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TTIP und die Kultur

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Thomas Steinfeld, einer der beiden Leiter des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung, bezog zum Thema Freihandelsabkommen TTIP Stellung. Ihn scheint insbesondere die Debatte um die einst von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl ins Spiel gebrachte „Kulturausnahme“ zu beschäftigen. Für Steinfeld geht es offensichtlich um „Eine intellektuelle Zumutung“, die er wahrnimmt:

TTIP und die Kultur: Intellektuelle Zumutung – 7.8.2014 – Süddeutsche.de

Steinfeld wird dabei Opfer einer falschen Perzeption, denn er macht den uralten Fehler, erst eine allumfassende Nominalisierung zum Thema zu konstruieren, um hernach mit einer großen Zahl von Beispielen Argumente zu zimmern: er mißversteht, es solle eine „Generalschutzklausel für „Kultur““ gefordert werden.

Steinfeld baut seine Argumentation auf zwei Säulen:

„Gegner des Freihandelsabkommens mit den USA fordern pauschal, „die Kultur“ müsse unbedingt geschützt werden. Das reicht vom „Tatort“ bis zur Bayerischen Staatsoper. Aber was genau verteidigen sie da eigentlich?“

„Zuletzt meldete sich auch das Goethe-Institut zum Transatlantischen Freihandelsabkommen: Nein, die „Kultur“ dürfe nicht Gegenstand eines Vertrags werden, in dem alles, was hergestellt oder geleistet werde, gleichermaßen und ausschließlich als Ware behandelt werde. Die „Eigenständigkeit der Kultur“ werde gefährdet, wenn der „kulturellen Vielfalt“ der „Schutz“ und die „Förderung“ entzogen werde.“

Steinfeld hebt in die Sphäre der Begriffe und Nominalisierungen ab, er blendet eine Menge Aspekte und Kritik ein, aber die vom TTIP-Freihandelsabkommen geforderten neuen „Markt“-Regeln blendet er aus:

– die Buchpreisbindung
– die Frage ob staatliche Förderungen „wettbewerbskonform“ seien.

Steinfeld weicht in die Sphäre allgemeiner Kulturkritik aus, und diskutiert die Aspekte „Kultur als Ware“, sowie Aspekte der Kulturökonomie und Kulturwirtschaft.

Steinfeld kritisiert völlig richtig die intellektuelle Zumutung, die im darin liegt, die Kultur als eigene gesellschaftliche Sphäre zu begreifen:

„Das Dumme ist bloß, dass in dem Wunsch, die „Kultur“ möge frei sein, nur eine Negation steckt: Sie soll eben nicht dem Streben nach Gewinn und Macht dienen. Aber was soll sie stattdessen tun?“

Steinfeld stellt den Warencharakter der Kultur heraus, vermischt jedoch in einem Atemzug ganz verschiedene Dinge:

„… dass fast alle Dinge, die in der „Kultur“ hergestellt oder vertrieben werden, in Gestalt von Waren auftreten: vom Taschenbuch, das zehn Euro kostet, bis hin zur Arbeitskraft eines Theater-Intendanten, für die in einem Jahr durchaus dreihunderttausend Euro verlangt werden dürfen, eigene Regiearbeiten exklusive.“

Damit ebnet ausgerechtnet ein Leiter eines Feuilletons einer bedeutsamen überregionalen Zeitung wichtige kulturelle Werte ein, indem er die sich um den sehr hilfreichen Begriff der „Kulturgüter“ herumdrückt, und die Sphäre der Kulturproduktion gänzlich ausblendet. Steinfeld reduziert damit die Debatte und betreibt am Ende nur „Lobby-Schelte“:

„Die großen Institutionen des deutschen Kulturbetriebs wollen einen Bannkreis um die „Kultur“ legen, und sie wollen es um so mehr, je weniger sie angeben können oder wollen, was sich innerhalb des Kreises befinden soll.“

Steinfeld auf dem Auge „Kulturproduktion“ blind?

Die Kulturausnahme ist kein Selbstzweck, der die schönen Künste und die Kultur in eine Schutzspähre abheben soll. Vielmehr dient die „Kulturausnahme“ dem Schutz der „Kulturprodktion“, die in ihrem konstitutiven Teil auf menschlicher Kreativität und einem in seiner Vielfalt und Spezialisierung äusserst unökonomischen Individualismus beruht. Ob Autor oder Autorin, ob Maler, Malerin oder Tänzer … viele künszlerische Produktionsweisen benötigen einen Schutz vor den Verwertungsökonomien großer Kapitalinvestoren.

Steinfeld hinterlässt damit selbst eine intellektuelle Zumutung – indem der die essentiellen Schutzansprüche für Kultur übersieht.