Die Christmann-Gruppe in Berlin-Charlottenburg steht seit Monaten in der Kritik wegen einer brutalen Sanierungspraxis , die zur Verdrängung von Mietern genutzt wird. In Prenzlauer Berg sind zwei Häuser besonders betroffen: Die Kopenhagener Straße 46 – und die Winsstraße 59.
Energische Juristen – schleppende Baudurchführung (Methode Christmann)
Der Investor hat eine komplette Methodik entwickelt, um Mieter mürbe zu machen, und bis zur Verzweiflung und Aufgabe ihrer Wohnung zu bringen:
Phase 1: Modernisierungsankündigungen mit verfünffachter Miete, überteuerte Sanierungsstandards und frühzeitiger Baubeginn, ggf. unterhalb der Genehmigungshürde. Ein Gerüst ist heute nicht mehr besonders genehmigungspflichtig.
Phase 2: Duldungsklagen und fristlose Kündigungen gegen Mieter.
Phase 3: Gleichzeitig wird ein Baugerüst aufgebaut, und das gesamte Mietshaus in Baufolie eingehaust.
Phase 4: Schleppende Baudurchführung mit einfachen Handwerkern, die im Haus schlafen und nach eigenen Worten 3,50 € verdienen.
Phase 5: Umwandlung in Eigentumswohnungen, wenn die Mieter weg sind.
Inzwischen sind die Miethäuser in der Kopenhagener Straße 46 und Winsstraße 59 seit Mitte März in Folie eingehaust. Ein Sommer in Dunkelheit, mit fehlender Querlüftung und hoher sommerlicher Hitze liegt hinter den Mietern.
Professionelle Fassadensanierungen mit Fachfirmen dauern in der Regel 4 Wochen bis 3 Monate. Beim Investor Christmann kann eine Komplettsanierung schon einmal zwei Jahre dauern. Jeder ausziehende Mieter steigert während der Bauphase den Immobilienwert.
Zweieinhalb Jahre Bausanierung mit Wohnungsleerstand
Das Eckhaus an der Wieland-/Ecke Mommsenstraße in Berlin gehört zu den ersten Adressen. Hier hat die Christmann-Firmengruppe ihren Firmensitz. Am folienverklebten Eckladen ist edelbraune Folie in den Fenstern verklebt, und in edlen Letter steht hier „Palais-Wieland„.
Das ist natürlich ein derber Mißgriff, der mangelnde Französisch-Kenntnisse voraussetzt. Denn hinter edler Oberfläche und imitierten Bossen lauert einfaches Dämmmaterial und hundertjähriges Ziegelmauerwerk. Bei Palästen wird üblicherweise massiv und mit Naturstein gebaut. Hier wird ein solides Gründerzeithaus mit neuartigen Investoren-Design geschmückt.
Die Internetadresse der Unternehmensgruppe ist im Inselstaat Antigua und Barbuda in der Karibik registriert. Die Domain-Endung „.ag“ wird gern bei aufstrebenden Unternehmern zur Egovergrößerung eingesetzt. Gleichzeitig signalisiert die Domain Gewitzheit im Umgang mit Steuersparmodellen aller Art. Tatsächlich ist im Impressum eine einfache GmbH-Holding zu finden, die durch eine Projektentwicklungs-GmbH und eine Construct Baumanagement GmbH unterstützt wird.
Stolze Investoren im Bild
Auf der Internetseite sind phantastische Einblicke zu gewinnen, in welchen Zustand die hundert Jahre alten Gebäude versetzt werden, bevor sie „energetisch saniert“ werden. Eine Menge altes Holz, lausig vermauerte Kalksandsteine sind zu sehen, und Bert und Wulf Christmann, die weißbehemdet ohne Bauhelm und Sicherheitsschuhe in einer entmieteten Abbruchwohnung posieren.
Dazu gibt es edle Fotos und edle Texte – von den entmieteten Mietern keine Spur.
O-Ton: „Unser Wissen und unsere Erfahrung beim Umbau historischer Gebäude sind für unsere Klienten von großem Wert. Wir zeigen, wie Altbausanierung im Idealfall aussehen kann.“
„Die meisten unserer Objekte haben bereits über einhundert Jahre Berliner Luft geatmet. Sie erzählen Geschichten, denen wir gern ein neues Kapitel hinzufügen. Unsere Arbeit ist dabei ebenso von Respekt gegenüber den alten Gemäuern geprägt, als auch von hoher Professionalität und Kundenorientierung.“
Schleppende Baudurchführung verdrängt Mieter
Die schleppende Baudurchführung mit unzureichend ausgestatteten Handwerkern hat Methode: Bestandsmieter werden unter hohen psychischen Druck gesetzt, viele geben nach Wochen und Monaten entnervt auf.
Seit 6 Monaten sind die Mieter in der Kopenhagener Straße 46 zudem hinter einer Baufolie gefangen, und werden vor Gericht zum Auszug gedrängt. Eine ähnliche Praxis läuft im Mietshaus Winsstraße 59 ab. Hier ist nur eine Vervierfachung der Miete im Spiel, aber auch hier hängt seit März ein undurchsichtige Bauplane vor den Fenstern.
Die harte Verdrängungspraxis ist offenbar zur organisierten Methode geworden, bei der selbst einem grünen Baustadtrat in Pankow nichts mehr einfällt, um Mieter zu schützen. Jens-Holger Kirchner verweist regelmässig auf Bundesrecht und Zivilrecht, und hat natürlich Recht, was die unter CDU und FDP durchgesetzten Mietrechtsänderungen von 1.4.2013 angeht.
Aber Landesbranddirektor, der Regierende Bürgermeister, und Mieter weisen auf seine Zuständigkeit als Bauaufsichtsbehörde hin. Und Stadtrat Kirchner zíeht sich auf die unhaltbare Position zurück, ein Baugerüst sein nicht genehmigungsbedürftig.
Es kann dauern ….
Auch im Palais Wieland wird seit Februar 2013 saniert. Für die Fassade wurde laut Auskunft eines Mieters über ein Jahr gebraucht. Solange stand auch hier ein Baugerüst. Und immer noch wird hier hinter schmucker Fassade saniert. Kleine Handwerker mit privaten Kombi-PKWs transportierten heute Vormittag Gerümpel und Baumaterial ab. Keine Firmenschilder – statt dessen osteuropäischer Akzent.
Auch am Klingelschild kann man erkennen: das Haus steht in weiten Teilen seit Monaten leer – ein Fall von Zweckentfremdung von Wohnraum, sobald 6 Monate überschritten werden.
Strafanzeigen gegen den Investor
Betroffene Mieter aus der Kopenhagener Straße haben im August Strafanzeige wegen Nötigung und Körperverletzung gegen den Investor Christmann gestellt. Unter anderem ist wegen mangelnder Querlüftung der Wohnungen das Kindeswohl gefährdet, insgesamt 16 Kinder waren in der Kopenhagener Straße bis Ende Juli gemeldet. Eine Mutter mit Kleinkind ist infolge Schimmelbildung nach Wasserschaden still ausgezogen. Sie hatte einfach nur Angst um ihr Baby. Die Verstopfung der Hofeinläufe mit Styropor und die seit langen Wochen fehlenden Fallrohre sorgen für eine Flutung des Kellers, und für Langzeitschäden im Holzgebälk.
Die Generalstaatanwaltschaft hatte gegenüber den Antragstellern ein Prüfung zugesagt. Wie diese Prüfung ausgeht, war bislang offen.
Polizeieinsatz bei Christmann-Gruppe
Der heutige Polizeieinsatz bei der Christmann-Gruppe in der Wielandstraße deutete zuerst auf eine Razzia hin, denn ein Funkstreifenwagen und ein Mannschaftswagen der Polizei waren an dem Eckhaus in der Wielandstraße aufgefahren. „Sollte hier die Staatsanwaltschaft ein Exempel statuieren?“ – so der erste Gedanke.
Doch die Ursache des Polizeieinsatzes war etwas skurriler: Investor Christmann hatte die Polizei gerufen, um sich gegen ein mobiles Baugerüst mit Baufolie zu schützen, das ein TV-Team eines Fernsehsenders vor das Fenster des im Erdgeschoß liegenden Büros gerollt hatte.
Damit wird nun offenbar: die Investoren Christmann halten es keine einzige Stunde hinter ein paar Quadratmetern Baufolie aus, ohne die Polizei zu rufen. – Das TV-Team mußte wieder abrücken, und nahm das Baugerüst mit.
Die verbleibenden Mieter in der Kopenhagener Straße 46 und in der Winsstraße 59 müssen länger leiden, sie sehen nun dem siebten Monat in Dunkelheit hinter einer Folieneinhausung entgegen.
Weitere Informationen:
Teil 2 des Beitrags folgt am 6. Oktober 2013. Dann wird das Geheimnis um das investigative TV-Team gelüftet und der Sendetermin bekannt gegeben.
Artikel zum Thema Kopenhagener Straße 46:
Revision: Investor klagt gegen Verfügung 15. 09. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
Bitte wenden Sie sich an …! 3.09. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
Styrol & Feinstaub quälen Mieter 27. 8. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
Strafanzeige gegen Investor gestellt 18. 8. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
Investor nötigt Mietergemeinschaft – 10.7.2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
“Baufolien-KZ” in Prenzlauer Berg 13.06. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
Graue Ostern in der Kopenhagener Str. 46 21.4.2014 –
Berlins brutalste Sanierer 19.03. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung