Samstag, 07. Dezember 2024
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Smartphone auf dem Weg zum Tricorder

»HawkSpex® mobile«

„Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, im Jahr 22 nach Einführung erster Smartphones. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg haben eine Technologie in der Entwicklung, die eigentlich erst als Vision des 23. Jahrhunderts in der TV-Reihe STAR TREK auf den Markt kommen sollte: den Tricorder.

„Der Tricorder ist ein tragbarer Handscanner der Sternenflotte und dient der Untersuchung von unbekannten Objekten, Personen und der Umgebung und zeichnet Ereignisse auf Außenmissionen auf. Weiterhin lässt er sich sowohl mit den Schiffssystemen als auch mit Datenbanken und Universalübersetzern koppeln, um bestmögliche Untersuchungsergebnisse zu erzielen und diese schnellstmöglich auszuwerten.“

Mit einer neuen App-Technologie von Fraunhofer-Forschern am IFF kann man direkt in Objekte hineinschauen und sich spezielle Inhaltstoffe anzeigen lassen. Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten werden von der neuen Technologie »HawkSpex® mobile« eröffnet:

– so kann z.B. ein Apfel auf seine Pestizid-Rückstände untersucht werden.
– beim Autokauf könnte Lack an allen Stellen geprüft werden, Nachlackierungen werden identifiziert.
– die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln,
– die Wirksamkeit von Kosmetikprodukten
– in der Landwirtschaft kann geprüft werden, ob Pflanzen ausreichend mit Nährstoffen versorgt sind.

»HawkSpex® mobile« sorgt für fereinfachte Untersuchungen

Ein Smartphone mit hochauflösender Kamera genügt, mehr Zubehör-Ausrüstung ist nicht erforderlich. »Das Besondere an unserer App: Der Anwender braucht für die Messung nichts weiter als die Kamera, die ohnehin in seinem Smartphone integriert ist«, sagt Prof. Udo Seiffert, Kompetenzfeldleiter am Fraunhofer IFF.

Lichtmessung ohne Hyperspektralkamera

Die Forscher um Projektleiter Dr. Andreas Herzog haben es geschafft, ohne ein Prisma auszukommen und ohne spezielle Hyperspektralkamera auszukomen, die jeweils auf verschiedenfarbiges Licht reagiert und ermittelt, wie viel Licht dieser Farbe das Objekt zurückwirft.
»HawkSpex® mobile« erstellt seinen gesamten spektralen Fingerabdruck des Gegenstands. Aus diesem können die Forscher über ein mathematisches Modell beinahe beliebige Informationen über das Objekt extrahieren, etwa die Inhaltstoffe.

»Da im Smartphone keine Hyperspektralkamera integriert ist, haben wir dieses Prinzip einfach umgedreht«, erläutert Seiffert. »Wir haben mit der Kamera einen breitbandigen dreikanaligen Sensor – also einen, der alle Wellenlängen misst – und beleuchten den Gegenstand mit Licht unterschiedlicher Farbe.« Das heißt: Nicht die Kamera misst die Lichtintensität in den verschiedenen Farben, sondern das Display beleuchtet das Objekt nacheinander in Sekundenbruchteilen in einer Reihe von unterschiedlichen Farben. Wirft das Display also nur rotes Licht auf das Objekt, kann das Objekt auch nur rotes Licht reflektieren – und die Kamera nur rotes Licht messen. Intelligente Auswertealgorithmen sorgen dafür, dass die App mit der begrenzten Rechenleistung eines Smartphones auskommt und die eingeschränkten Leistungen von Kamera und Display kompensiert.

Laborversion fertig und patentiert

Die erste Laborversion der auch zum Patent angemeldeten App ist fertig. Bevor sie jedoch für den privaten Nutzer veröffentlicht werden kann, entwickeln die Forscher verschiedene erste Anwendungen. Denn um analysieren zu können, ob sich Pestizide im Apfel befinden, muss das System zunächst über Vergleichsmessungen angelernt werden. Etwa Ende 2017, hofft Seiffert, könnte die App »HawkSpex® mobile« tatsächlich auf den Markt kommen.

Einsatzmöglichkeiten wie bei der Sternenflotte: Nutzer erweitern das Anwendungsspektrum

»Es sind so zahlreiche Einsatzbereiche denkbar, dass der Markt uns sicherlich überrennen wird«, ist sich Seiffert sicher. Daher setzen die Forscher auf einen Ansatz, der die Nutzer zur Entwicklung neuer Anwendungen einlädt:

»Wenn die App Ende 2017 auf den Markt kommt, können engagierte Nutzer zum großen Ganzen beitragen und neue Anwendungen, zum Beispiel die Beurteilung der Belastung von Salatköpfen mit Pflanzenschutzmitteln, kreieren, indem sie das System für eine solche Fragestellung anlernen«, sagt Seiffert. Das heißt: Sie vermessen etwa behandelte und unbehandelte Salatköpfe verschiedener Sorten mit der App und schicken die Daten zum Fraunhofer IFF. Forscher prüfen die Messungen und schalten die Anwendung für alle Nutzer frei.

Auch im kommerziellen Bereich ist die App von großem Interesse. So lassen sich mit ihr Bereiche erschließen, bei denen sich ein Präzisionsmessgerät nicht lohnen würde. Und sicher wird die Technologien auch bei Weltraum-Reisen auf Asteroiden, Mond und Mars gute Dienste leisten, um Gesteine und Rohstoffe zu analysieren.

In Magdeburg ist Prof. Dr.-Ing. Udo Seiffert, Kompetenzfeldleiter Biosystems Engineering, schon ein wenig stolz, die Technologie aus der STAR TREK Utopie des 22. Jahrhunderts schon heute in die Realität zu überführen.

Weitere Informationen:

www.iff.fraunhofer.de

m/s