um einen „Planungsprozess“ handelt, in dem auch neue Ideen eingebracht werden müssen.“
In seinen einleitenden Worten stellte der zuständige Stadtrat für Stadtentwicklung Jens Holger Kirchner noch einmal die Position des Bezirks Pankow vor und sagte “ meine Abteilung heißt Stadtentwicklung und das nehme ich ernst.“ „Ziel ist es, ein „lebendiges Stadtquartier“ zu entwickeln.
Jens Holger Kirchner verwies auf die positive Entwicklung: „Pankow wächst!“ …und wies darauf hin, sich auch der Geschichte zu stellen, wenn man den Bedarf fortentwickelt. Die Einbindung in die vorhandene Stadtstrukturen und eine lebendige Stadtentwicklung erfordern auch, die neuen Einzelhandelsstrukturen stärker integrieren zu müssen.
Die BVV Pankow fordert daher ein integriertes Planverfahren, das neue Aspekte entwickelt und auch auf Klimaschutz, stadtklimatische Aspekte und Energieeffizienz Rücksicht nimmt.
Rainer Nagel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung rückte die Dimension des städtebaulichen Vorhabens in den Blick und verglich das Vorhaben am Pankower Tor mit anderen städebaulichen Vorhaben und ordnete Pankow als vierzehntgrößte Stadt in Deutschland ein.
Rainer Nagel wies darauf hin, wie wichtig auch eine „rechtsfähige Planung“ ist – denn planungsrechtliche Einwände können das Vorhaben erheblich erschweren, verzögern oder sogar unmöglich machen.
Bislang hatte der Senat von Berlin nach dem Stadtentwicklungsplan (STEP) eine Fachmarkt-Agglomeration mit zentrenverträglichen Sortimenten an der Prenzlauer Promenade als genehmigungsfähig angesehen. Doch diese Position ist inzwischen umstritten, weil es hierfür auch Negativbeispiele gibt.
Eine ähnliche städtebauliche Lösung findet sich im ehemaligen Entwicklungsbereich des ehemaligen Schlachthofgeländes am S-Bahnhof Storkower Strasse – entlang der Hermann-Blankenstein-Strasse. Hier steht ein SCONTO-Markt, dazu ein Baumarkt und ein ausgedehntes Einzelhandelszentrum mit großen Parkplätzen. Außerhalb der Ladenöffnungszeiten gähnt hier eine menschenleere unwirtliche Einöde.
SCONTO-Markt am S-Bahnhof Storkower Strasse
In der Diskussion mit dem Bezirk Pankow zeichnete sich daher ab, die künftige städtebauliche Entwicklung am Pankower Tor in Richtung auf ein offenes Handelsquartier mit sozialer Funktion für Wohnbau und gewerbliche Bauflächen zu lenken.
Zu den möglichen Auswirkungen auf die Einzelhandels-Entwicklung nahm Dipl.-Volkswirt Heinrich Iversen ausführlich Stellung und bezog sich dabei auf zwei vorliegende Gutachten (GfK vom November2010 und Markt und Standort Beratungsgesellschaft 2012).
Beide Gutachten versuchen die städtebaulichen Umverteilungsquoten zu prognostizieren – und zeigen mögliche städtebauliche Unverträglichkeiten auf. Die „rote Lampe“ wird jeweils bei einer vorhersehbaren Umsatzminderung in zentralen Bereichen und Sortimenten um 10% gesehen. Das bedeutet: das Vorhaben ist durch planungsrechtliche Einsprüche von Betroffenen angreifbar, die mehr als 10% Umsatzausfall erleiden. Deren Belange nüssen dann planungsrechtlich zwischen Vorhabenträger und Betroffenen abgewogen werden.
Dies würde aber die Rechtsfähigkeit der gesamten Planung in Frage stellen – und vermutlich langjährige Verzögerungen bringen – was von keinem Beteiligten gewünscht ist. Alle Beteiligten sind daher zu einer sorgfältigen Planung angehalten und das Gesamtvorhaben stellt sich nun als sehr anspruchsvolle städtebauliche Herausforderung dar.
Wie weit die Auswirkungen des Vorhabens „Pankower Tor“ reichen, wird angesichts des Einzugsbereiches der Einzelhandelsgutachten deutlich. Das Gutachten der GfK legt einen Einzugsbereich von 932.000 Einwohnern fest – was praktisch eine Einbeziehung der Pendlerströme in den benachbarten Landkreis Barnim bis nach Eberswalde bedeutet. In Panketal und Bernau wohnen fast 60.000 Menschen – und hier hat man sich bislang mit Planungen von neuen Handelsflächen auf der grünen Wiese zurück gehalten – die Kaufkraft aus Pankow abziehen würden.
Weiter zählen der Bezirk Mitte und der Wedding und dem Gesundbrunnen-Center zum Einzugsbereich – denn das Möbelhaus wird auch von hier Besucher anziehen und den Verkehr über die Wollankstrasse verstärken.
Die nur wenige Stationen entfernten Schönhauser Allee Arcaden, das Nahversorgungszentrum in der Neummannstrasse, das Rathauscenter in Pankow – und die Berliner Straße und Breite Straße zählen zum engeren Einzugsbereich – und benötigen eine abgewogene städtebauliche Lösung für neue Einzelhandelsflächen am „Pankower Tor“.
Die bisher vorliegenden Einzelhandels-Gutachten sind nach Ansicht von Dipl.-Volkswirt Heinrich Iversen noch keine tragfähige Genehmigungsgrundlage für das Vorhaben – und lassen offen, welche Größenordnung und Sortimentstsruktur dafür kümftig nötig ist.
Beide Gutachten lassen aber erkennen, welche zentralen Versorgungsbereiche vorrangig betroffen sein werden.
Im nächsten Schritt sollte für die Planung der Einzelhandelsflächen eine Wirkungsanalyse und Sortimentstruktur erstellt werden, die auch Aussagen erlaubt, welche Umverteilungsquoten verträglich sind.
Auch die geplante Straßen-Erschließung erweist sich als schwierig, die Verkehrsplaner prüfen noch mehrere Varianten, wobei insbesondere die Anbindung an die Berliner Strasse schwierig ist.
Schwierige Straßenanbindung an die Berliner Straße am Pankower Tor
Die SPD-Pankwo hat sich bereit mit konkreten Vorstellungen zu Wort gemeldet und positioniert: sie möchte am Bahnhof Pankow – Ecke Granitzstrasse vor allem einen neuen Platz mit Cafés, Dienstleistungen, Ärzten und kleineren Einkaufsmöglichkeiten entstehen lassen. Hinter diesem Bereich soll eine neue vierzügige Gemeinschaftsschule geplant werden, der in den aufwachsenden Ortsteilen dringend benötigt wird.
„Im mittleren Bereich könnten ein kleiner Park, dazu eine Ladenpassage mit Wohnen in den oberen Etagen entstehen, der dann in einen konzentrierten Bereich des Einzelhandels mit ansprechender städtebaulicher Gestaltung (Platz, Brunnen, Arkaden) übergeht, bevor zur Prenzlauer Promenade ein Höffner- und ein Skonto-Möbelmarkt folgen. Jenseits der Autobahnbrücke soll der denkmalgeschützte Lokschuppen saniert werden“ – so verlautet es auf der Internetseite von Roland Schröder.
„Die verkehrliche Erschließung des Geländes soll ausschließlich von Osten und Norden erfolgen. Dafür soll die Schwarze Brücke am Bhf. Heinersdorf wieder aufgebaut und eine Kreuzung der Prenzlauer Promenade geschaffen werden. Für die Erschließung durch den ÖPNV setzt die Pankower SPD auf die leistungsstarke Straßenbahn, um zugleich sinnvolle Netzergänzungen zu erreichen und einen effektiven Linieneinsatz mit guten und schnellen Verbindungen zu ermöglichen.“
„Entlang der Granitzstraße soll außerdem auch auf der Nordseite durchgängig ein Radweg entstehen sowie eine Nord- Süd- Querung zwischen der Hadlichstraße und der Neumannstraße entstehen, sodass mittelfristig eine durchgehende Radverkehrsanlage von der Breiten Straße über die Hadlichstraße, das Rangierbahnhofgelände, die Neumannstraße, die Stahlheimer Straße und die Pappelallee bis zur Danziger Straße entsteht.“
Das Werkstattverfahren geht nun am 31.Oktober 2012 in eine neue öffentliche Runde:
Jens-Holger Kirchner, Baustadtrat Bezirksamt Pankow von Berlin (Grüne), Michael Künzel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und Kurt Krieger, Krieger Grundstücks GmbH laden ein zum Werkstattbericht »Pankower Tor« am 31.10.2012.
In dem Infoflyer heißt es:
„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow besteht die Chance, ein vitales und lebendiges Quartier zu entwickeln! Um die verschiedenen Zielvorstellungen des Bezirksamtes Pankow von Berlin, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der Eigentümerin, der Krieger Grundstücks GmbH in Einklang zu bringen, wurde ein gemeinsames Werkstattverfahren begonnen, in dem sich die Hauptakteure auf ein Entwicklungskonzept als Grundlage zur Schaffung von Baurecht verständigen wollen“.
Ort und Termin:
Werkstattbericht »Pankower Tor«
Platanus Schule, Berliner Straße 12. 13187 Berlin
Turnhalle / Aula 3. OG, Zugang über Toreinfahrt / Hof Aufgang B
Mittwoch, 31. Oktober 2012 – 18.00 Uhr bis ca. 20.00 Uhr, ,